Kammermusik:Unerhörte Raritäten

Lesezeit: 3 min

Das Meisterkonzert des Europäischen Musikworkshops beglückt das Publikum mit einer ganzen Reihe musikalischer Entdeckungen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau/Altomünster

Der Europäische Musikworkshop Altomünster hat es geschafft; sein 12. Meisterkonzert im Schloss Dachau hat den längst verdienten Zuspruch beim Konzertpublikum von Stadt und Landkreis Dachau gefunden, der Festsaal war sehr gut besetzt. Was der künstlerische Leiter Markus Kreul in Altomünster aufgebaut hat, ist erstaunlich. Gute Dozenten sind der Magnet für erfolgversprechende Schüler, aber solche Dozenten muss man erst einmal nach Altomünster locken, und die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit etwa mit dem Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg und der Universität Eichstätt-Ingolstadt muss auch erst geschaffen werden. Die Dozenten des diesjährigen Workshops stellten sich beim großartigen 12. Meisterkonzert im Schloss Dachau vor.

Meisterhaftes Zusammenspiel: Raphael Gärtig, Sebastian Caspar, Sandra Rieger und Guido Schiefen (von links). (Foto: Toni Heigl)

An erster Stelle muss natürlich der international anerkannte Violoncellist Guido Schiefen von der Musikhochschule Luzern genannt werden. Er hat nicht nur die gesamte Konzert- und Kammermusikliteratur für Violoncello in seinem Repertoire, er tritt - vor allem in Dachau - auch gern mit seinen Entdeckungen längst vergessener Stücke und Bearbeitungen für Violoncello hervor. In diesem Jahr spielte er, zusammen mit Markus Kreul am Klavier, Robert Schumanns sehr bekannte und beliebte "Kinderszenen" op. 15, bearbeitet für Violoncello und Klavier von dem seinerzeit berühmten Cellisten Paul Klengel, und drei der ebenfalls sehr beliebten Ungarischen Tänze von Johannes Brahms in der Bearbeitung von Alfredo Piatti.

Ohne Stromausfall durchs Programm: Harald Harrer konnte durchgängig vom Blatt spielen. (Foto: Toni Heigl)

Bei Robert Schumanns "Kinderszenen" unterstreicht das Violoncello den poetischen Gehalt und die Stimmungen der einzelnen Szenen, bei den Ungarischen Tänzen müsste eher eine Geige mitspielen, denn kein Primas der Sinti oder Roma (und um die Musik dieser Volksgruppen geht es bei diesen "Ungarischen Tänzen" von Brahms) spielt Violoncello. Musikalische Entdeckungen, die besonders viel Freude machten, waren eine aus Filmmusik gewonnene Suite für Klarinette, Violine und Klavier von Darius Milhaud und das von Franz Beyer ausgezeichnet ergänzte Fragment eines Allegro-Satzes für Klarinette, Bassetthorn, Violine, Viola und Violoncello von Mozart. Milhaud ist oft für spritzige, von südamerikanischen Rhythmen belebte Musik gut - man denke an seine "Schöpfung" ("La Creation du monde"), seinen Ochsen auf dem Dach ("Le Bœuf sur le toit") oder seine "Saudades do Brasil". In dieser Suite musizieren Klarinette und Violine sehr spritzig miteinander, während das Klavier nur eine rhythmisch prägnante Grundlage gibt oder ganz schweigt.

Als zwischenzeitlich das Licht ausfiel, spielte Pianist Markus Kreul im Dunkeln souverän weiter nach Gedächtnis, bis ein Zuschauer mit der Taschenlampe Licht spendete. (Foto: Toni Heigl)

Über die göttliche Musik Mozarts muss man sich nicht verbreiten; was bei der Aufführung des genannten Allegro-Satzes bestach, war die überaus gelungene bruchlose Ergänzung und natürlich auch die glänzende Aufführung. Das entscheidende Verdienst aber ist, dieses Stück überhaupt einmal aufs Konzertpodium zu bringen. Freilich, wo verfügt man schon über Klarinette und Bassetthorn zu den Streichern? Das können in der Regel nur Rundfunkanstalten bieten - und der Europäische Musikworkshop Altomünster.

Von Mozarts Quartetten für Flöte, Violine, Viola und Violoncello hört man im Konzertsaal immer nur das Stück in D-Dur, hier kamen im Lauf von vier Jahren alle Stücke dieser Art zur Aufführung und zwar in der ausgezeichneten Besetzung Raphael Gärtig (Flöte), Sebastian Caspar (Violine), Sandra Rieger (Viola) und Guido Schiefen (Violoncello).

Noch zwei Entdeckungen: Zunächst eine Gavotte für vier Violoncelli des einst berühmten Leipziger Cellisten Julius Klengel, dann ein "Phantasy Quintet" für Bassklarinette und Streichquartett von York Bowen, von dem man überhaupt noch nie etwas gehört hat. Aber dieses musikalisch nach Brahms, aber noch weit vor Bartók und Hindemith angesiedelte Quintett hat Format, und die Wiederbegegnung mit dem Klarinettisten Maximilian Breinich aus Altomünster, laut Markus Kreul ein "Urgestein" seines Workshops, war sehr erfreulich. Wer hat wohl das Stück für vier Violoncelli entdeckt? Selbstverständlich war es Guido Schiefen, der es von vier seiner Altomünsterer Schüler kompetent spielen ließ.

Der Csárdás von Monti ist ein sehr bekanntes Stück und fehlt bei keinem Salonorchester. Im Dachauer Schloss aber durfte man seine szenische Aufführung - oder war es gar eine Uraufführung? - erleben. Sebastian Caspar (Violine) und Ionas Mercadal (Klarinette) spielten und tanzten diesen Csárdás in einer Bearbeitung für Violine, Klarinette und Klavier. Markus Kreul am Klavier durfte mitspielen, aber nicht mittanzen. Bleibt noch zu erwähnen, dass der drei Stunden lange, aber an keiner Stelle als "lang" empfundene Konzertabend mit einer Auswahl aus den Liebeslieder-Walzern für Klavier zu vier Händen und Gesangsquartett von Johannes Brahms stimmungsvoll endete. Alle Mitwirkenden dieses Meisterkonzerts zu nennen, ist hier nicht möglich. Zum Schlussapplaus erschienen vier Sängerinnen, drei Sänger und 16 Instrumentalisten auf dem Podium, das diese Menge kaum fassen konnte.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: