Kammerkonzert:Musikalische Raritäten der Niederlande

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Das Kammerorchester "L'Estro" spielt in Petershausen festliche Weihnachtsmusik aus dem "Goldenen Zeitalter"

Von Sonja Siegmund, Petershausen

Festliche Weihnachtsmusik fernab vom White-Christmas-Gedudel der Christkindlmärkte und Shopping-Malls erlebten Gemeindemitglieder und Gäste am vergangenen Sonntagabend in der evangelischen Segenskirche in Petershausen. Diese seltene Pause des Innehaltens ist dem Kammerorchester L'Estro zu verdanken, das seit einigen Jahren am zweiten Advent ein Werkstattkonzert im evangelischen Gemeindezentrum veranstaltet. "Nederlandse advent" ist das Musikprogramm überschrieben, mit dem die Formation nach dieser Generalprobe in der Alten Hofkapelle der Münchner Residenz auftreten wird. Die Begeisterung für die Werke des Barock hat die Mitglieder des Abaco-Sinfonieorchesters München vor neun Jahren zusammengeführt, ein Kammerorchester zu gründen. Der Name L'Estro (Eingebung) nimmt Bezug auf Antonio Vivaldi, dem sich das Ensemble besonders verbunden fühlt.

Die Türen der neuen Segenskirche schließen sich, im Altarraum haben sich die zehn Musiker mit ihren teils historischen Instrumenten aufgestellt. Von der Empore klingen glockenreine Flötenklänge - für eine gute Stunde scheint der alljährliche Vorweihnachtsstress vergessen zu sein. Bei der Vorbereitung für dieses Adventskonzert, das alljährlich einem anderen Land gewidmet ist, sei das Ensemble auf das reiche, wenn auch weniger bekannte niederländische Musikleben des 17. und frühen 18. Jahrhunderts getroffen, erklärte L'Estro-Leiter Frank Behrendt dem Publikum.

Wochenlang begaben sich die Musiker auf die Suche nach dem Klang des Goldenen Zeitalters der Niederlande, das insbesondere von wirtschaftlichem Aufschwung und einzigartiger Malerei geprägt wurde. Dabei habe man einige musikalische Raritäten und außergewöhnliche Künstlerbiografien entdeckt, so Behrendt, der Viola spielt und in Petershausen wohnt. Das niederländische Musikleben um 1700 verdankt seinen hervorragenden Ruf insbesondere der qualitätvollen Arbeit der Amsterdamer Musikverlage. Enge Geschäftsbeziehungen zu Verlegern in anderen Musikmetropolen wie Paris oder London gewährleisteten eine rasche Verbreitung der Druckwerke.

Eine Entdeckung ist der von Geburt blinde Jacob van Eyck (1590 bis 1657). Zunächst Glockenspieler im Utrechter Dom, wurde er später als Blockflötenvirtuose und Komponist berühmt. Mit einem Musikstück aus seiner Komposition "Fluyten Lust-hof" glänzte die Musikstudentin Veronika Schiela aus Dachau, die mit ihrem innigen Flötenspiel bei "Engels Nachtegaeltje" (Englische Nachtigall) besonders anrührte. Als musikalische Kostbarkeit gestaltete sich das Concerto grosso c-moll op. 1 Nr. 11 von Pietro Locatelli (1695 bis 1764), in dem fünf Violinen, je eine Viola, ein Violoncello, Kontrabass, Cembalo (Tasteninstrument) sowie eine Theorbe (Basslaute) eine vollkommene Einheit bildeten.

Um 1730 verließ Locatelli seine italienische Heimat, um weiterhin in Amsterdam zu leben, der Stadt seiner größten Erfolge. Hier betätigte sich der Komponist und virtuose Geiger als Konzertveranstalter und Musikpädagoge. Dessen bekanntester Schüler war der Franzose Jean-Marie Leclair (1697 bis 1764), der selbst eine beachtliche Karriere als Geiger und Komponist vorweisen konnte. Man bezeichnet Leclair, von 1740 in der Residenzhauptstadt Den Haag tätig, als den Corelli Frankreichs. Dessen Konzert für Violine d-moll verbreitete eine feierliche Adventsstimmung in der Segenskirche, nicht zuletzt dank der niederländischen Geigensolistin Marije Grevink, seit 2003 als erste Geigerin im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks tätig.

Großartig war auch das Zusammenwirken von Orchester und Solistinnen bei Antonio Vivaldis Concerto La Notte (Die Nacht). Einen guten Eindruck festlicher Renaissance- und Barockmusik gaben die Musiker zudem mit Werken für Violine und Blockflöte von Willem de Fesch, Cornelis Schuyt und Unico Wilhelm van Wassenaer. Das Publikum bedankte sich mit herzlichem Applaus für diesen besinnlichen Einstieg in die dritte Adventswoche.

Einmal mehr hat das Kammerorchester L'Estro seine Freunde und Gäste mit einer musikalisch anspruchsvollen Feierstunde beschenkt, die sich wohltuend von den mittlerweile sehr amerikanisch geprägten Christmas-Events unterscheidet.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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