Kabarettist und Pädagoge Han's Klaffl:Sehnsucht nach der Schule

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Einmal Lehrer, immer Lehrer: Ob es Schreibfehler im Supermarkt auszubessern oder der Fachkraft im Baumarkt beizustehen gilt, der Pensionär Han's Klaffl ist gern zu Diensten. (Foto: Toni Heigl)

Mal erzürnt, mal erleichert, dann wehmütig schaut Kabarettist Han's Klaffl in seine Vergangenheit

Von Renate Zauscher, Dachau

Wie lebt es sich so im "wohlverdienten Ruhestand" eines pensionierten Lehrers? Wie füllt man seine Tage mit sinnvollen Tätigkeiten? Und gibt es vielleicht so etwas wie die Sehnsucht zurück ins Klassenzimmer? Einer, der das sehr genau weiß, ist Han's Klaffl: ehemaliger Musiklehrer und mittlerweile pensionierter Studienrat, der seine Schulerfahrungen seit fast fünfzehn Jahren ummünzt in höchst amüsante Kabarettunterhaltung. Am Freitag war Klaffl im Dachauer Thoma-Haus zu Gast, und unter den Zuhörern im ausverkauften Saal dürften so manche Kollegen gewesen sein, die sich lebhaft an die eigene "Schulzeit" erinnert gefühlt haben: Immer wieder gab es viel Gelächter und Beifall für Klaffls Reminiszenzen.

Wie also ist es, dieses post-schulische Dasein? Erst einmal ist da die große Freiheit, die Klaffl gleich eingangs am Klavier mit einem schmissigen Song beschreibt. Kein frühes Aufstehen mehr, keine schlecht gelaunten Schüler schon am frühen Morgen, kein Mief im Lehrerzimmer. "Mir geht's nicht nur gut - mir geht es oberaffengeil", sagt Klaffl in schönstem Schülersprech.

Allerdings hat auch der Ruhestand so seine Tücken: Als Beamter ist man es schließlich nicht gewohnt, sich seinen Tag ohne Anweisungen von oben einzuteilen. Ausweg aus dem Dilemma bietet da der wöchentlich mehrfache Gang zu Hausarzt - "die Diagnose bring ich gleich selber mit". Alternativ geht's in den Baumarkt, das Eldorado jeden Mannes. Dort kann man dem Fachberater ungefragt zur Seite stehen - zumindest solange man nicht mit einem Hausverbot belegt wird. Gleiches droht dann auch im Supermarkt, wo man, eingedenk des pädagogischen Auftrags, die Rechtschreibfehler der Angebotsankündigungen am liebsten mit dem Permanentmarker auf der Schaufensterscheibe korrigieren will.

Spöttisch und doch auch liebevoll denkt Klaffl an seine Lehrerzeit zurück: an die wunderbaren Diskurse mit Zehn- und Elfjährigen und die Versuche etwa, ihnen klar zu machen, was eine "kleine Terz" ist. Erst einmal mit dem Kinderlied "Kuckuck, Kuckuck ruft`s aus dem Wald", dann mit der Pumuckl-Melodie, und schließlich, da kaum noch ein Kind weiß, was ein Kuckuck oder ein Kobold ist, mit zeitgemäßerem Liedgut: "Sex Bomb, Sex Bomb". Kläglich gescheitert ist Klaffl offenbar auch öfter Mal beim Versuch, gemeinsam zu singen: "So ein Scheißlied sing ich nicht" war nur eine der Begründungen der Gesangsverweigerer. Und überhaupt: "Was bringt uns das?"

Später dann, in der Mittelstufe, ging es vor allem um das Thema "Jugend forscht" - und zwar nach Klaffls Eindruck vor allem unterhalb der Gürtellinie. Anstrengend, vor allem im Umgang mit den Eltern, auch das Thema echter oder vermeintlicher Hochbegabung - das aber dann in der Oberstufe nicht mehr so drängend ist: Bis dahin nämlich haben sich laut Klaffl auch die "Hochbegabten" entschieden zwischen "Abi oder Obi".

Die Freiheit des Ruheständlers bedeutet für einen Lehrer vor allem eines: Endlich frei sagen zu dürfen, was man von ministeriellen E-Mails mit einander widersprechenden Anweisungen hält oder vom Umbau des G9 zum G8 und wieder zurück zum G9: Ritalin empfiehlt Klaffl den Entscheidungsträgern im Ministerium, zur Behandlung erratischen Verhaltens mit schlimmen Folgen für eine ganze Generation. Auch wenn ihn das heute nichts mehr angeht: Erbittert ist Klaffl immer noch über die ministerielle Forderung, den Lehrplan zu "entrümpeln". "Wir haben den Schülern also vor allem Gerümpel beigebracht?", erbost er sich: "Beethoven? Tot - also weg damit!" Und ein ganzes Buch während der Gymnasiumszeit lesen? Viel zu zeitaufwendig - kann man ja später mal machen, nach der Rente.

Klaffls Blick zurück auf seine Schüler ist deutlich von Zuneigung geprägt - der auf die Eltern eher weniger. Die Mutter, die dem Lehrer mit der Mitleidstour kommt, der Vater, der gleich mit dem Anwalt droht - sie sind durchaus dazu angetan, einem Lehrer das Leben schwer zu machen. Am schlimmsten aber sind nach Klaffls Erfahrung die Großväter alten Schlags, die in der Elternsprechstunde strengste Disziplin fordern - wie anno dazumal.

Die Pensionierung also als Befreiung von vielerlei unerfreulichen Begleiterscheinungen des Lehrerdaseins? Nicht nur. Am Ende, in einem seiner Songs, bei denen sich Klaffl am Klavier und dem Kontrabass begleitet, gesteht der Mann: Er hat Sehnsucht nach seiner Schule und den Schülern. Und ob nicht jemand mal etwas zum Korrigieren vorbeibringen könnte? Vielleicht erbarmt sich ja der ein oder andere Kollege aus dem Publikum!

© SZ vom 21.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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