Kabarett in der Schwabhausener Post:Wider den Milchschäumer

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Seine Pointen unterstreicht Kabarettist Philipp Weber mit eindrucksvoller Mimik. (Foto: Toni Heigl)

Philipp Weber geißelt kritiklosen Konsum

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Mit leichtfüßigem Sprung ist der Mann auf der Bühne, verbeugt sich nach allen Seiten - und legt los. Philipp Weber heißt der schmale Mensch im verwaschenen Shirt, er tritt an diesem Abend zum ersten Mal in der Schwabhausener Post auf - und ist doch alles andere als unbekannt. In seiner fast zwanzigjährigen Kabarett-Karriere hat er zahlreiche Preise erhalten, vom Passauer Scharfrichterbeil bis zum Bayerischen Kabarettpreis und dem Deutschen Kleinkunstpreis.

Schon in den ersten Minuten seines aktuellen Soloprogramms "Weber No.5: Ich liebe ihn" wird deutlich, dass Philipp Weber einen eigenen Stil entwickelt hat, der dem Publikum einiges abverlangt: Er feuert seine Pointen in so atemberaubender Geschwindigkeit ab, dass nur schnellste Mitdenker auf Anhieb wissen, warum sie lachen. Zu lachen gibt es in der Tat viel. Zum einen, weil die Pointen sitzen, und zum anderen, weil Weber sie mit so bewegter Mimik und Gestik untermalt, dass nur wirklich hartgesottene Zuschauer ernst bleiben können. Ständig ist der Mann in Bewegung, rennt hin und her, springt hoch, kippelt mit dem Stuhl, beugt sich tief hinunter zum Publikum, das er immer wieder in seine Wort-Kaskaden mit einbezieht.

Weber, ein studierter Naturwissenschaftler, hat eine Mission: Er will die Menschen aufrütteln aus der Bequemlichkeit verfestigter Meinungen, will, dass sie genauer hinsehen auch auf das, was nicht gleich durchschaubar ist. Es geht ihm um die Frage, mit welchen Mitteln der Werbung und des Marketings wir manipuliert werden. Oder, auf einen kurzen Nenner gebracht: "Wie macht man aus einem Menschen einen Konsumenten?"

Ganz klar: die Manipulatoren appellieren an Bedürfnisse und an "kindlichen Besitzerstolz", damit der Mensch sich seinen jeweiligen Obsessionen hemmungslos hingibt: sich den zwanzigsten Milchschäumer für die perfekte Küche kauft, die teure Uhr, die bis zu 1200 Meter Tiefe wasserdicht ist, oder das nahezu autonome Auto, das dem Fahrer auch noch die Ruhepausen vorschreibt. Sorgen macht sich Weber aber auch um Ernährungsfragen - er hat dem Thema ein eigenes Soloprogramm gewidmet und lässt einige Gedanken daraus einfließen - zum Beispiel, dass ein Drittel der Werbung im Lebensmittelbereich auf Kinder abzielt. "Jede Marketingaktion für Kinder unter zwölf Jahren gehört verboten", sagt Weber - "kein Spaß!"

Von seinem Hauptthema, der Manipulation des Menschen durch Werbung und Marketing, schweift Philipp Weber im Lauf des Abends immer wieder ab. So empfiehlt er demokratiemüden Mitbürgern einen Urlaub etwa in Nordkorea, in Venezuela, der Türkei oder Saudi Arabien - "Mittelalter in der Shopping Mall" oder Hinrichtung zum Zuschauen inklusive. Auch über die neue politische Landschaft hat sich Weber so seine Gedanken gemacht. Die SPD will "Gerechtigkeit"? Die braucht doch niemand mehr in einer reichen Gesellschaft. Dort hat man eher Angst vor Verlusten und deshalb auch vor "Fremden" - und wählt die AfD, eine Bewegung keineswegs der "Abgehängten" sondern reicher Wohlstandsbürger. Und was Seehofer angeht: "Der Islam gehört sehr viel mehr zu Deutschland als Seehofer nach Berlin."

Konsumkritik, Politschelte, gesellschaftliche Analyse im Wechsel mit Witz und Parodie: Dem Schwabhauser Publikum war klar, dass es einen herausragenden Vertreter der Kabarettszene vor sich hatte - und dankte mit entsprechendem Jubel.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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