Kabarett in der Friedenskirche:Von der Freiheit eines Jodelmenschen

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Kabarettist Josef Brustmann in der evangelischen Friedenskirche Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Josef Brustmann bringt sein Publikum zum Nachdenken und zum Lachen

Von Deborah Portejoie, Dachau

Auf einer Geburtstagsfeier habe er seine Freunde gefragt, was sie denn unter Freiheit verstünden, erzählt Kabarettist Josef Brustmann am Freitagabend in der Dachauer Friedenskirche. "Motorrad!", sagt der eine, "Wohnmobil!", sagt der andere. Ein Freund sagt: "Ich hätte gerne so viel Geld, dass ich nie wieder arbeiten gehen muss." Auf dem Heimweg dann ein Interview mit einem 16 Jahre alten Somalier im Radio. Er sei in einem Auffanglager geboren, habe es sein ganzes Leben noch nicht verlassen, berichtet er. Was er sich denn wünsche, wird er gefragt. Der Junge antwortet: "Endlich mal arbeiten gehen zu können." Dann eine Szene in der Münchner Straßenbahn. Eine norddeutsche Touristin steigt ein und fragt den Tramfahrer: "Ich möchte gerne zum Tierpark Hellabrunn." Der antwortet: "Als was?"

Aus Anlass des Reformationsjubiläums hat die Evangelische Friedenskirche Dachau gemeinsam mit dem Dachauer Forum einen Luther-Abend veranstaltet, der "ein nachdenklicher und ein amüsanter" werden sollte. Das hat Josef Brustmann geschafft - er bringt das Publikum mindestens genauso oft zum Nachdenken wie zum Lachen. "Vater, erzähl vom Kriag!", singt er. Das Lied endet bitter: "Erzähl, wia du g'folln bist." Ein paar Momente später dann lobt Brustmann Sigmar Gabriel. Der sei ein guter Schauspieler, denn er könne Dick und Doof in einer Person spielen. Abwechselnd lacht der Zuschauer über derbe, bitterböse Witze, und denkt über ganz existenzielle Dinge nach.

Josef Brustmann studierte an der Hochschule für Musik und arbeitete als Musiklehrer. Die musikalischen Einlagen am Freitagabend zeigen sein musikalisches Talent. Er spielt "Across the Universe" von den Beatles auf einem unerwarteten Instrument, der Zither. Auf den Tisch neben sich stellt er eine kleine Discokugel, die von unten beleuchtet wird und bunte Lichtflecken an die Kirchenwände wirft. Brustmann lächelt überrascht, als eine Dame aus dem Publikum anfängt mitzusummen. Der Rest des Publikums genießt diese ganze andere Version eines Klassikers und lauscht fast andächtig. Gelacht wird wieder, als Brustmann einen Synthesizer auf die Zither wirft und den ACDC-Klassiker "Highway to Hell" spielt. Die Erlaubnis, das Lied in einer Kirche zu spielen, habe er sich vorher beim Pfarrer geholt, sagt Brustmann. Während er singt, zeigt der Kabarettist eine weitere seiner Stärken: Er schaut das Publikum intensiv an, und spricht die Zuschauer auch mal direkt an. Als er anfängt zu jodeln, unterbricht er ein Lied kurz, um einem Zuschauer aus der ersten Reihe zu fragen: "So hast du dir das Kabarett nicht vorgestellt, oder?" Aber das mit dem Jodeln müsse so sein, es gehe nicht anders, entschuldigt er sich.

Die nachdenkliche Stimmung erreicht ihren Höhepunkt, als Brustmann einen kleinen Drachen herausholt. Er macht einen Ventilator an und lässt ihn zwei, drei Meter in die Luft steigen. Ein Drache fliege nur, wenn er an einem Seil befestigt sei, sonst falle er zu Boden. Ähnlich sei es mit der Freiheit: "Freiheit ohne Anbindung kannst du vergessen." Umrahmt wird Josef Brustmanns Auftritt von einem Vortrag des evangelischen Theologen Alf Christophersen, der den Bogen von Brustmanns Aussagen zu denen des Reformators Martin Luther spannt. Am Ende des Abends sagt ein Mann aus dem Publikum, er habe in der Kirche selten so gelacht.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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