Kabarett im Bürgerhaus Karlsfeld:Menagerie des Bösen

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Kabarett jenseits der Komfortzone: Josef Hader im Bürgerhaus. (Foto: Niels Jørgensen)

Josef Haders hintergründiger Witz fordert das Publikum heraus

Von Renate Zauscher, Karlsfeld

Da steht er also auf der Bühne, der große Josef Hader, der - man weiß es aus seinen Filmen - eigentlich ein schmaler, fast schmächtiger Mensch ist. Er steht und schweigt, ein leichtes Zucken um die Mundwinkel, und mustert sein Publikum. Geht schon, die erste Reihe. Sonst nämlich, wenn der Eintritt teurer ist als hier im Karlsfelder Bürgerhaus, "dann können die Reichen in der ersten Reihe ihren Reichtum ja oft kaum verbergen", weiß der Mann aus Erfahrung.

Josef Hader: der Skeptiker, der zurückhaltend Zögernde, der später von sich sagen wird, er sei ja eigentlich ein "scheues Reh" und "so sensibel": Wie viel davon ist in einem langen Bühnenleben erprobte Pose und wie viel "echter Hader"? Genau dies wird man sich im Laufe des Abends noch öfter fragen - dann etwa, wenn er dem Publikum vom nicht mehr aushaltbaren Bedrängtsein durch die Frau erzählt, ihrem unerträglichen, ständigen "Da-Sein" oder von den Kindern, die "in der Nacht erst immer schreien, dann immer weg sind und schließlich alles erben"?

Erst einmal aber setzt sich Hader an sein Keyboard und beginnt, auch hier nur zögerlich, in ein Lied hineinzufinden. Der Text besteht zunächst aus Nonsens-Reimen, bald aber wird Haders Freude an hintersinnigen, lustvoll-bösen Vergleichen sichtbar. Dann etwa, wenn er von der "großen Freiheit" singt, die auch dann gilt, wenn einer sein Bett nicht mehr verlässt: "Freiheit" und Altersheim in einem Atemzug. Fast lyrisch wird Hader, wenn er vom Wind singt, der "uns hin und her weht, zum Billa und ins Büro", dann wieder wird sein Gesang im wüsten Dialekt des gebürtigen Oberösterreichers für deutsche Ohren nahezu unverständlich. Zuletzt findet er in die schwindelnden Höhen geradezu opernmächtigen Singens, das in schrillen, weiblichen Tönen endet.

Noch näher bei sich und dem, was er der Welt mitteilen will, aber ist Josef Hader, wenn er redet: lakonisch, verhalten, manchmal sich steigernd in wilde Redekaskaden. Dann kann er, um seinen Punkt zu machen, plötzlich zum Hitler mutieren, der bellend, geifernd, die Ausmerzung aller Kabarettisten fordert. Die nämlich sind, so Hader, die einzigen, "die noch sagen, wer schuld ist" am Zustand der Welt: "Das tut nicht einmal der Papst."

Vielleicht liegt die Schuld ja bei denen, die sich für "Humanisten" halten, vor allem aber Wert legen auf bestes Olivenöl, einen guten Barolo, auf Trüffel aus dem Piemont und den "biologisch-dynamischen Rucola vom Naschmarkt"? Die also, die "beruflich über Leichen gehen - aber bitte mit Bio-Resonanz?"

Möglicherweise aber sind ja auch die Vorurteile und Klischees an vielem schuld, die wir von der Welt und ihren Bewohnern mit uns herumtragen. In einem großartigen Monolog steigert sich Hader in eine Abfolge bösartig-komischer Aburteilungen von Tieren und Menschen hinein. Von der Katze, die in einer "krankhaften Parallelwelt" lebt, kommt er über hinterhältig glotzende Delfine, über Franzosen und Wiener, Kroaten und Serben, allesamt irgendwie verachtenswert, bis zu den Politikern, "die gerade die Zukunft der ganzen nächsten Generationen verjuxen". Haders Tritte gegen real existierende Politiker kommen eher subtil daher, in kleinen, bösen Nebensätzen wie dem über den unsäglichsten aller Menschen, den die Amerikaner gewählt haben, bis hin zu dem Bayern, der ein bayerisches Raumfahrtprogramm propagiert.

Über das Leben philosophiert Hader und über den Tod, der früher für die Menschen nichts Endgültiges sondern eher so etwas "wie das Umsteigen in Rosenheim an einem nebligen Novembertag" gewesen sei, über den "Kreislauf der Natur" mit allen unappetitlichen Details, etwa bei einer dörflichen Beerdigung, und über die menschliche Kälte, die in der Anonymität der Stadt herrscht, wo unentdeckte Tote "langsam in die Matratze hinein versickern".

Haders Welt ist keine fröhliche, und er schildert sie mit einer Klarsicht und einer sehr Wienerischen Mischung aus Resignation und bösem Witz, die immer wieder an große Vorgänger wie Karl Kraus, Helmut Qualtinger oder Georg Kreisler erinnert. Nur der Blick auf den einzelnen, kleinen Menschen verrät so etwas wie Menschenliebe: Haders Lied über den "Franz" etwa, diesen Wiener, den er ungeschönt und dennoch ohne jeden Häme schildert.

Das Publikum in Karlsfeld reagiert verhalten auf Hader: Es lacht zwar immer wieder, applaudiert - aber der große Jubel, der diesem herausragenden Interpreten unserer Welt eigentlich zustünde, bleibt aus. Vielleicht ist Hader ein für Beifallsstürme zu schwieriger, zu anspruchsvoller, zu hintergründiger Mensch - und auch ein zu österreichischer Kabarettist, um hierzulande ganz verstanden zu werden.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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