Jugendarbeit:Karlsfeld sucht dringend Sozialpädagogen

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Die Gemeinde würde gern mehr in der Jugendarbeit leisten. Doch Stellen zu besetzen, ist nicht einfach. Es fehlen Erzieherinnen und ein Experte für Streetwork.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Pädagogisches Personal zu finden, ist schwierig. Bei der Kinderbetreuung schmerzt es die Gemeinde am meisten, denn die Eltern haben inzwischen einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz. Karlsfeld hat das schon öfter vor große Probleme gestellt, da die Zahl der Kinder wächst und wächst. Jedes Jahr bleiben Stellen vakant. Im Haushalt wirkt sich das oft positiv aus, im Alltag der Erzieher weniger. Aber es sind nicht nur die Kleinen, um die sich eine Gemeinde kümmern sollte, auch Jugendarbeit ist wichtig. In den vergangenen zwei Jahren mussten die Pädagogen in Karlsfeld mächtig improvisieren, vieles fiel einfach unter den Tisch - Streetwork zum Beispiel. "Die Stelle liegt brach", sagte der Leiter der gemeindlichen Jugendarbeit Tobias Schmitt.

Nur an einzelnen Tagen war 2017 ein Sozialarbeiter auf der Straße, um den Jugendlichen Angebote zu machen. Die Stelle ist wieder ausgeschrieben. Laut Schmitt gab es Bewerber, aber die hätten inzwischen signalisiert, dass sie kein Interesse mehr haben. "Es liegt wohl auch daran, dass die Regierung nicht sehr gut bezahlt", sagt CSU-Gemeinderätin Ursula Weber. Wer länger zur Arbeit unterwegs sei, weil er sich Karlsfeld als Wohnort nicht leisten könne, habe Einbußen. Ein Kandidat steht nun für Anfang dieses Jahres in Aussicht.

"Jugendarbeit ist wichtig und wird noch wichtiger werden", mahnte Weber. Sie weiß wovon sie redet, sie ist Rektorin der Verbandsgrundschule und kennt die Probleme, die Kinder und Jugendliche haben. "Ich bin froh, wenn alle Säulen der Jugendarbeit wieder besetzt sind", sagt sie.

Der Bereich Streetwork ist nämlich nicht die einzige Vakanz in Karlsfeld. Ein Jahr lang fehlte auch ein Sozialpädagoge, der sich um die Probleme der Schüler kümmert. Von Herbst 2016 bis Herbst 2017 mussten die Jugendlichen an der Mittelschule allein zurecht kommen. Jetzt ist Marina dos Santos Rodrigues vom Jugendhaus dorthin gewechselt, zeigt den Unter- und Mittelstufen, wie man Konflikte löst und Streit schlichtet - in Stuhlkreisen, beim Gruppentraining in den sechsten Klassen, sowie auf den Orientierungstagen der Neuankömmlinge. Dabei geht es ihr auch darum, dass der Klassenverband gestärkt wird und die Zehnjährigen von Anfang an lernen, respektvoll miteinander umzugehen. Den größten Teil von dos Santos Rodrigues' Arbeit machen aber die Beratungsgespräche mit einzelnen Schülern aus, die zu ihr kommen, wenn sie Probleme haben.

Viele Jungendliche suchen nach ernsten, offenen Gesprächen und Personen, denen sie vertrauen können. (Foto: Niels P. Joergensen)

Gemeinderätin Weber beklagt, dass es noch keine Kooperation der Jugendarbeit mit den Grundschulen gäbe. Schmitt versprach, dass er das Thema aufgreifen werde. Er ist selbst erst seit Oktober 2017 in Karlsfeld tätig. Ihm ist es wichtig, dass die einzelnen Einrichtungen gut miteinander vernetzt sind.

Die dritte Säule der Jugendarbeit ist das Jugendhaus. Die Karlsfelder sind stolz darauf, dass sie das erste im Landkreis Dachau hatten. Doch auch dort war in den vergangenen zwei Jahren manches im Umbruch, einerseits, weil Personal fehlte, aber auch deshalb, weil sich die Klientel geändert hat. Viele Jahre hatte eine große Clique das "Rock City", wie es sich nennt, mehr oder weniger okkupiert, doch nach und nach verabschiedeten sich die Jugendlichen 2017. Einerseits weil sie nun von der Schule in Ausbildung oder Studium wechselten und viel mobiler wurden. Andererseits auch deshalb, weil es wohl einige Diskrepanzen in der Clique gab. Ein wenig hat es gedauert, bis andere das Jugendhaus für sich entdeckt haben. Jetzt freut sich das Pädagogenteam über ein recht junges Publikum: "Die Zwölf- bis 14-Jährigen sind jetzt da", berichtete Daniela Klemens im Gemeinderat.

Gerade bei den Jugendlichen stellen die Pädagogen ein Bedürfnis nach Ruhe fest. (Foto: Niels P. Joergensen)

Mit ihnen hat sich auch die Arbeit der Hauptamtlichen verändert. "Sie haben nicht so viel pädagogische Unterstützung nötig", sagte Klemens. In der Umbruchphase hatten sich die Betreuer viele Gedanken darum gemacht, ob offene Jugendarbeit noch zeitgemäß ist, ob die Räume angemessen sind und was die Karlsfelder Kinder und Jugendlichen eigentlich wirklich brauchen. Es gab sogar einen Fragebogen, den die Pädagogen an alle verschicken wollten, in der Hoffnung, Antworten auf ihre Fragen zu finden und das Angebot besser anpassen zu können. Doch aus Datenschutzgründen durfte der Bogen nicht versendet werden. Frustrierend, fanden die fünf Mitarbeiter.

Doch da sich das Haus nun wieder regeneriert hat, findet sich manch eine Antwort auch so im Gespräch. "Früher wollten die Jugendlichen immer was machen", erinnert sich Klemens. Das hat sich geändert: "Jetzt sind sie gesättigt von Angeboten und dem vielen Pädagogisieren." Die meisten kämen, um zu chillen und um ihre Ruhe zu haben. "Sie haben kein Interesse an zusätzlicher Bespaßung." Das liege wohl an der Ganztagsschule und auch daran, dass die Eltern viel mit ihren Kindern unternehmen, mutmaßt Klemens. Die Jugendlichen suchen aber auch nach ernsten, offenen Gesprächen und Personen, denen sie vertrauen können. Und so besteht die Hauptaufgabe der Pädagogen inzwischen darin, für Gespräche bereit zu stehen, ihre Schützlinge zu beraten bei Liebeskummer, Verhütung, Unsicherheiten etwa im Aussehen oder bei Problemen in der Familie oder mit Freunden. Es hat sich übrigens nicht nur die Altersstruktur verändert: Früher waren vornehmlich Jugendliche mit Migrationshintergrund im "Rock City", jetzt ist es ausgeglichen und es gibt mehr Mädchen.

Ein Schwerpunktthema in der Jugendarbeit ist laut Klemens der Umgang mit sozialen, digitalen Plattformen, vor allem Snapchat, Instagram und WhatsApp. Natürlich wird auch über Datenschutz, Mobbing und über die Darstellung der eigenen Person im Netz gesprochen. Die Highlights in der Jugendarbeit sind "Mini-Karlsfeld" in den Sommerferien und "Maxi-Karlsfeld" in den Pfingstferien, sowie einige Musikfeste. Das Jugendhaus kooperiert inzwischen auch mit der Mittelschule und der Volkshochschule sowie mit den Jugendzentren in Allach und Ludwigsfeld.

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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