Jubliäum:Schwierige Anfangsjahre

Lesezeit: 1 min

Die Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte feiert das 50-jährige Bestehen mit einer szenischen Lesung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Lesung macht die wechselvolle Geschichte der Versöhnungskirche lebendig

Nach dem viel beachteten internationalen Gottesdienst mit Empfang zum 50. Jahrestag der Einweihung der Versöhnungskirche findet an diesem Freitag, 12. Mai, die zweite große Veranstaltung zum Jahrestag statt: die szenische Lesung "Damit wir nicht wieder in die Irre gehen", zusammengestellt von der Dachauer Hörfunk- und Filmautorin Jutta Neupert. Beginn ist um 19 Uhr.

Martin Niemöller, Mitbegründer der "Bekennenden Kirche", der in der NS-Zeit zum politischen Widerspruch gegen NS-Unrecht fand und deshalb seit 1937 inhaftiert war, von 1941 bis 1945 im KZ Dachau, predigte am 30. April 1967 im Gottesdienst zur Einweihung der Versöhnungskirche. Nicht nur für konservative Christen war seine Gleichsetzung der NS-Verbrechen in den Konzentrationslagern mit der US-amerikanischen Kriegsführung in Vietnam provokativ. Nach der Einweihung der Versöhnungskirche zeigte sich, dass auch die kirchlichen Mitarbeiter in Dachau unterschiedliche Vorstellungen von angemessener Gedenkstättenarbeit hatten. Der frühere CVJM-Jugendwart Oskar Zeiss forderte: "Es sollte alles getan werden, dass die schrecklichen Photos aus dem Museum [der KZ-Gedenkstätte] entfernt werden [...]. Kein Volk der Welt stellt seine dunkelste Geschichte für andere aus".

Ganz anders sahen dies Christian Reger, selbst Dachau-Überlebender und erster Pfarrer an der Versöhnungskirche, sowie Herbert Römpp, Diakon der Kirche, von dem das Zitat im Titel der Lesung stammte. Seine Wortschöpfung "Informationsträgheit" erklärt er so: "Man will sich nicht informieren, weil Information zur Stellungnahme und damit zur Verantwortung auffordert." Er denkt dabei an die politischen Gefangenen in Griechenland unter der Militärjunta, die Studentenunruhen oder den Vietnamkrieg.

In Jutta Neuperts szenischer Lesung aus dem Archiv der Versöhnungskirche werden die erschreckend aktuellen Kontroversen aus den schwierigen Anfangsjahren der Versöhnungskirche und der KZ-Gedenkstätte lebendig. Die Schauspieler Burchard Dabinnus und Herbert Schäfer tragen Texte von den Wegbereitern des (selbst)kritischen Umgangs mit der NS-Vergangenheit in Kirche und Gesellschaft vor (Martin Niemöller, Christian Reger, Herbert Römpp, Kurt Scharf und Ernst Wilm), aber auch von Oskar Zeiss und Dachauer Bürgern, die in Leserbriefen 1967 die Versöhnungskirche ("entbehrt jeder sakralen Wirkung") und ihren ersten Pfarrer ("Moralpredigt" statt "Vergebung") attackierten. Die Hörfunksprecherin Sabine Kastius liest die überleitenden Texte mit den Informationen zum Hintergrund der bisher größtenteils unveröffentlichten Quellenzitate. Der Profimusiker Florian Ewald gestaltet die Lesung mit Improvisationen auf der Klarinette und dem Saxofon.

© SZ vom 12.05.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: