Jubiläumsfeier :Raum für den Geist

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Anhänger des tibetanischen Buddhismus haben sich vor zehn Jahren zu einer Gruppe in Dachau formiert. Sie treffen sich wöchentlich in einem Privathaus zur gemeinsamen Meditation

Von Felix Wendler , Dachau

Die Buddhistische Gruppe Dachau besteht seit mittlerweile zehn Jahren. Am Samstag feiert sie dieses Jubiläum mit einem Empfang im Café Restaurant Schloss Dachau. Von 16 Uhr an erwarten den Besucher viele Informationen, Gespräche und Livemusik. Ein Ziel dieses Empfangs ist es, sich einem breiteren Publikum vorzustellen. Auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) wird anwesend sein und ein Grußwort sprechen. In einem Vortrag informiert Axel Watl aus Wien über den tibetischen Buddhismus. Watl ist ein langjähriger Schüler von Ole Nydahl, dem wohl bekanntesten westlichen Lehrer des Buddhismus. Der gebürtige Däne Nydahl gründete mehr als 620 buddhistische Zentren auf der ganzen Welt. Auch die Ortsgruppe in Dachau geht auf seine Initiative zurück. Im Oktober 2007 gegründet, traf man sich zunächst im Haus der heutigen Dachauer Christian und Katalin Ensel, die damals noch in Eisolzried wohnten. Im kleinen Kreis fanden wöchentliche Treffen zur gemeinsamen Meditation statt.

Katalin Ensel im Herzstück des Buddhistischen Zentrums Dachau - dem Meditationsraum. Hier finden die wöchentlichen Treffen der Ortsgruppe statt. (Foto: Toni Heigl)

Seither hat sich die Gruppe vergrößert und ist 2013 zusammen mit dem Ehepaar Ensel nach Dachau gezogen. Die Treffen finden weiterhin im Haus des Ehepaares statt, die die Räumlichkeiten des Buddhistischen Zentrums Dachau im Erdgeschoss angesiedelt haben. Ein fester Kern von zehn bis 15 Anhängern trifft sich wöchentlich zur gemeinsamen Meditation. Vor Beginn der Meditation finden jeweils Kurzvorträge zu bestimmten Themen des Buddhismus statt. "Damit man auch weiß, wofür man meditiert", sagt Katalin Ensel und lacht. An speziellen Tagen kann es dann auch schon mal etwas voller werden. Zum Tag der offenen Tür im Oktober kamen 30 Leute, um etwas über den Buddhismus zu erfahren und die Meditationstechniken kennenzulernen. Zweimal im Jahr lädt die Ortsgruppe zudem Buddhismus-Lehrer aus Deutschland oder dem europäischen Ausland ein. Überhaupt spielt die Lehre im Buddhismus eine große Rolle, erklärt Ensel. "Über 84 000 Belehrungen hat Buddha durchgeführt."

Die Wände des traditionellen Meditationszimmers zieren verschiedene Buddha-Darstellungen. (Foto: Toni Heigl)

Nachdem Ole Nydahl, ein Lama (vergleichbar mit dem bekannteren Begriff Guru) des tibetischen Buddhismus bereits 2008 in Eisolzried zu Besuch war, kam er im Mai diesen Jahres nach Dachau. Die knapp drei Jahre Wartezeit bis zum Einweihungsbesuch des neuen Buddhismus-Zentrums schmälerten den Andrang im Hause Ensel nicht. 120 Leute wollten den spirituellen Führer des Diamantweg-Buddhismus aus der Nähe betrachten. So drängte man sich nicht nur im Meditationsraum, sondern auch in Küche, Wohnzimmer und bis hinaus in den Garten, erzählt Katalin Ensel. Der Diamantweg-Buddhismus gehört zu den vier Hauptgruppen des tibetischen Buddhismus. Ein wesentliches Merkmal dieser Linie ist eine Ausrichtung an Menschen aus dem westlichen Kulturkreis. Dabei steht man in der Tradition der Karma Kagyü Schule, die ihren Ursprung im 11. Jahrhundert in Tibet hat und einen besonderen Schwerpunkt auf die Meditation legt. Das geistige Oberhaupt dieser Richtung des tibetischen Buddhismus wird Gyalwa Karmapa - der höchste Lama - genannt. Aktuell ist mit Thaye Dorje der 17. Karmapa im Amt. Kunstvolle Bilder von Dorje und seinem Vorgänger sowie von Ole Nydahl bekleiden die Wände des Meditationsraums im Buddhistischen Zentrum Dachau. Den Boden zieren traditionelle Sitzkissen. Wer den Raum betritt, kann die spirituelle Atmosphäre direkt fühlen. Auf die Meditation angesprochen, erklärt Katalin Ensel: "Die Meditation ist das Werkzeug, ein Mittel zum Zweck." Ziel sei das Erkennen des eigenen Geistes, das Erlangen von unerschütterlichem Glück - unabhängig von äußeren Umständen. Die buddhistische Idee überwinde dabei das Auf und Ab von guten und schlechten Phasen, wie wir es aus unserem Alltag kennen. Stattdessen stehe die Ganzheitlichkeit im Vordergrund. "Die Philosophie spielt im Buddhismus eine große Rolle und bildet den Kopf. Die Meditation hingegen ist das Herz und macht den Buddhismus zu dem was es ist: eine Erfahrungsreligion."

Eine Statue in Meditationshaltung bildet das Zentrum. (Foto: Toni Heigl)

Aber wie wirkt sich die buddhistische Erfahrung im Alltag aus? Mit viel Gelassenheit denkt Ensel kurz nach und erklärt dann ruhig: "Man denkt mehr an andere und weniger an sich selbst. Auch nimmt man sich mehr Zeit, seine Gefühle auszudrücken." Auf den Vergleich zu anderen Religionen angesprochen, verweist Ensel auf die Bedeutung der Eigenverantwortung im Buddhismus. "Es stimmt schon, dass es weniger Dogmen gibt. Der Buddhismus erlaubt alles in Frage zu stellen." Zur Bekräftigung führt sie ein Zitat Buddhas an: "Glaubt den Schriften nicht, glaubt auch mir nicht. Glaubt nur das, was ihr selbst sorgfältig geprüft und als euch selbst und zum Wohle dienend anerkannt habt." Eine ebenso wichtige Rolle im tibetanischen Buddhismus spielt der bekannte Begriff Karma, der jedoch häufig missverständlich benutzt werde. Karma bedeutet nicht Schicksal, sondern Ursache und Wirkung. Der Karmalehre zufolge gestaltet jede Handlung die Welt neu. "Deswegen glauben wir auch an die Wiedergeburt." Der Tod sei demnach nur das Ende einer Epoche des Seins. Sie versichert aber auch: "Man kann auch Buddhist sein, ohne an die Wiedergeburt zu glauben."

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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