Jubiläum :Echte Freunde

Lesezeit: 3 min

Die Partnerschaft zwischen Petershausen und Varennes feiert 50-jähriges Bestehen. Herzliche Kontakte kennzeichnen diese Verbindung. Darüber hinaus wollen beide Gemeinden im Sinne ehrlicher Friedensarbeit auch Toleranz und Verständnis fördern

Von Petra Schafflik, Petershausen

"Die Flitterwochen werden nachgeholt", sagt Antonia Rauch und lacht. Am vorigen Samstag erst hat die 27-jährige Petershausenerin geheiratet, aber statt Hochzeitsreise steht jetzt erst einmal Jugendaustausch in ihrem Terminplan. Schließlich engagiert sich die junge Frau seit 16 Jahren in der örtlichen Jugendkontaktgruppe für die Partnerschaft ihrer Heimatgemeinde Petershausen mit dem lothringischen Ort Varennes - eine Verbindung, die am Wochenende ihr 50-jähriges Jubiläum feiert. Für das dreitägige Fest, von dem im Ort bereits Plakate und Wimpel in den bayerischen wie französischen Landesfarben zeugen, wird seit Monaten geprobt, geplant und organisiert. Die eigens gegründete "Jumelage-Band" und ein Projektchor studierten Stücke ein, die Volkshochschule bot einen Französisch-Crashkurs an, so gut wie alle Vereine im Ort beteiligen sich am Fest. Schließlich ist diese Partnerschaft, 1968 als eine der ersten zwischen einer französischen und einer bayerischen Gemeinde überhaupt gegründet, für viele Petershausener schlicht eine Herzensangelegenheit. Doch gerade in Zeiten, in denen nationale Bestrebungen erstarken, kann die freundschaftliche Verbindung der beiden Gemeinden über die persönlichen Kontakte hinaus im Sinne echter Friedensarbeit auch Toleranz und Verständnis fördern. Und, davon ist Bürgermeister Marcel Fath (FW) überzeugt, "so den europäischen Gedanken, die Vision eines friedlichen und vereinten Europa festigen."

Lydia Thiel, Antonia Rauch und Angelika Bürgel sind mitten in den Vorbereitungen zum Partnerschaftsfest mit Varennes. Jetzt müssen die Ballons noch farblich richtig sortiert werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Völkerverständigung und Friedenssicherung, das waren von Anfang an Ziele der Gemeindepartnerschaft, die 1968 offiziell von den Bürgermeistern Bernhard Guerin (Varennes) und Rudolf Rädler (Petershausen) besiegelt wurde. Dabei, das erfährt man aus der Sonderausgabe des Gemeindeblatts zum Jubiläum, war es damals dem Zufall zu verdanken, dass Petershausen als eine der ersten bayerischen Gemeinden überhaupt eine Partnerschaft mit einer französischen Kommune geschlossen hat. Den Grundstein legten 1966 und 1967 Reisen von Petershausener Vereinen nach Verdun, wo die Teilnehmer die Kriegsgräber im Ersten Weltkrieg gefallener Freunde und Verwandter besuchten. Dabei wurden Kontakte geknüpft nach Varennes, das in der Nähe von Verdun liegt. Der Keim war gelegt für die "Jumelage", wie Partnerschaft auf Französisch heißt. Viele Besuche und Gegenbesuche gab es über die Jahre, federführende Persönlichkeiten auf beiden Seiten sind heute Ehrenbürger der jeweils anderen Gemeinde. Lange schon führt die Varenner Straße durch Petershausen, gibt es beim französischen Partner einen "Place Petershausen" und eine "Rue R. Rädler". Doch nicht Treffen auf offizieller Ebene und formale Auszeichnungen kennzeichnen diese Verbindung, sondern herzliche Kontakte, persönliche Freundschaften und echtes Interesse.

Freundschaftliche Beziehungen zwischen dem französischen Varenne und dem bayerischen Petershausen bestehen seit 50 Jahren. (Foto: privat)

Wie es gelungen ist, die Verbindung zwischen zwei auch in ihrer Struktur recht unterschiedlichen Kommunen so lange lebendig zu erhalten? "Man lernt Leute kennen und findet Freunde", sagt Robert Götz, der in Petershausen seit vielen Jahren den Freundeskreis Varennes leitet. In ihrem Elternhaus war Jean-Marie Lambert, Mit-Initiator der Partnerschaft und heute Bürgermeister von Varennes, bereits zu den Gründungsfeierlichkeiten 1968 als Gast untergebracht, erinnert sich Ortchronistin Lydia Thiel, deren Vater Ernst Hermann später einige Jahre den Freundeskreis Varennes leitete. "Diese Freundschaft besteht seit 50 Jahren." Sprachbarrieren hätten das gegenseitige Verständnis nie behindert, der Kontakt sei so lebendig, "als hätten wir uns gestern getroffen." Wichtig für den Erfolg der länderübergreifenden Partnerschaft war sicher auch der Rückhalt im Rathaus, wo es in Petershausen in den vergangenen Jahrzehnten mehrfache Wechsel auf dem Chefsessel gegeben hat. "Aber alle Bürgermeister, egal welcher Couleur, haben die Partnerschaft immer unterstützt und standen auch persönlich voll dahinter", betont Robert Götz. Entscheidender noch für das Phänomen, das die "Jumelage" auch im 50. Jahr jung und dynamisch wirkt, ist wohl der Jugendaustausch. Auf die jungen Leute setzten schon die Initiatoren, den nachkommenden Generationen wollten sie mit der Partnerschaft die Chance eröffnen "den Frieden zu verwirklichen, den zu sichern wir unfähig waren", wie laut Chronik der Varenner Geistliche Abbé Michel in einer Predigt 1968 sagte. Gleich 1969 gab es den ersten Schüleraustausch, der 40 junge Varenner nach Petershausen führte. Seit 1985 organisieren Jugendliche selbst die Aufenthalte, zu denen im Wechsel junge Leute für eine Woche die jeweilige Partnergemeinde besuchen. Keine Selbstverständlichkeit für kleine Ortschaften, wie es Petershausen mit 5600 Einwohnern und Varennes mit 700 Bürgern sind.

Doch es sind junge Leute wie Antonia Rauch aus Petershausen oder Justine Pêthe aus Varennes, die jeden August ganz selbstverständlich eine Woche reservieren. Die neugierig und aufgeregt als Kinder ein erstes Mal den Jugendaustausch mitgemacht haben, in ihren Gastfamilie echte Freunde, fast schon ein zweites Zuhause gefunden haben. Und sich nun engagieren, um anderen jungen Leuten auch diese bereichernde Erfahrung zu ermöglichen. Der Austausch, sagt Justine Pêthe, "ist mittlerweile Routine geworden, aber immer noch stehen am Ende jedes Jahr Tränen auf dem Programm." Jedes Jahr hoffe sie, sagt Pêthe, "dass der Austausch manche Teilnehmer genauso stark prägen und inspirieren wird, wie es für mich der Fall war". Er bringe den jungen Leuten Erfahrungen, die bei manchem auch Hobbys und Berufswahl beeinflusst haben. Antonia Rauch hat etwa Sprachwissenschaften studiert, Justine Pêthe sich für einen deutsch-französischen Doppelstudiengang eingeschrieben. Zudem engagiert sich die Varennerin noch als Juniorbotschafterin des deutsch-französischen Jugendwerks. Auf beiden Seiten ist es auch gelungen, die Verantwortung für die lebendige Jugendbegegnung immer wieder zu übergeben. Und so soll es weitergehen.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: