JU rebelliert gegen CSU:Wenig erotisch, aber revolutionär

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Die JU versucht, die basisdemokratischen Rechte der CSU-Mitglieder zu stärken - und fährt damit gegen die Wand.

Helmut Zeller

"Sagt allen, die heute nicht gekommen sind, da habt ihr was verpasst", ruft Versammlungsleiter Tobias Stephan den CSU-Delegierten begeistert zu. Und damit untertreibt er sogar noch. Denn im "Gasthof zur Post" in Schwabhausen erleben die Teilnehmer an diesem Samstagvormittag ein Schauspiel: Die Junge Union (JU) probt den Aufstand. Seit gut zwei Stunden schon kämpft sie gegen viel Ablehnung und Kritik an ihren Anträgen zur Stärkung der Basis - bis der JU-Kreisvorsitzende Christopher Hollfelder schließlich sogar ein Wort Willy Brandts - "den ich in der Regel nicht zitiere" - in die Debatte wirft: "Mehr Demokratie wagen!" Aber danach steht den Delegierten, nur 78 von 170 sind gekommen, offenbar nicht so sehr der Sinn.

Die JU versucht, die basisdemokratischen Rechte der CSU-Mitglieder zu stärken - und fährt damit gegen die Wand. (Foto: dpa)

Beschlussfähig ist diese Minderzahl zwar nicht, aber man hat sich darauf geeinigt, die JU-Anträge als Empfehlungen an den Kreisvorstand zu diskutieren. Schließlich geht es um das neue Leitbild der CSU. Die Junge Union hat sich an die Spitze der parteiinternen Erneuerungsbewegung gesetzt und will in einer neuen Satzung mehr Rechte für das einfache CSU-Mitglied verankern. "Das klingt alles ein bisschen trocken", sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende Tobias Stephan, "das ist nicht so erotisch". Aber die Spielregeln der inhaltlichen Diskussion in der Partei seien nicht mehr so zeitgemäß.

Auf jeden Fall reicht es doch aus, um die Delegierten in Aufregung zu stürzen. Eine "Basiskonferenz", auf der der CSU-Parteivorsitzende, ein Stellvertreter oder Generalsekretär dem Mitglied Rede und Antwort stehen soll, wird ja noch allgemein akzeptiert. Es ist halt doch ein bisschen wenig, Horst Seehofer nur im Bierzelt betrachten zu dürfen. Auch dass die Landespartei ein- oder zweimal zu wichtigen Entscheidungen wie dem Rauchverbot ein Meinungsbild der Basis einholen sollte, wird nach langer Debatte gutgeheißen.

Aber dann geht es ans Eingemachte: Hollfelder regt an, die Kreisdelegiertenversammlung abzuschaffen, an ihrer Stelle entscheiden die Mitglieder, bestimmen auch die Vorsitzenden in einer Urwahl, und schließlich soll eine Basiskommission als Kontrollorgan dem Landesvorstand der Partei auf die Finger schauen. Das ist der Punkt, an dem der Kreisvorsitzende, Landrat Hansjörg Christmann, sich einmischt und appelliert: "Ich muss dringend davor warnen, Bewährtes nicht zu erhalten." Mitgliederversammlungen und politische Themen gehörten auf die überschaubare Ortsebene.

Christmann kritisiert, dass er in den vergangenen Wochen nichts gehört habe von der JU über die Mittelschulreform oder das G 8. "Das muss die JU inhaltlich anpacken." Gerhard Weber, Petershausener Gemeinderat und Christmanns rechte Hand, rügt den JU-Vorstoß: Unter einer Leitbilddiskussion verstehe er etwas anderes als Satzungsfragen. Er, so Weber, gehöre seit 1977 der CSU an und habe nie Probleme gehabt, sich inhaltlich einzubringen. Der schwache Besuch der heutigen Versammlung zeige doch schon, das diese Satzungsfragen nicht interessant seien. Man müsse inhaltlich diskutieren. Der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath wendet sich entschieden gegen eine Basiskommission: "Überwachung, Aufsicht, da habe ich eine Allergie dagegen." Basisdemokratie sei die Auflösung der politischen Verantwortlichkeit, erklärt Hans Zigldrum, ehemaliger Bürgermeister von Hebertshausen. Zu der Debatte sagt er: "Nichts Neues unter der Sonne." JU-Mitglied Julia Grote versucht zu erklären, dass "wir das Menschenbild des mündigen Bürgers" haben. Der Dachauer Stadtrat Dominik Härtl unterstützt: "Ich sehe nicht, dass die Struktur von unten nach oben funktioniert." Doch aller Ärger der Basis, der sich nach dem Wahldebakel der CSU und dem Verlust der absoluten Mehrheit 2008 auch im Landkreis entladen hatte, scheint verpufft.

Inzwischen ist für die Junge Union schon klar, dass sie gegen eine Wand rennt. Hollfelder leitet den nächsten JU-Antrag dennoch mit den Worten ein: "Das ist revolutionär." Eine Amtszeitverkürzung für Kreis-, Bezirks- und Landesvorsitzende auf zehn Jahre sowie eine Trennung von Parteiamt und Mandat. Ein Kreisvorsitzender müsse nicht immer Landrat sein, sagt Hollfelder und bezieht sich damit auf eine Aussage des Ministerpräsidenten Horst Seehofer. "Das hat Charme", sagt Hollfelder, der aber deutlich macht, dass dieser Antrag nicht auf Christmann abziele, der seit 1977 Landrat und seit 1990 CSU-Chef ist. Wie Hollfelder sagt, sollen damit Routine und Ermüdung vermieden werden. "Aber auch wenn ein guter Kreisvorsitzender nicht verbraucht ist, kann er sich um einen guten Nachfolger kümmern."

Den hat Christmann schon gefunden. In dieser Situation erklärt er erstmals öffentlich, das sein designierter Nachfolger im Parteivorsitz, der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, mit Sicherheit länger als zehn Jahre im Amt bleiben werde. Das Erfolgsrezept der CSU auch im Landkreis liege ja gerade in der Kontinuität. Christmann erinnert an Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Äußerlich ist dem CSU-Chef keine Aufregung über dieses an die Soldaten-Räte erinnernde Modell anzumerken. Aber er bittet um eine "zügige und schnelle Bearbeitung des Antrags, weil er aus einer Bauchstimmung heraus gestellt ist." Dann wiederholt Christmann: "Ich bitte die JU sehr, diesen Antrag zurückzunehmen, weil er emotional ist."

Das aber macht die JU nicht, und sie holt sich mit unbewegten Mienen eine Abfuhr bei den Delegierten. Seidenath hat noch von einem "Argumentationsbruch" im Antrag gesprochen: Das schwäche ja die Demokratie, weil dann bestimmte Personen nicht mehr gewählt werden dürften, sagte er. Das erste Opfer wäre er gewesen, wenn er im Frühjahr 2011 zum Kreisvorsitzenden gewählt wird. Aber auf die Delegierten ist Verlass, die heile Welt der CSU im Landkreis ist an diesem Samstag noch einmal gerettet worden. "Was läuft innerparteilich falsch", hatte Tobias Stephan zum Beginn der Versammlung noch gefragt. Darauf gab es keine Antwort, auch der Wunsch Hollfelders wurde nicht erfüllt, dass man die JU-Anträge ablehnen könne, dann aber doch bitte Alternativen bringen solle. Das war ja dann irgendwie auch ein Zeichen für die Zukunft.

© SZ vom 19.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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