"Jazz in allen Gassen":Musik im Bademantel

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Bei "Jazz in allen Gassen" verwandelt sich die Dachauer Altstadt in eine einzige Partymeile. Etwa 12 000 Besucher feiern bis spät in die Nacht. Besonders viel Spaß macht die Band "Affentheater"

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Es ist kurz vor Mitternacht, durch die Gassen der Altstadt lässt es sich mittlerweile gemütlich schlendern, statt eng aneinander vorbeidrängeln. Viele der etwa 12 000 Besucher des Straßenfestes "Jazz in allen Gassen", das alljährlich den "Dachauer Musiksommer" einläutet, sind bereits aufgebrochen, vielleicht aufgrund der aufkommenden Windböen, mögliche Vorboten eines Sommergewitters. Das Publikum auf dem Rathausplatz ist davon jedoch unbeeindruckt. Zu dem Swing-Sound des Ray Collins Hot Club - bereits im Vorhinein als Headliner und Highlight angekündigt - tanzen Jung und Alt, werfen die Hände in den mittlerweile dunklen Himmel, drehen sich im Kreis, lassen sich mitreißen von den letzten Klängen dieser Musiknacht.

Ein paar Stunden zuvor ist die Luft noch still, das Flair beinahe südländisch, die Plätze im Freien vor sämtlichen Gaststätten besetzt, die aufgestellten Bänke vor den Hauswänden genauso. Im Hintergrund dringt stets von irgendwo Musik, mal leiser, mal lauter, kräftig swingend oder sanft wiegend. Ein Profil der Sitzenden und Schlendernden lässt sich nicht zeichnen - in der Altstadt trifft sich heute ein Querschnitt der Dachauer Gesellschaft. Trinkt dabei Bier, Spritz, Alkoholfreies und isst Eis, Döner, Frühlingsrollen.

Den Titel der Veranstaltung gilt es nicht allzu wörtlich zu nehmen. Wer tatsächlich Jazz in allen Gassen erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen erklingt viel Blues, Swing, Rock 'n' Roll. Gespielt wird auch weniger in engen Gassen, sondern dort, wo Platz zum Tanzen einlädt: am Rathaus, an der Schranne, am Pfarrplatz. Doch auch abseits der Hauptbühnen spielt die Musik. Wer sich weiter an den Rand der Altstadt bewegt, links einbiegt, den Innenhof des Café Gramsci betritt, wird an diesem Abend umhüllt von einer Atmosphäre, die viele Menschen fasziniert verweilen lässt. Hier drängt man sich eng aneinander, der Blick auf das Bühnenspektakel gerichtet - dort spielt Affentheater. Eine Band, die es schafft, ihren Namen auf musikalisch ansprechende Weise zum Programm zu machen. Der Dachauer Sänger Tobias Eichhorn trägt ein schwarzes Jackett voll glitzernder Pailletten, sein Gesicht ist weiß bemalt. Der Gitarrist, gekleidet als Matrose, bestellt gerade über das Mikrofon einen Nachschub an Getränken beim Wirt, der Schlagzeugspieler in Bademantel und mit dunkler Sonnenbrille setzt den Takt währenddessen unbeirrt fort, begleitet von einem seligen Lächeln. Ein Auftritt, der gewollt und gekonnt skurril ist und den gemütlichen Innenhof an diesem Abend in eine ganz eigene musikalische Sphäre verzaubert.

Der Innenhof der Volksbank, nur ein paar Straßenecken entfernt, bietet den stilistischen Kontrast. Die Dachauer Band Owing to the Rain spielt hier auf einer Bühne, die sich über eine Treppe hinweg nach hinten erstreckt, angestrahlt von neonfarbenen Scheinwerfern, unten das Publikum - sitzend, stehend, tanzend. Mehr Dramatik hätte sich zwischen grauem Beton und simpler Fassade nicht erschaffen lassen können. Die drei Musiker nehmen das mit auf die Bühne, spielen hier unter anderem Rockballaden von Queen und Train.

Es gibt eine Gasse, in der wird es sich an diesem Abend bis zuletzt stauen, die Menschen sich auch zu später Stunde noch aneinander vorbeidrängeln. Das mag an dem Bauzaun liegen, der die Wieningerstraße für Fußgänger etwas verengt, vor allem aber an dem breiten Angebot des Cafés "Samstagskinder". Getränke werden an einer Außentheke und aus einem Kleinlaster ausgegeben, an der Ecke steht ein Eiswagen, bietet die klassischen Sorten: Schoko, Vanille, Erdbeere, Haselnuss. Auch die bunten Girlanden und Lichterketten sorgen für klassisches Flair, die Atmosphäre eines gemütlichen Straßenfestes.

Später, als sich der Himmel etwas zuzieht, fangen auch diese an im Wind zu wehen und zu wackeln. Die ausgelassene Stimmung kann das nicht trüben - und das Sommergewitter, das bleibt aus.

© SZ vom 11.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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