Jazz im Frühling:Klangliche Eleganz

Lesezeit: 2 min

Das Trio Ches Smith, Craig Taborn und Mat Maneri beim Jazzverein

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Es war eine lange Frühjahrsreihe des Jazz e.V. Dachau. Von Anfang Februar bis Mitte Mai. Es gab Newcomer ( Aje Kollektiv), herrlich leise Musik ( Heavy Metal Rabbit), den ewig ausfallenden Jemeel Moondoc und den ewig wunderbar für ihn einspringenden Sabir Mateen. Es gab die nukleare Allgewalt des Panzerballetts, dessen Musiker mit ihrer Musik und ihrem Auftreten die Dachauer Jazzhörer und Jazzorganisatoren an ihre Grenzen führten. Und ein Zusatzkonzert gab es auch: klassische Musik zum Muttertagabend in der vollbesetzten Schranne.

Craig Taborn begeistert das Publikum des Dachauer Jazz e.V. (Foto: Toni Heigl)

Die Besetzung mit dem Trio Ches Smith / Craig Taborn / Mat Maneri ist selbst für ein Dachauer Jazzkonzert neu: Drumset und Vibrafon (Ches Smith), Klavier (Craig Taborn), Geige (Mat Maneri). Kann man damit beim Jazz e.V. gepflegte, geradezu salonhafte Kammermusik spielen? Natürlich. Kann man damit Freejazz spielen? Aber sicherlich. Aber kann man damit auch eine furiose, alle Klangspektren umfassende Energie erzeugen? Und wie.

Dabei ist die geniale Antwort auf eine bestimmte Frage der wohl entscheidende Knackpunkt: Wo, bitteschön, kommt dieser mitunter absolut satte, furios wummernde, dieser verdammte Bass her? Nicht nur ein Zuhörer reckt suchend den Kopf. Ches Smith hat allerhand Schlagwerk in die Schranne geschleppt. Und wer zur Entfaltung seiner Ausdruckskraft Drumset, Vibrafon und dazu noch einen ganzen Wald an Becken um sich herum aufpflanzt, der hat vielleicht auch irgendwo ein bisschen Elektronik versteckt, auf der er diese tiefen Frequenzen erzeugt. Hat er aber nicht. Auch Taborn am Klavier des Bassspiels zu verdächtigen, wäre in den meisten Passagen ungerecht. Es bleibt Maneri an der Geige - und tatsächlich, er ist's.

Ches Smith zeigt Virtuosität am Schlagwerk. (Foto: Toni Heigl)

Das ist nun freilich kein Hexenwerk: Tonabnahme, Verstärker, und ein oktavierendes Effektgerät dazwischen, fertig. Technisch ist das simpel. Aber der Klangeffekt - und nicht zuletzt auch der visuelle Eindruck - ist trotzdem so ungewohnt wie phänomenal, wenn man Maneri erlebt, wie er soeben noch eine lyrisch gebrochene, sanft vibrierende, hohe Melodie strich und wie er nun plötzlich mit winzigem Pizzikato-Zupfen und der kleinen Geige unterm Kinn ein mächtiges Bassfundament einschiebt, oder auch die Musik mit tiefen, derben, dunklen Doppelgriffen und zudem kräftigem Bogen in ein intensives Inferno steuert.

Mat Maneri beweist Fingerfertigkeit an der Geige. (Foto: Toni Heigl)

Ja, dieses Geigentrio beherrscht tatsächlich das Fortissimo. Die Musiker beherrschen es ebenso, durch halsbrecherisch treibende, metrisch lupenrein gespielte, aber in sich komplex verzwickte Ostinati eine Anmutung von elektronischer Musik zu erzeugen (Smiths Schlagzeugsolo ist hier zu nennen). Und sie beherrschen eine bewegende klangliche Eleganz: Wenn Smith vom Drumset ans Vibrafon wechselt und beim dritten Stück zusammen mit Pianist Taborn eine leise schwebende, dissonante Klangkollage erzeugt, auf der sich der helle Gesang der Geige entfalten kann, ist das einfach schön.

Und es zeigt auch, dass das Vibrafon in diesem Trio keineswegs der Fremdkörper ist, als der es Smiths seltsam harte Klangattacken in den ersten beiden Stücken erscheinen ließen. Nein, das Vibrafon ist wichtig. Auch mit Maneris Geige verabredet es sich zu einem lichten Unisono. Und wenn Craig Taborn dazu noch die Tasten loslässt, ins Instrument greift und dem Flügel harfenartig gezupfte Glissandi entlockt, ist der impressionistische Farbenzauber perfekt. Ein wunderschöner Eindruck. Gut so. Er muss bis zum Jazzherbst halten. Informationen über das Programm gibt es auch auf der Homepage www.jazzev.de.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: