Internationales Konzert:Der Soundtrack der Menschheit

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as Festival der Weltmusik „Klangwelten“ macht seinem Namen alle Ehre. Von links: Mehrzad Azamikia aus dem Iran mit seiner Kemenche, einer der Perkussionisten des indonesischen Duos Agus & Wahyu . Zum ersten Mal mit dabei ist Monja Mahafay Zeze aus Madagaskar mit seiner Valiha (rechts). (Foto: Toni Heigl)

Im Konzert "Klangwelten", der 999. Veranstaltung der Kleinkunstbühne Leierkasten, zeigen Musiker aus Java, Indien und Iran ihr meisterhaftes Können. Erstmals wirken auch Künstler aus Madagaskar mit. Sogar Lieder aus der Eiszeit sind zu hören

Von Petra Neumaier, Dachau

Als die Lichter im Saal angehen, erschallt ein vielstimmiges "Oooch". Zu kurzweilig war der Konzertabend am Samstag im Ludwig-Thoma Haus, zu mitreißend die Musik, das Trommeln, die Klänge aus den fernen Ländern, die wohl die meisten der Besucher nur vom Hörensagen kennen. Für die Kleinkunstbühne Leierkasten war es die 999. Veranstaltung seit ihrem Bestehen. Für Rüdiger Oppermann, der im 31. Jahr mit Musikern aus aller Welt in der Reihe "Klangwelten" unterwegs ist, ein weiterer Auftritt in Dachau.

Erst vor zwei Jahren war die Truppe im Thoma-Haus zu Gast. Seit zwei Wochen ist

der 63-Jährige, der als "Deutscher Meister der Keltischen Harfe" bezeichnet wird, mit einem neuen Ensemble in Deutschland unterwegs. Zum ersten Mal werden an diesem Abend die Musikanten aus Madagaskar auftreten: Weil der Kulturbotschafter ihres Landes "einfach so gestorben" sei, wie Oppermann erzählt, verzögerte sich die Ausstellung des Ausreisevisums. So findet in Dachau denn auch die Premiere des kompletten Programms statt. Ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, das allein schon optisch eine Augenweide ist: Stoffe in leuchtenden Farben und mit landestypischen Motiven umhüllen die Podeste. Exotische Trommel, geschwungene Harfen und die traditionellen Gewänder der Musiker komplettierten das bunte Bild.

Hier taucht sogleich Mehrad Azamikia mit der Kemenche auf. Ein Streichinstrument von der Größe einer Geige, dessen Klangkörper kugelförmig ist und das wie ein Cello gespielt wird. Rüdiger Oppermann ist begeistert. Zum einen, weil in den vergangenen Jahren fast niemand aus dem Iran bei den Tourneen dabei war. Und zum anderen, weil der junge Musiker ein Meister seines Faches sei und es ihm gelinge, alte, traditionelle Weisen mit neuen Techniken zu "modernisieren". Was der Iraner spielt, ist wie die Seele des Landes. Unwillkürlich schließt man die Augen und folgt den sehr harmonischen, orientalischen Klängen in sein Heimatland.

"Cool", haucht schließlich eine Frau in der hinteren Reihe, als sich Perkussionist Jatinder Thakurmit mit seinen Trommeln in das nächste Stück einschaltet. Federleicht tanzt der Bogen auf den Saiten des Iraners. Wie flinke Spinnenbeine krabbeln die Finger der Inders, der seit 30 Jahren Mitglied des Ensembles ist, über das gespannte Leder und entlockt dabei Rhythmen und Töne, die kaum zu fassen sind. Tosender Applaus, Bravo-Rufe: Nicht das letzte Mal an diesem Abend. Denn anschließend kommt Rüdiger Oppermann an seiner Harfe, auf der er ein mittelalterliches Lied neu und modern interpretiert. Und das mit so intensiven Klängen, dass die Wandverkleidung des Saals vibriert.

Beben wird im Anschluss der Boden, als Agus & Wahyu aus Java auftreten: Auf dem Saron, einem Xylofonähnlichen Instrument und den Gendang, den traditionellen Trommeln. Unglaublich flink fliegen ihre Hände, unterstützt von gleichzeitigen Vokaltechniken, mit denen sie sich anfeuern und abstimmen - und das so vergnügt und mit federleichtem Spaß, dass das Publikum sofort mitgerissen wird. Das gilt auch für Monja Maharay Zeze & Sambo, die beiden Madagassen: faszinierend die Valiha, eine Art Koffer, an dessen Seiten die Saiten gespannt sind und auf der Monja Mahafay meisterhaft spielt. Begleitet wird er vom Percussion-Musiker Sambo, der auf dem Grasbüschel und auf Blechrasseln dem wahnsinnigen Tempo der "Zither" mithält. Dabei wird gesungen, getanzt und geklatscht.

Nicht nur die Musik, auch die Einführungen von Rüdiger Oppermann vor jedem neuen Block machen das Konzert zu einer Reise in die so fernen Kulturen und die Musikgeschichte. Dabei geht er sogar 30 000 Jahre zurück, zum wohl ältesten Musikinstrument: einem Mundbogen, ähnlich einer Mundtrommel, mit der er Musik aus der Eiszeit spielt. Höhepunkte des Konzertes sind schließlich die gemeinsam gespielten Stücke der Musiker, bei denen auch das Publikum aufgefordert und gefordert ist, durch rhythmisches Klatschen den Takt zu halten. Ohne Zugabe dürfen sie nicht gehen: Mit einer rhythmischen Tomatendosen-Performance verabschieden sie sich nach zweieinhalb Stunden endgültig.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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