Inklusionsprojekt:Die flotten Rasenmäher

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Zwei Mitarbeiter auf dem Pia-Gelände: Die Caritas-Gruppe kann von Unternehmen und Behörden für Gartenarbeiten gebucht werden. (Foto: Toni Heigl)

In der Gartengruppe der Caritas arbeiten geistig behinderte Beschäftigte des ehemaligen MAN-Ersatzteillagers. Sie sind hoch motiviert und sehr effizient

Von Clara Nack, Dachau

In der Gartengruppe der Caritas ist jeder Spezialist auf seinem Gebiet: Christian Falk lässt sich beim Rasenmähen kaum ablösen, auch Julian Kierstein arbeitet gerne an Gartenmaschinen. Bei Wind und Wetter pflegen sie Grünflächen von Gemeinden, Unternehmen, Schulen und Sportvereinen im Landkreis Dachau und in München.

Nachdem das Münchener MAN-Ersatzteile- und Komponentenwerk Ende 2016 nach Salzgitter verlegt wurde, versuchte die Caritaswerkstatt Dachau für die knapp 40 Mitarbeiter mit Behinderung eine neue Aufgabe zu finden. Menschen mit Behinderung waren bei MAN in der Verpackung tätig. Nun lernt die Caritas sie individuell in anderen Bereichen an - denn nicht jeder ist für jeden Beruf geeignet oder findet Interesse daran. Die Gartengruppe ist neben den seit Jahren bestehenden Caritas-Werkstätten in Metallbearbeitung, Elektromontage und der Schreinerei ein vergleichsweise junges Inklusionsprojekt für Menschen mit geistiger Behinderung. "Wie anderen Berufstätigen soll natürlich auch den Beschäftigten mit Behinderung eine Auswahl geboten werden. In der freien Natur sind alle topmotiviert und mähen schneller als jeder ausgebildete Gärtner", sagt Claudia Schneider von der Caritas. Nachdem erste Aufträge im Herbst 2016 mit vier Beschäftigten und der Unterstützung von Gärtner Benjamin Dölker erledigt werden konnten, fährt inzwischen eine 14-köpfige Truppe zu den Einsätzen. Im Sommer arbeitet die Gartengruppe bis zu fünf Tage die Woche. Der Zusammenhalt ist groß, man hilft sich einander und einige sind so motiviert, dass sie nach Feierabend zu Hause weiter garteln. Vergangenes Jahr gab es bis in den Dezember hinein etwas zu tun. Hecken wurden zum Beispiel in den Gemeinden Neufahrn, Garching, Markt Indersdorf und Oberschleißheim geschnitten. Auch der Grünanlage des Dachauer Finanzamtes und des Golfclubs kam die sorgfältige Pflege zugute. Regelmäßige Aufträge sind das Ziel, denn die Gärtner fühlen sich wohler, wenn sie sich auf dem Gelände auskennen und auch mal mit der Belegschaft Mittagessen gehen können. "Die Beschäftigten haben sehr viel Spaß an der Arbeit und machen gleichzeitig ihr eigenes Ding", sagt Dölker. "Sie stören nicht oder produzieren mehr Aufwand, sondern erledigen ihre Arbeit genauso schnell wie ein gelernter Gärtner. Es geht darum, unvoreingenommen zu sein."

Zu dem Schluss, dass sich die Gartengruppe der Caritas nicht von ausgebildetem Personal unterscheidet, kam auch Andreas Presser. Er ist Anlagenleiter der Autopflege Pia in Dachau und erfuhr von dem Projekt durch einen Mitarbeiter, dessen Sohn die Dienste der Gartengruppe nutzt. Die Gartenbauarbeitsbranche habe genug Arbeit, und der Trupp mache seine Arbeit hervorragend, da sehe er gar nicht ein, warum er den Auftrag nicht an die Caritas vergeben solle. Es komme auch oft zu sehr netten Gesprächen, erzählt Presser.

Inzwischen sei man so weit, dass man drei der Beschäftigten als Praktikanten in Gärtnereien schicken könne, sagt Schneider. Das sei überhaupt das Ziel der inklusiven Arbeit: die Menschen unter weiterer Betreuung der Caritas auch in das reale Arbeitsleben zu entlassen. "Wir haben viele Pläne, aber für den Winter ist noch nicht alles in Sack und Tüten", sagt Claudia Schneider. Die Gartengruppe ist schon fest eingearbeitet und bewegt sich sehr selbständig auf den jeweiligen Geländen - in den Wintermonaten soll das möglichst so bleiben.

Ein mit der freien Wirtschaft vergleichbares Entgelt für die Beschäftigten und die Gehälter der Betreuer bedeuten, dass vor allem die Regelmäßigkeit der Aufträge das Projekt weiterfinanziert. Schaut man den Gärtnern bei der Arbeit zu, ist schwer vorstellbar, dass die naturverbundene Tätigkeit einmal vielleicht nicht mehr möglich sein wird, weil die Finanzierung fehlt. Die Mittagspause wird bei den sommerlichen Einsätzen zwar oft sehnsüchtig erwartet, aber die vielen Erzählungen der Gärtner, wie sie auch Zuhause nicht müde werden sich weiter in der Natur zu betätigen, sprechen Bände. Positive Bände, denn mehr Inklusion und Teilhabe geht nicht - meint auch Claudia Schneider.

Geplant sind noch ein Tannenbaumverkauf und ein eigener Garten, aus dem wiederum Obst und Gemüse an Geschäfte und Restaurants verkauft werden können. Weitere regelmäßige Aufträge würden jedoch auch hier die Finanzierung erleichtern. Es müssen nicht gleich riesige Grünflächen von Gemeinden und Unternehmen sein, der eigene Garten tut es auch. Dölker rückt dann nur mit bis zu fünf Beschäftigten an und befreit die grünen vier Zäune von Unkraut und hochgewachsenem Rasen. "Es wurde schon zusammen gegrillt und noch einige Zeit nach getaner Arbeit zusammengesessen", erzählt Dölker über Einsätze bei Privatpersonen.

Im Sommer geht es darum, das knackige Pensum zu meistern, im Winter und der Zukunft auch um den Abbau von Berührungsängsten. Denn um weiterhin erfolgreich zu arbeiten, ist die Gartengruppe auf Auftragssuche. Interessenten können Anfragen an die leitenden Gärtner und Betreuer Benjamin Dölker und Christian Voll richten, Telefon 08131/32 29 60.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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