In die Zukunft blicken:Die Stadt und ihre Grenzen

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Die Würmverführung ist ein Ergebnis des Thementisches Umwelt der integrativen Stadtentwicklung. Mehr Grün ist weiterhin ein Wunsch der Bürger. (Foto: Toni Heigl)

Ein neuer Flächennutzungsplan soll die Möglichkeiten einer Bebauung genau definieren und so die Entwicklung Dachaus steuern. Doch bis zur Fertigstellung kann es mindestens vier Jahre dauern

Von Viktoria Großmann, Dachau

Die Stadt will einen neuen Anlauf nehmen, die Entwicklung Dachaus zu gestalten und zu planen. Flächennutzungsplan - so heißt die sperrige Bezeichnung für jenes Instrument, das helfen soll, herauszufinden, wie viel, wohin, an welchen Stellen die Stadt noch wachsen kann. Geht es nach den Dachauern, die im Frühjahr auf den Bürgerversammlungen in den einzelnen Stadtteilen befragt wurden, soll die Stadt gar nicht mehr wachsen. Besonders in Dachau Ost empfindet man das so. Neue Grünflächen möchte eine große Mehrheit. Gewerbeflächen aber auch. Und damit benennen die Bürger mit ihren widersprüchlichen Wünschen einen häufig diskutierten Punkt in Stadtratssitzungen und einen Grund für den Sinn eines solchen Flächennutzungsplanes: Es geht nicht alles. Es muss abgewogen werden. Dafür kann es nicht schaden, das Ganze im Blick zu behalten - Dachaus ganze 35 Quadratkilometer.

Ein neuer Flächennutzungsplan, das ist ein Projekt des Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD). Bereits im März 2015 hatte die SPD-Fraktion einen entsprechenden Stadtratsantrag gestellt. "Wir brauchen eine Zielrichtung, wo es mit der Stadt insgesamt hingehen soll", sagte Hartmann in der Sitzung des Bau- und Planungsausschusses. Der Zuzugsdruck müsse gesteuert werden. Der derzeit gültige Flächennutzungsplan der Stadt, auf dem eingetragen ist, wo Flächen für Wohnraum, Gewerbe, Grün und Erholung vorgesehen sind, stammt aus dem Jahr 1989. "So ein Plan ist dann am Ende, wenn die Flickschusterei beginnt", sagte Sören Schneider (SPD). Und das sei jetzt.

Die CSU allerdings hält den Zeitpunkt für ungünstig. "Erst einmal müssen die tatsächlichen Projekte abgearbeitet werden", sagte Gertrud Schmidt-Podolsky und zählte auf: ASV, TSV, Autoliv, MD, Bahnhof, Augustenfeld - "und dann auch noch ein Wechsel im Bauamt!" Zum Jahresende geht der Leiter des Bauamts Michael Simon in Rente. Die Verwaltung sei nicht imstande, auch noch einen neuen Flächennutzungsplan aufzustellen, sagte Schmidt-Podolsky. Man könne das in zwei oder drei Jahren angehen. Die CSU unterlag in der Abstimmung. Die anderen Fraktionen schlugen sie mit ihren eigenen Argumenten: Gerade weil derzeit soviel geplant und gebaut wird, sei es sinnvoll, gleich einen Gesamtplan aufzustellen. "Es geht eben nicht darum, noch eine Aufgabe oben drauf zu packen", sagte Günter Heinritz (SPD). "Sondern darum, die Aufgaben zusammenzufassen." Bauamtsleiter Simon erklärte: "Wie lange das dauert, haben die Stadträte in der Hand." So lange sie nicht mit Kampfansagen arbeiteten und für übergreifende Ziele echte Mehrheiten bilden.

Simons Mahnung kommt nicht ohne Grund: Ein Flächennutzungsplan kann auch zur Befriedung unter den Kommunalpolitikern beitragen und Diskussionen um Innen- und Außenräume, um Flächenfraß und Wildwuchs beenden. Der Plan definiert nicht nur, was wo gebaut werden kann, sondern auch in welchem Umfang. Somit können Möglichkeiten geschaffen werden, in bestehenden Wohngebieten Häuser zu erweitern und auszubauen. Die Stadträte müssten dann nicht mehr mit Bedauern Vorhaben in Dachau Ost ablehnen, etwa Dachgeschosse auszubauen und damit Wohnungen zu schaffen. Denn auch das sagen die Bürger: Wenn Wohnraum schaffen, dann durch die sogenannte Nachverdichtung. Nicht auf der grünen Wiese.

Nicht zur Sprache kamen in der Diskussion über die Zukunft Dachaus die Arbeit der Thementische während der integrativen Stadtentwicklung. Als einzig wirklich erfolgreiches und daher Vorzeigeprojekt dieser Bürgerbeteiligung gilt die Soziale Stadt Dachau Ost. Das Projekt wurde im selben Jahr feierlich abgeschlossen, in dem auch die integrative Stadtentwicklung endgültig aufgegeben wurde. Viele Dachauer hatten sich über Jahre an den Thementischen engagiert, aus Visionen und Ideen handfeste Pläne und Vorschläge gemacht - doch sie beklagten, bei Stadträten und Stadtverwaltung zu wenig Gehör zu finden. Ihre Arbeit sei umsonst. Anfang 2015 stellten die Stadträte die integrative Stadtentwicklung als gescheitert ein. Seither gibt es jeweils themenbezogene Bürgerbeteiligungen: zur ehemaligen griechischen Schule in Mitterndorf, zu Augustenfeld oder zur Bahnhof-Westseite.

Eingang finden in die Vorbereitung des Flächennutzungsplanes sollen die Rahmenplanung Grün-Blau zur Verteilung von Grünflächen - ein Ergebnis des Thementisches Umwelt. Ebenso werden fertige Leitbilder zu Umwelt und Verkehr einfließen. Als Grundlage zur Raumplanung soll das Ergebnis des Workshops "Zwischen Dorf und Metropole" dienen. Damit wären vergangene Ideen und Konzepte nicht völlig obsolet. Erneut sollen die Bürger über Workshops einbezogen werden. Die Planung kostet Zeit und Geld. Bis zu vier Jahre, so schätzt das Bauamt, kann es dauern, ein räumliches Leitbild als Grundlage für den Plan zu erarbeiten. Bis dieser endgültig verabschiedet ist, könnten bis zu acht Jahre vergehen. Mit bis zu 350 000 Euro Kosten muss die Stadt Dachau rechnen. Um am Ende etwas mehr über ihre Zukunft zu wissen.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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