In Bestform:Symphonische Sinfonietta

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Dirigent Victor Bolarinwa und sein Orchester glänzten. (Foto: Toni Heigl)

Victor Bolarinwa schafft ein überwältigendes Orchester der Harmonie

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Nach diesem Konzert möchte man feststellen, dass die "Sinfonietta Dachau" und ihr Dirigent Victor Bolarinwa zu ihrer Bestform aufgelaufen sind. Damit soll man aber vorsichtig sein - denn wer weiß, ob sie eines Tages nicht noch besser musizieren. Es kann sich dann aber nur noch um Nuancen handeln. Halten wir lieber fest, dass bei ihrem Herbstkonzert 2018 jede Instrumentengruppe, sowohl bei den Streichern wie bei den Bläsern, weitgehend professionell, also bestens besetzt und das Musizieren unter der Leitung von Victor Bolarinwa aus einem Guss war. Sogar die Bratsche, oft wie ein Stiefkind des Orchesters behandelt, war mit zwei ausgezeichneten Musikern aus Petershausen - der allseits bekannte Musiker Eugen Tluck mit seiner Kollegin - derart vorzüglich besetzt, dass sie Bolarinwa nach seiner glanzvollen Aufführung der "Schottischen" Symphonie von Felix Mendelssohn Bartholdy als erste zum Sonderapplaus aufstehen ließ. Überhaupt hatte Bolarinwa zu tun, alle Solisten und alle Gruppen des Orchesters im allgemeinen Beifallssturm zum Sonderapplaus zu präsentieren.

Die Rede ist vom Hauptwerk dieses Herbstkonzerts, der Symphonie Nr. 3, genannt die "Schottische" von Mendelssohn Bartholdy. Das ist zweifellos die größte und kompositorisch beste, aber auch die spieltechnisch schwierigste aller Mendelssohn-Symphonien. Victor Bolarinwa hat die Aufführung offenbar intensiv vorbereitet und ist schließlich zu einem Ergebnis gekommen, das höchsten Ansprüchen genügte und die Freunde der Musik von Mendelssohn sogar zutiefst beglücken konnte.

Im Programmheftchen standen die ursprünglichen Tempobezeichnungen Mendelssohns, die er aber für seine Londoner Aufführung abgeändert hat. So steht jetzt beim ersten Satz statt "Allegro agitato" das gemäßigte Tempo "Allegro un poco agitato", also nur "ein wenig" erregt und ungestüm, und beim Scherzo heißt es nicht mehr "Scherzo assai vivace", also sehr lebhaft zu spielen, sondern "Vivace non troppo" - nicht zu lebhaft. Victor Bolarinwa nahm überall das von Mendelssohn selbst abgemilderte Tempo und ließ damit die Themen der Musik sich auch fürs Publikum hörbar und nachvollziehbar entwickeln und die Musik aufblühen.

In der musikalischen Fachwelt hat die "maestoso assai", also die majestätisch aufzuführende Coda des letzten Satzes, Diskussionen ausgelöst. Manche sahen in der dichten Instrumentierung eine "schottische Nebellaune" mit schweren Regenwolken, andere betonten, das Thema sei "heroisch" gemeint. Bolarinwa ließ am heroischen Charakter keinen Zweifel. So passte Mendelssohns Symphonie auch sehr gut zu Bolarinwas Interpretation der "Egmont"-Ouvertüre von Beethoven. Auch dieser Ouvertüre ist ein triumphaler Schluss angehängt, weil ja Goethes Trauerspiel, das (nach Walter Riezler) "zum Schluss selber opernhaft wird", es so verlangt. Bolarinwa kostete mit seinem Orchester die triumphale Musik aus und, weil das noch nicht genügte, dirigierte er als Zugabe noch Beethovens Triumphmarsch zu dem am 26. März 1813 im Wiener Hofburgtheater aufgeführten Trauerspiel "Tarpeja". Dieses Stück hatte keinen Erfolg und wurde bereits nach zwei Vorstellungen vom Spielplan abgesetzt. Auch Beethovens Triumphmarsch wurde fast ganz vergessen.

Zu diesem Konzert in Höchstform passte auch der junge und bereits mit höchsten Preisen ausgezeichnete Chinese Diyang Mei als Solist im Konzert für Viola und Orchester von Carl Philipp Stamitz. Ein sehr schönes Stück Musik, dessen letzter Satz, ein Rondo, virtuose Ritornelle enthält. Mei spielte sie, wie auch seine große Solokadenz, mühelos, das ganze Konzert war mit herrlicher Tongebung überwältigend schön und souverän gestaltet. So hat man die Viola zumindest in Dachau noch nie gehört.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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