Immer mehr Nichtschwimmer:Trauriges Ende einer guten Idee

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Viele Kinder können nicht schwimmen, immer mehr Menschen ertrinken - Lehrer wollten mit den Stadtwerken diese Entwicklung stoppen. Doch das Projekt ist am hohen Organisationsaufwand und an Geldmangel gescheitert

Von Petra Schafflik, Dachau

Sommer, Sonne und bald Ferien: Was gibt es da Schöneres, als sich im Freibad oder am See zu vergnügen. Doch was für die meisten Kinder ein Riesenspaß ist, bringt manche in Lebensgefahr. 59 Prozent der zehnjährigen Mädchen und Jungen in Deutschland können nicht schwimmen, gleichzeitig ertrinkt jeden Sommer eine steigende Zahl von Menschen. Die Lehrer der Dachauer Grundschulen wollten gegen diese dramatische Entwicklung vorgehen und sicherten sich im vorigen Herbst die Unterstützung der Stadtwerke. Während des Schulschwimmens boten qualifizierte Schwimmmeister separate Kurse für die Nichtschwimmer der Klasse an, die Lehrkräfte konnten mit den übrigen Kindern üben. Ein vorbildliches Konzept, möchte man meinen. Aber als Angebot für alle Dachauer Grundschüler, wie das gedacht war, hat das Kooperationsprojekt keine Zukunft.

Tatsächlich hat das Projekt an der Klosterschule super funktioniert, wie Rektorin Karin Ernstorfer sagt. Andere Schulleiterinnen wie Andrea Noha von der Grundschule-Ost monieren den enormen Organisationsaufwand sowie begrenzte Kapazitäten, nicht alle Nichtschwimmer hätten deshalb einen Kurs absolvieren können. Nur die Klosterschule möchte im kommenden Schuljahr erneut gerne auf die Unterstützung der Stadtwerke setzen. Der Teufel steckt im Detail, das gilt auch für dieses auf den ersten Blick überzeugende Vorhaben. Die Idee ist, dass qualifizierte Schwimmmeister die Lehrer unterstützen, wenn die Kinder der dritten und vierten Klassen im Hallenbad Schwimmunterricht haben. Tatsächlich kümmerten sich im abgelaufenen Schuljahr erfahrene Mitarbeiter der Stadtwerke erfolgreich um die Nichtschwimmer, die Pädagogen der Schulen übten zur gleichen Zeit mit den Kindern, die sich schon ein wenig oder sogar perfekt über Wasser halten können. Die Stadtwerke als Betreiber der Dachauer Bäder boten diese Kurse zum günstigen Selbstkostenpreis an. Ganz gebührenfrei war das Angebot nicht, weil die Stadträte im Familien- und Sozialausschuss einer Kostenübernahme durch die Stadt nicht zugestimmt hatten. Die Begründung: Es sei primär Aufgabe der Eltern, den Kindern Schwimmen beizubringen.

Unter diesen Rahmenbedingungen funktionierte das Modell denn auch nur an der Klosterschule reibungslos - die Schulleitung hatte einen Sponsor für die Kursgebühr gefunden. 27 Mädchen und Buben absolvierten einen Kurs unter Anleitung der Schwimmmeister. Sie sind nun stolze Träger des Seepferdchen-Abzeichens. "Die Kinder waren begeistert", freut sich Rektorin Ernstdorfer. Viel zu organisieren habe es für die Schule nicht gegeben. "Die Nichtschwimmer wurden in der ersten Stunde rekrutiert", so Ernstorfer. Vorab mussten die Teilnehmer nicht festgelegt werden, weil die Gebühr für alle der Rotary-Club übernommen hat.

An den übrigen Schulen lief das jedoch anders. Dort mussten Eltern ihre Kinder verbindlich anmelden, die Schule die Kursgebühr einsammeln. Für Familien, die den Betrag nicht aufbringen konnten, galt es, Unterstützung von Elternbeirat oder Jobcenter zu initiieren, erklärt Andrea Noha, Schulleiterin in Dachau-Ost. Letztlich war nicht die Höhe der Kursgebühr das Problem, aber die umständliche Organisation, so Noha. Gleichzeitig gerieten die Stadtwerke wegen der enormen Nachfrage auch an Grenzen. "Wir haben einfach sehr viele Nichtschwimmer, nicht alle konnten in einem Kurs aufgenommen werden."

Die Grundschule-Süd hat dann das Angebot sogar nur für eine Gruppe abgerufen. Denn dort hat man auf Wunsch der Stadtwerke ausschließlich Kindern aus finanziell schwächeren Familien das Programm angeboten. "Der Kurs war super", lobt Schulleiterin Michaela Frost. Aber die Einschränkung auf ärmere Familien sei schwierig. "Denn es liegt nicht am Geld, wenn Eltern ihren Kinder das Schwimmen nicht beibringen."

Was tun? Ideal wäre es, da sind sich alle Rektorinnen einig, wenn ohne Anmeldung und Kursgebühr beim Schulschwimmen immer ein Schwimmmeister der Stadtwerke dabei wäre, um gezielt die Nichtschwimmer zu trainieren. "Denn wir Lehrer dürfen während der Schwimmstunde wegen der Aufsichtspflicht nicht ins Wasser, wir können den Kindern das Schwimmen nicht beibringen", sagt Karin Ernstdorfer. Ein Wunschtraum, das wissen die Rektorinnen auch. Denn schon die Kurse im abgelaufenen Schuljahr brachten Bäderchefin Barbara Kern bei der Personalplanung an Grenzen. Dennoch bieten die Stadtwerke ihre Unterstützung nach dem bisherigen Modell weiter an. "Es ist ein Mehraufwand, aber wir versuchen es zu leisten, denn es ist eine gute Sache", betont Kern.

Nutzen wird das Angebot von Herbst an aber nur mehr die Klosterschule, die auch erneut einen Sponsor suchen will.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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