Ilse Aigner in Karlsfeld:"Die Radikalität nimmt zu"

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"Demokratie ist eine Gabe, aber auch eine Aufgabe": Ilse Aigner beim CSU-Neujahrsempfang in Karlsfeld. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Landtagspräsidentin Ilse Aigner beklagt beim Neujahrsempfang der Karlsfelder CSU das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Neun Wochen sind es noch bis zur Kommunalwahl. "Der Ton wird rauer", bemerkt Christian Bieberle, der Vorsitzende der Karlsfelder CSU, auf dem Neujahrsempfang seiner Partei im Bürgerhaus. "Aus Freunden werden politsche Gegner." Dabei gehe es doch nur darum, "die Heimat lebens- und liebenswert zu erhalten". Mehr als 200 Parteifreunde, deren Familien und Bekannte lauschen aufmerksam seinen Worten. Gekommen sind sie aber vor allem, um Gastrednerin Ilse Aigner zu hören, die Landtagspräsidentin. Die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler, der Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath, Bezirkstagspräsident Josef Mederer, sowie Landrat Stefan Löwl sitzen in der ersten Reihe. Der Neujahrsempfang in Karlsfeld ist eine feste Größe, ein Treffen, das niemand missen möchte, um sich zu zeigen und bei Häppchen und Sekt ins Gespräch zu kommen.

Landtagspräsidentin Aigner schlägt ruhige, besinnliche Töne an. "Die Radikalität nimmt zu", sagt sie betroffen. "Die Gesellschaft driftet auseinander." Entsetzt ist sie vor allem über rechte Gewalt, die beim tödlichen Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zutage getreten ist und über die Reaktion der AfD nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle. Die Partei beklagte, dass "zwei Deutsche" umgebracht wurden. "Was heißt das?", fragt Aigner und fordert die Karlsfelder auf, "achtsam zu sein".

Die Respektlosigkeit, mit der im Schutze der Anonymität des Internets gehetzt, beschimpft und beleidigt wird, kritisiert sie ebenfalls scharf. "Das ist schädlich für die Demokratie." Es müssten Gesetze auf den Weg gebracht werden, die ein unmissverständliches Signal senden.

"Eine Oma als Umweltsau betiteln, geht gar nicht"

"Demokratie ist eine Gabe, aber auch eine Aufgabe", sagt Aigner. Die Demokratie schaffe stabile Verhältnisse, gebe Freiheiten und garantiere Rechtsstaatlichkeit, aber dafür müsse man etwas tun. Man brauche Leute, die sich kommunalpolitisch engagierten. Diese zu finden, werde immer schwieriger, denn die vielfachen Anfeindungen, denen sie ausgesetzt seien, ließen das Engagement deutlich zurückgehen. Aber es sei wichtig, sich einzubringen, wo man nur könne, sagt die CSU-Bezirksvorsitzende. Auch wenn immer wieder Fehler gemacht würden.

"Ich respektiere, dass junge Leute aktiv sind, aber nicht, dass Generationen gegeneinander aufgehetzt werden", sagt Aigner. "Dass eine Oma als Umweltsau betitelt wird, geht gar nicht." Ebenso verurteilt sie, dass die "Automobilindustrie komplett verteufelt wird". Auch wenn es Missstände gebe, gehöre diese Branche zu Deutschland. "Dass man den Ast, auf dem man sitzt, absägt, verstehe ich nicht." Die Landtagspräsidentin plädiert dafür, Anreize zu schaffen, um den Klimaschutz voranzubringen und nicht mit Verboten zu arbeiten. "Man muss den Menschen die Chance geben, den Umstellungsprozess mitzugehen. Nicht jeder kann sich jedes Jahr ein neues Auto oder eine Heizung kaufen", erklärt Aigner.

Maß und Mitte seien wichtig, wenn es um Politik gehe. Nicht nur die Plastiktüte sei klimaschädlich. "Eine E-Mail ohne Anhang verbraucht genauso viel Kohlendioxid." Und einen Film herunterzuladen oder zu streamen, sei bezüglich der CO₂-Bilanz vergleichbar mit einer Flugreise.

Aigner appelliert an alle, Mitte März ihr Wahlrecht wahrzunehmen, auch wenn der Bogen mit den Kandidatenlisten dieses Mal riesig wird und das Wetter womöglich schön. Freie Wahlen seien schließlich keine Selbstverständlichkeit. Sie sicherten Deutschland und Bayern Wohlstand und Freiheit.

© SZ vom 14.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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