Hochwasserschutz:Haimhausen ertrinkt in der Flut

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Spezialisten simulieren die Folgen von Starkregen. Jetzt werden Maßnahmen zum Schutz ergriffen

Von Horst Kramer, Haimhausen

Es sind beeindruckende Darstellungen, die der Ingenieur Reinhard Brodrecht dem Haimhausener Gemeinderat präsentiert hat: Eine Grafik zeigt die Straßen im Haimhausener Ortszentrum, die sich unter Starkregen in Flüsse verwandeln; darunter die Brunnenfeldstraße, die Bayernstraße und die Hauptstraße. Auf einer anderen Abbildung ist ein kleiner See zu erkennen, der sich am Nordwestrand Amperpettenbachs durch die von Starkregen verursachten Sturzfluten bildet.

Brodrecht ist Geschäftsführer der Herzogenauracher Spekter GmbH, die auf das Risikomanagement von Starkregenereignissen spezialisiert ist. Die Gemeinde hat dazu im Frühjahr 2019 ein Projekt auf die Schiene gesetzt, noch unter der Ägide des langjährigen Geschäftsstellenleiters Otto Feikel. Den Anstoß gab die Bauamtsmitarbeiterin Anja Flory, die sich mit dem Thema in ihrer Masterarbeit beschäftigt hatte. Ihr Interesse traf sich mit einem Förderprogramm des Umweltministeriums gegen sogenannte Sturzfluten, also nicht steuerbare Regenwassermassen. Das Programm soll Kommunen befähigen, "maßgeschneiderte Konzepte für den bestmöglichen Hochwasserschutz zu schaffen". Die Förderquote beträgt 75 Prozent der Konzeptkosten, die auf maximal 200 000 Euro gedeckelt sind. Haimhausen ist die einzige Gemeinde im Dachauer Land, die sich für das Programm beworben hat und prompt den Zuschlag erhielt, zusammen mit rund fünfzig weiteren Kommunen in ganz Bayern.

Brodrecht stellte verschiedene Überschwemmungstypen dar. Zu Hochwasserereignissen kommt es in der Regel nach Dauerregen - also Regen über mehrere Tage - oder auch nach der Schneeschmelze. Sturzfluten sind hingegen das Ergebnis von Unwettern mit Starkregen. Der Deutsche Wetterdienst definiert ein Unwetter der Starkregenstufe zwei als ein Ereignis, bei dem mehr als 25 Liter Regenwasser pro Quadratmeter in einer Stunde oder mehr als 35 Liter pro Quadratmeter binnen sechs Stunden auf den Boden aufschlagen. Zum Vergleich: Im September 2019 zog ein Unwetter über Teile des Landkreises, bei dem innerhalb von vierzig Minuten zwischen siebzig bis achtzig Liter Regenwasser auf einen Quadratmeter prasselten.

Die Folge: Mancherorts, etwa in Odelzhausen, konnte man auf den Straßen Spielzeugboote fahren lassen. Der Erdboden kann derartige Wassermengen nicht aufnehmen, Versiegelungen tun ein übriges - die Kanalisation ist überfordert, stellenweise drückt das Wasser aus den Gullideckeln nach oben. Brodrechts Team simulierte derartige Ereignisse am Computer. Sie nutzen dazu metergenaue geodätische Vermessungsdaten. Alle sieben Jahre wird jeder Fleck des Freistaats neu ausgemessen. Übrigens nicht mittels Satelliten, sondern mit speziell ausgerüsteten Hubschraubern oder Kleinflugzeugen. Dabei werden die Höhenlinien nachgemessen, aber auch die Bodenbeschaffenheit und vieles mehr. In den vergangenen Monaten haben die Spezialisten gefährdete Areale im Haimhausener Gemeindegebiet ermittelt. Nun geht es darum, Risiken zu beurteilen und Maßnahmen festzulegen.

Ganz wichtig dabei ist die Mithilfe der Haimhausener Bevölkerung. Etwa durch fotografische Belege von Starkregenfolgen. Brodrecht und seine Mitarbeiter können damit die Richtigkeit ihrer Berechnungen überprüfen. Einige Aufnahmen liegen schon vor, insbesondere aus Amperpettenbach - die dort dokumentierten Probleme an der Alten Kreisstraße decken sich genau mit den Simulationsresultaten der Fachfirma. Das Projekt soll im Sommer abgeschlossen sein. Sehr zur Freude von Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), der offenbar mit einer längeren Dauer gerechnet hatte.

© SZ vom 19.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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