Hoargarten:Silber am Gwand, Gold im Wort

Lesezeit: 2 min

Die Heuweg-Musi zelebriert den "Boarischen" mit ansteckender Spielfreude und guter Laune. (Foto: Dorothea Friedrich)

Beim Hoagarten in Kleinberghofen gibt's traditionelle Trachten und Musik

Von Dorothea Friedrich, Erdweg

Silber hätte gefühlt das Leitmotiv eines Hoagartens der speziellen Art am Samstagabend im rappelvollen Freudenhaussaal in Kleinberghofen sein können. Prunkten doch vor allem die Männer mit allem, was die Dachauer Tracht so an schmückendem Beiwerk zu liefern hat: Fette Knöpfe an Westen und Hüten, prachtvolle Uhrketten, auffällige Ringe und vieles mehr. Der Grund für diesen geballten Auftritt traditionell gewandeter Männlichkeit: Die Dachauer Roßtäuscher Kongregation hatte zum Hoagarten geladen. Nun sind die Roßtäuscher kein Geheimbund, sondern widmen sich mit Lust, Liebe und viel Sachkenntnis der Pflege von Tracht und Brauchtum - und das seit 19 Jahren, wie Initiator und Organisator Robert Gasteiger der Süddeutschen Zeitung sagte.

Entstanden ist die Kongregation, weil der leidenschaftliche Sammler Gasteiger vor etlichen Jahren zum Geburtstag mit der Bemerkung "Mach was draus" eine Medaille der Schlossbergbrauerei als Geburtstagsgeschenk bekommen hatte. Und Gasteiger machte was draus. Nämlich ein Netzwerk der Heimatpflege auf vielen Gebieten. Und dazu gehört die traditionelle Volksmusik.

War doch in den längst nicht immer guten alten Zeiten der heimische Garten, der Heimgarten, nach getaner Arbeit Treffpunkt von Familie und Freunden. Wo heute Qualm aus Riesen-BBQ-Ungetümen die Luft verpestet und Bluetoothlautsprechermusik die Ohren quält, saß man seinerzeit beieinander, ratschte, aß und trank, was der Hof hergab und machte Musik. Etliches von dieser familiären Atmosphäre ließ sich auch beim Freudenhaus-Hoagarten erleben: Die Musikanten saßen teils auf der Bühne, teils am großen Tisch mitten unter ihren Zuhörern und zeigten, dass der Mensch nicht nur Silber am Gwand, sondern auch in der Stimme haben kann. Das galt für die Sagschneider Malan und für den Albersbacher Dreigesang gleichermaßen. Die Heuweg-Musi und Zitherspieler Gasteiger bewiesen, dass musikalisches Edelmetall auch in den Händen beziehungsweise der Luftröhre zu finden ist. Moderator Siegi Götze schließlich führte mit goldigen Worten durchs ausgedehnte Programm, erzählte Geschichten und Anekdoten aus dem wirklichen und erfundenen Leben und widmete sich mit liebevoller Aufmerksamkeit den Musikern. Sie hätten einen Boarischen "zelebriert", kommentierte er etwa ein Stück der Heuweg-Musi. Womit Götze den Nagel auf den Kopf traf, wenn man "zelebriert" nicht mit einem feierlich-abgehobenen Vortrag assoziiert, sondern mit ansteckender Spielfreude und mit von verschmitztem Grinsen begleiteter, wortloser Verständigung der Karlsfelder Musikerfamilie.

Das machte eine fast unwiderstehliche Lust, Stühle und Tische beiseite zu räumen und endlich zu tanzen. Für den Albersbacher Dreigesang (Maria und Hans Lachner sowie Maria Popfinger und Robert Gasteiger an der Zither) aus dem Indersdorfer Ortsteil Albersbach war dieser Hoagarten ein Heimspiel. Nicht nur Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter geriet in Erinnerung an die beliebten altbairischen Adventssingen der Gruppe ins Schwärmen. Mit gutem Grund, denn das breit gefächerte Repertoire des Albersbacher Dreigesangs birgt wahre Schätze bodenständiger, unverfälschter Volksmusik. Und die gilt es, vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Dieser Aufgabe haben sich auch die Schwestern Veronika Krug, Annett und Johanna Schambeck verschrieben. Sie sind in Leger bei Lenggries zu Hause. Ihre Musik aus dem Werdenfelser Land mit feinst aufeinander abgestimmten Jodlern war "wortloses Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht". Diese poetische Definition einer tradierten nonverbalen Kommunikation stammt allerdings nicht von Moderator Götze, sondern vom Papst im Ruhestand, Benedikt XVI. Sie hätte garantiert am Samstagabend im Freudenhaus die Zustimmung des völlig faszinierten Publikums gefunden.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: