Hingehen und Spaß haben:Die Vorleser

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13 Schulsieger aus dem Landkreis Dachau lesen im Kreisentscheid aus ihren Lieblingsbüchern. Nikolai Ivanow vom Gymnasium Indersdorf gelingt dies am besten. Der Elfjährige schafft es ins Bezirksfinale

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es ist mucksmäuschenstill, die Blicke sind auf die Bühne gerichtet. Ayleen Bloch ist die Erste. Sie lacht aufgeregt. Dann aber konzentriert sich die Elfjährige, wird ruhiger. Sie hält ihr Buch in die Höhe, stellt es kurz vor und beginnt zu lesen. Als sie fertig ist, lacht sie wieder. Denn die gerade noch so leisen Zuhörer klatschen.

Fast 50 Besucher lauschen am Montagnachmittag den Geschichten, die 13 Schüler aus dem Landkreis Dachau ausgesucht haben und jetzt so gefühlvoll und atmosphärisch wie möglich vorlesen. Es ist die 59. Ausgabe des Kreisentscheids des Bundesdeutschen Vorlesewettbewerbs, die in der Hauptstelle der Dachauer Stadtbücherei ausgetragen wird. 13 Schulen aus dem Landkreis und der Stadt Dachau haben aus den sechsten Klassen ihren besten Vorleser ermittelt und ins Rennen geschickt. Sie heißen: Jolina Trautmann, Krystyna Serina, Robert Röckle, Arda Alan Onat, Luisa Mayer, Jorina Krasniqi, Medina Karimova, Nikolai Ivanow, Dunja Hoewner, Stefanie Gail, Noah Dorn, Javin Bolte und Ayleen Bloch.

Sie sind die besten Vorleser ihrer Schulen. Als Preis für die Teilnahme am Kreisentscheids des Vorlesewettbewerbs bekommen sie auch ein Buch. (Foto: Toni Heigl)

Ihrer Lesung folgen nicht nur Eltern, Lehrer und Mitschüler. Am Ende kürt eine sechsköpfige Jury aus belesenen Erwachsenen den besten Vorleser des Landkreises, darunter Stadtrat Sören Schneider (SPD) und die Diplombibliothekarin Angelika Rockenbach. Der bundesweite Vorlesewettbewerb will Kinder ermuntern, sich mit erzählender Literatur zu beschäftigen und aus ihren Lieblingsbüchern vorzulesen. Die Schüler sollen sich aktiv mit ihrer Lektüre auseinandersetzen, sie sollen ihr Buch erst vorstellen und dann maximal drei Minuten lang eine eigens ausgewählte Passage daraus vorlesen. Der zwölfjährige Robert Röckle, der Sieger der Mittelschule Erdweg, musste in seiner Klasse noch ein Referat über sein Buch mit dem Titel "Tigerherz" von Robin Dix halten. So übte er nicht nur das Vorlesen, sondern auch das Vortragen, was für seine Schul- und spätere Berufslaufbahn natürlich hilfreich sein wird.

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(Foto: Toni Heigl)

13 Schulen haben ihre besten Vorleser aus der sechsten Klasse ins Rennen geschickt.

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(Foto: Toni Heigl)

Auch Medina Karimova aus Dachau las aus einem Buch ihrer Wahl vor. Zum Sieg reichte es aber nicht.

Im zweiten Teil lesen die Schüler zwei Minuten aus einem Buch vor, das ihnen unbekannt ist. Die Kriterien sind jedes Jahr dieselben. Vordergründig geht es darum, die Stimmung und Atmosphäre des Textes richtig einzufangen und dem Publikum zu übermitteln, ohne dabei übertrieben schauspielerisch, theatralisch oder gekünstelt zu wirken. Die Juroren achten auf die deutliche Aussprache, stimmliche Möglichkeiten, angemessenes Lesetempo und eine sinngemäße Betonung, wobei Versprecher ausdrücklich nicht überbewertet werden sollen. Schließlich bewerten sie, ob es den Schülern gelingt, in kurzen eigenen Worten den Inhalt ihres Buches zusammenzufassen und die vorgelesene Passage in die Gesamthandlung einzuordnen.

Nikolai Ivanow aus Markt Indersdorf wird von der Jury mit Abstand zum besten Vorleser des Landkreises ernannt. (Foto: Toni Heigl)

Die Schüler, so viel vorweg, erledigen ihre Aufgabe beeindruckend. Die selbst ausgewählten Texte haben sie gründlich vorbereitet. Medina Karimova aus Dachau erzählt, dass sie ihrer gesamten Großfamilie samt Tanten und Onkeln mehrmals vorgelesen hat. "Ich habe mir das schon angewöhnt", sagt sie und weist jedes Lampenfieber von sich. Noah Dorn von der Bavarian International School in Haimhausen hat eine ähnlich lässige Herangehensweise. "Man muss hingehen und Spaß haben", sagt er im Stile eines Mentaltrainers. "Man muss sich nicht so stressen." Insgesamt merkte man den Kindern an, dass sie an ihren Schulen schon vor großem Publikum vorgelesen haben, um sich für den Kreisentscheid zu qualifizieren. "Es war ein absolut hohes Niveau", sagt denn auch Juror Sören Schneider.

Die Texte der Schüler geben Einblicke in die Vielfalt der aktuellen und klassischen Kinder- und Jugendliteratur. Javin Bolte aus Egenhofen liest aus Michael Endes Bestseller "Momo", der weltweit mehr als sieben Millionen Mal verkauft wurde. Luisa Mayer aus Karlsfeld widmet sich Harry Potter und der "Kammer des Schreckens". Ihre Zuhörer lässt sie in ein Quidditch-Spiel eintauchen, einer total angesagten Sportart in Joanne K. Rowlings Zauberwelt. Gekonnt imitiert Luisa die Stimmen der Protagonisten, die Frauenstimmen hell, die Männerstimmen dunkel. Der elfjährige Arda Alan Onat aus Karlsfeld nimmt das Publikum und seine stolzen Eltern mit auf ein Kreuzfahrtschiff, das von einem Tornado heimgesucht wurde. Sein Buch heißt "Under Water", geschrieben von Matt de la Penã. Dem Schüler gelingt es, den Überlebenskampf und die Verzweiflung des Jungen auf dem sinkenden Schiff greifbar zu machen. Auch für den fremden Text bringt er intuitiv das nötige Gefühl auf und betont die richtigen Stellen. Am Ende belegt Arda Alan Onat vom Ignaz-Taschner-Gymnasium (ITG) den zweiten Platz vor Luisa Mayer vom Josef-Effner-Gymnasium (JEG) in Dachau. Er sagt: "Das war eine richtig coole Erfahrung."

Der eindeutige Sieger aber ist Nikolai Ivanow vom Gymnasium Markt Indersdorf (GMI). Er liest aus Michael Endes "Der lange Weg nach Santa Cruz". Seine Aussprache ist klar, Nikolai schafft es am besten, die Atmosphäre aus den Texten ins Publikum zu transportieren. "Er hat am meisten berührt mit seiner Art zu lesen, man konnte sich richtig in seine Geschichte reinversetzen", sagt Jurorin Marion Dombrowski von der Dachauer Stadtbücherei. Nikolai selbst war sich sicher, dass ein anderer Junge den ersten Platz belegen würde. "Ich hatte schon Abschied genommen. Aber dann war ich richtig geschockt - im Positiven", so sagt er. Nun steht für den Elfjährigen das Bezirksfinale an.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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