Hingebungsvolles Quintett:Wenn die Musik Flügel bekommt

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Ein perfekt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der Instrumente und der Stimmen: Das Quintett der Band Alma besticht mit modern interpretierter und volkstümlich-alpenländischer Musik. (Foto: Toni Heigl)

Die österreichische Band Alma verzaubert die Dachauer Friedenskirche

Von Andreas Förster, Dachau

Ein bisschen kalt war es anfangs schon im voll besetzten Kirchenschiff. Doch es dauerte nur wenige Minuten, bis es den Zuhörern warm ums Herz wurde. Betörend schön war die Kombination aus optimaler Akustik, romantischem Kerzenlicht rund um die vier Musikerinnen und den Musiker; aus der dezenten LED-Beleuchtung hinter dem steinernen Altar und der avantgardistisch alpenländischen Heimatmusik auf der Bühne. Um im Bild zu bleiben: Das 2011 gegründete Instrumental- und Vokalensemble ließ bei seinem zweistündigen Auftritt (inklusive Pause) eine Menge anbrennen.

Das Feuer wurde allerdings im Inneren des Publikums entfacht, das den mal flirrend schnellen, mal spherisch verträumt gespielten Geigen, der mal fröhlich jauchzenden, mal melancholisch zurückhaltend gespielten Harmonika und den mollig tiefen Cello-Klängen andächtig lauschte und jedes Lied mit lang anhaltendem Beifall bedachte. Das Konzert war schon fast kitschig schön, manchmal mochte man vor lauter Heimeligkeit und Heimatgefühl regelrecht mitschunkeln. Natürlich machte das keiner, denn Alma verlassen die perfekte Illusion von Heimatidylle immer rechtzeitig vor dem Abrutschen in den Kitsch, um die Hörgewohnheiten mit neuen musikalischen Experimenten zu brechen und das künstlerische Niveau hoch zu halten. Julia Lacherstorfer (Violine) Evelyn Mair (Violone, Tamburello), Matteo Haitzmann (Violine), Marie-Theres Stickler (Knopfharmonika) und Sophie Abraham (Cello, ersetzte Marlene Lacherstorfer, die mit Clueso auf Tour ist) konnten an diesem Abend nichts falsch machen. Das Publikum war von Anfang an auf ihrer Seite und erwärmte sich von Lied zu Lied mehr für die hingebungsvoll musizierenden und vertraut wirkenden Künstler, die zwischen den einzelnen Stücken teils charmant (Julia, Evelyn, Marie-Theres), teils schüchtern philosophierend (Matteo Haitzmann) den Kontext und die Entstehung ihrer selbst geschriebenen Lieder und Texte erklärten.

Ein großer Teil des Abends war der aktuellen, 2017 erschienen CD "Oeo" gewidmet. Oeo ist laut CD-Booklet eine Jodel-Silbe. Für die Band ist das Jodeln "das Weltmusik-Esperanto", weil es Grenzen überwindet und überall verstanden wird. Eine völkerverbindende Message, übertragen mit modern interpretierter volkstümlich alpenländischer Musik, ist den Almas nach eigener Aussage sehr wichtig. Was vor allem beim Zuhörer ankommt, ist das perfekt aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der Instrumente und der Stimmen; die teils artistische Vokalakrobatik, die Ausflüge in den Klezmer oder gar in die Rockmusik mit Geigen, die wie E-Gitarren gezupft und gespielt werden, einem Cello, dessen Klangkörper immer mal wieder als Schlagzeug herhalten muss und ansonsten sehr viel basslastige Töne abgibt. Mal klingt die eine Geige wie eine Querflöte, die andere wie ein plätschernder Bach und das Cello wie eine Posaune.

Genau zu beschreiben, welche Töne die fünf Almas aus ihren Instrumenten herausholen, wie sie diese bespielen und welche Länder sie bei ihrem Auftritt musikalisch bereisen, würde den Rahmen sprengen. Nebenbei lernt man als Zuhörer auch etwas über die österreichische Heimatmusik, die bei Alma überwiegend zwischen dreivierteltaktigem Landler, Schleuniger im Fünfachteltakt und mit rhythmischem Klatschen begleitete Jodler hin- und herwechselt. Unter den gnädigen Augen der überdimensionalen Christus-Figur an der Kirchenwand konnte das Quintett befreit aufspielen, es verzauberte mit Stücken wie dem friedvollen "Möderndorfer Sommervalsen", dem italienischen "Questa Mattina", dem chilligen "Ruhe" und "Unknown Peace", dem amüsant-dramatischen "Tranquilla" oder dem sich langsam steigernden und wie ein guter Zweigelt-Rotwein zu vollem Aroma entfaltenden "Regent's Park" das Publikum - und nahm es mit in den Himmel. Widerwillig musste es das Wiener Quintett nach einigen Zugaben von der Bühne lassen. Am liebsten hätte es ihnen noch ewig zugehört.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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