Hilgertshausen-Tandern:Die Zwangsehe

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Hilgertshausen-Tandern blickt auf eine konfliktreiche Geschichte zurück

Der Ruhm mag teilweise zweifelhaft sein, aber gemessen an seiner überschaubaren Größe und seiner Abgeschiedenheit hat die Gemeinde Hilgertshausen-Tandern bayernweit ziemlich große Bekanntheit erlangt. Der angesehene Regisseur Marcus H. Rosenmüller drehte in der Gemeinde seine "Beste"-Trilogie, die erfolgreich in den Kinos lief. Das Drehbuch schrieb die gebürtige Tandernerin Karin Michalke. Die drei Filme handeln vom ländlichen Leben der Jugendlichen, die sich in ihrer Heimat sehr wohl fühlen, aber auch Fernweh verspüren und später einen Abstecher nach Indien machen.

So richtig in den Fokus geraten ist die Gemeinde allerdings nach ihrer Zwangszusammenlegung im Jahr 1978 im Zuge der Gebietsreform in Bayern. Beide Ortschaften waren zuvor eigenständige Gemeinden, Hilgertshausen mehr dem Landkreis Dachau zugewandt, Tandern dem schwäbischen Landkreis Aichach. Die gemeinsame Zwangsehe wurde den Dorfbewohnern von der Staatsregierung aufoktroyiert. Es entbrannte eine jahrzehntelange innige Feindschaft, die sich erst seit einigen Jahren abgeschwächt hat. Die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Tanderner fühlten sich in der Ehe benachteiligt. Das Rathaus wurde nach Hilgertshausen verlegt und auch die Tatsache, dass Hilgertshausen im Doppelnamen der Erstgenannte ist, rief den Unmut der Tanderner Bürger hervor.

Der Bürgerverein Tandern, in dem sich die Protestbewegung formierte und der zu Hochzeiten 600 Mitglieder zählte, reichte 1985 vor dem Bayerischen Verfassungsgericht eine Popularklage ein, um wieder unabhängig zu werden - sie wurde zurückgewiesen. Im Gmeinderat sahen sich die Tanderner einer Hilgertshausener Übermacht ausgesetzt. Deshalb zogen sie sich mit Beginn der Achtzigerjahre bis 1996 aus der Politik zurück, boykottierten die Wahlen und verbrannten vor den Wahllokalen Stimmzettel, anstatt zu votieren. Eine Anekdote, die noch heute erzählt wird, besagt, dass die freiwilligen Feuerwehren der Ortschaften sich einmal heftig stritten, wer einen Brand im Ortsteil Oberdorf löschen durfte.

© SZ vom 11.03.2017 / emo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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