Hilfe bei häuslicher Gewalt:Wenn der Papa die Mama haut

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Wo im häuslichen Umfeld Gewalt herrscht, "sind Kinder versteckte Opfer", sagt Marlies Schober. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine Wanderausstellung im Landratsamt zeigt, dass Übergriffe in Familien aller Nationalitäten und Schichten vorkommen.

Von Petra Schafflik, Dachau

Gerade tollen Eltern und Kinder noch lachend über den Strand. Zu Hause ist es dann schnell vorbei mit der gelösten Stimmung. "Papa Schäfer beschimpft die Mama, brüllt rum, knallt mit den Türen. Er schubst die Mama auch und haut sie sogar." - Wie Mädchen und Buben häusliche Gewalt im Elternhaus erleben, erzählt in Bildern und kindgerechten Formulierungen eine Wanderausstellung, die noch bis Montag, 28. November, im Foyer des Landratsamts zu sehen ist. Initiiert hat die Präsentation die Dachauer Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt (Distel) im Landratsamt, wo Sozialpädagogin Marlies Schober in diesem Jahr bereits 158 Opfer häuslicher Gewalt und deren 150 Kinder betreut hat. Die Ausstellung über die Situation von Mädchen und Buben in gewaltgeprägten Familien, die sich auch an ein jüngeres Publikum wendet, ist gezielt gewählt. Wo im häuslichen Umfeld Gewalt herrscht, "sind Kinder versteckte Opfer", so Schober.

Was die Unterstützung der erwachsenen Leidtragenden betrifft, gibt es ein Netz an Beratung und Hilfe - auch im Landkreis. Nun aber müssten die Jüngsten stärker in den Fokus gelangen. Ziel der Ausstellung sei auch, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen. "Damit sich die Menschen genauer umschauen und sich der Opfer annehmen", sagte Landrat Stefan Löwl (CSU). Anlass für die Ausstellung ist der internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen am Freitag, 25. November.

Gewalt in der Familie gibt es in allen Schichten, Milieus und Kulturen

Gewalt gegen Familienmitglieder: kein Phänomen, das nur in sozial abgehängten Milieus vorkommt. "Sondern in jeder Gemeinde, in Familien aller Nationalitäten und sozialen Schichten", sagte Landrat Löwl. Jede vierte Frau und jedes fünfte Kind wird Opfer, "die Dunkelziffer ist hoch". Dabei geht es in Fällen häuslicher Gewalt nicht immer um einen Ehemann oder Partner, der sich im Streit mit Fäusten auf Frau oder Kinder stürzt. Zwar gibt es diese körperliche und sexuelle Gewalt häufig. Aber Kontrolle und Pression werden auch viel subtiler ausgeübt. So werden Menschen von ihrem Lebensgefährten ökonomisch unter Druck gesetzt, "wenn die Unterschrift unter Verträge erpresst, auf den Namen des Partners bestellt wird", berichtet Schober. Oder die Opfer werden sozial unterdrückt, indem jeder Kontakt zu Freunden und Familie unterbunden wird. Weil die Gewalt im häuslichen Umfeld passiert, verfügen Opfer, die durchaus auch Männer sein können, nicht über einen Rückzugsort, so der Landrat.

Die Folgen sind bekannt: Betroffene leben in Angst, verlieren ihr Selbstbewusstsein und werden handlungsunfähig. Aus Scham vertrauen sie sich zudem oft niemandem an. Freunde und Verwandte bekommen tatsächlich nichts mit von der Notlage, "weil Verschwiegenheit herrscht." All diesen Situationen sind Kinder schutzlos ausgeliefert. Selbst nach einer Trennung, in deren Verlauf die Jüngsten von den Eltern "als Werkzeug eingesetzt" werden. Weil dem gewalttätigen Partner nach wie vor Umgang mit seinen Kindern zusteht, wird Druck auf die Ex-Partnerin ausgeübt. Hier sei der Gesetzgeber gefragt. Bisher setzt die Hilfe beim erwachsenen Opfer an.

Tatsächlich aber müsste auch die Situation der Kinder "viel genauer gesehen und beleuchtet werden", erklärt Schober. Die Kinder reagieren unterschiedlich, das zeigt die Ausstellung : Oft fühlen sich die Kinder verantwortlich für den Streit der Eltern. Vor allem Jungs reagieren aggressiv. Mädchen ziehen sich in sich selbst zurück. Reaktionen, die auch andere Ursachen haben können. Aber Erwachsene sollten auch an häusliche Gewalt denken und "aufmerksam werden, sobald ein Kind traurig ist oder sich auffällig verhält".

Die Ausstellung im Landratsamt, Weiherweg 16, ist noch zu sehen bis Montag, 28. November, während der Öffnungszeiten der Behörde . Werktags von 10 bis 11 Uhr und am Donnerstag auch von 15 bis 16 Uhr stehen Mitarbeiterinnen für Fragen bereit ansprechbar.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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