Heinz Eder aus Dachau wird 75:Kunst und Menschenwerk

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Heinz Eder ist nicht nur bekannt als Maler und Designer, er hat in seinem Leben auch viele Kinder ermutigt, sich die Welt mit ihrer Kreativität zu eigen zu machen. An diesem Donnerstag feiert der Dachauer Künstler seinen 75. Geburtstag

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wer Heinz Eder sagt, denkt möglicherweise als erstes an den bunten Hahn auf dem Dach der Bäckerei Denk in der Münchner Straße oder an den verschwundenen Engelsflügel an der Mauer des gleichfalls verschwundenen Cafés Teufelhart. Er erinnert sich an einen Pumuckl auf einer veritablen Dachauer Freilichtmalerei, geschaffen von "Meister Eder" höchstpersönlich, oder an eigenwillige, heiter bunte Möbel, die eigentlich zu schön sind, um darauf zu sitzen. Andere denken an Zeichnungen, die sich nicht immer auf den ersten Blick erschließen, aber von herausfordernder Tiefe sind. Wieder andere blicken zurück auf die Gruppe D, auf den "Kunst-Betrieb", Dachaus erste Galerie für zeitgenössische Kunst und lächeln erinnerungsselig beim Gedanken an das wunderbar heitere Kulturfest "Artecon" mit seinen langen Nächten. Unvergesslich sind Heinz Eders Künstlerfreundschaften mit seinen Kollegen in Oświęcim, als man im offiziellen Dachau ausschließlich von der Künstlerstadt und noch lange nicht vom Lernort sprach. Ebenso in Erinnerung bleibt Heinz Eders Engagement für die internationale Jugendbegegnung und das 1998 eröffnete Jugendgästehaus, das heutige Max-Mannheimer-Haus.

Doch etliche denken beim Namen Heinz Eder auch an den geborenen Alleinunterhalter und Charmeur, den Mittelpunkt etlicher legendärer Festivitäten in Dachauer Künstlerkreisen. Wieder andere erinnern sich ans Werden und Vergehen von Freundschaften, an den unermüdlichen, heute so gelassen wirkenden Helfer in vielen Lebenslagen. Vielen steht ein Tanz der Farben ganz anderer Art vor Augen, Kinder mit Behinderung, die schmetterlingsgleich umherflattern, die fröhlich wie ein Hahn krähen und denen Flügel gewachsen sind. Innere Flügel, die zu entfalten, Heinz Eder möglich gemacht hat.

Der Maler und Designer Heinz Eder. (Foto: Ton Heigl)

Am heutigen Donnerstag wird Heinz Eder 75 Jahre alt - und er hat noch längst nicht die Absicht, sich zur Ruhe zu setzen. Gerade arbeite er für seine im November geplante Ausstellung in der KVD, erzählt er im Telefonat mit der SZ Dachau. Dass seine große Geburtstagsfeier coronabedingt ausfallen muss, sieht er gelassen. Sein größter Wunsch: "Gesund bleiben und weiter das machen, was von Kind an mein Wunschberuf war." Schon als kleines Kind habe er immer nur zeichnen wollen, sagt der gebürtige Dachauer. "Meine Schulhefte waren mehr Gemälde als sonst was. Und die Noten..."

Aus dem zeichenbegeisterten Bub ist ein anerkannter, vielseitiger und engagierter Künstler geworden. Seine "Markenzeichen", die vorzugsweise grüne Wollmütze und ein gepflegter Bart, sind stadtbekannt. Seit mehr als fünfzig Jahren prägt Heinz Eder das Kunst- und Kulturleben der Stadt mit. Dabei war der Anfang keineswegs einfach. Sein Vater habe ihm verboten, einen künstlerischen Beruf zu erlernen, sagt Eder. Deshalb sei er technischer Zeichner geworden, "weil da das Wort Zeichner drin war". Aus dem technischen Zeichner wurde nach Ausbildung und Studium ein Konstrukteur, der sogar das Büro seines Chefs übernehmen sollte. Doch finanzielle Sicherheit hin oder her, die Kunst siegte. In Heinz Eders Stimme klingt immer noch die Begeisterung, die pure Freude mit, wenn er von seinen Anfangsjahren als freischaffender Künstler erzählt und geschickt Fragen nach Schwierigkeiten mit einer Anekdote ausweicht.

Heinz Eders Bilder sind originell und eigenwillig, dem Auge durchaus gefällig und von einer Farbkraft, die Lebenslust versprüht. (Foto: Ton Heigl)

Wie dieser, die so bezeichnend ist für einen Menschen, der bei jeder Begegnung so unglaublich optimistisch und gelassen erscheint: Er habe, erzählt Eder mit geradezu hörbarem Schmunzeln, nach einem halben Jahr die Kunstakademie verlassen und an einem Intensivkurs bei Peter Zeiler teilnehmen wollen, "weil Zeichnen und vor allem Aktzeichnen mein Traum war". Dafür habe er einige Arbeiten einreichen müssen und habe eine seiner Konstruktionszeichnungen beigefügt. "Da ist der Zeiler voll drauf abgefahren". Eine lebenslange künstlerische Verbindung nahm so ihren Anfang. Wie ging es weiter? Eine Ausstellung Münchner Künstler im Haus der Kunst - "da wurd' der Eder aus Dachau auch ausgestellt" - war so etwas wie der Durchbruch. Heinz Eder zeichnete und malte, experimentierte mit Kolorierungen und neuen Materialien, trieb die zeitgenössische Kunst - und die in den Achtziger- und zu Anfang der Neunzigerjahre kaum vorhandene Auseinandersetzung mit der Vergangenheit seiner Heimatstadt Dachau voran. Er war mit Rhythmusgitarre, Stimme und extravaganten Outfits viele Jahre Mitglied der immer noch angesagten Kultband The Botchers und bei den mindestens ebenso kultigen Dachauer Festen und Bällen unverzichtbar.

Heinz Eder sei ein experimentier- und risikofreudiger Mensch, einer mit Durchhaltevermögen, den auch Rückschläge eher vorantreiben als entmutigen, sagen seine Wegbegleiter. Er ist ein Mensch, der sich Neuem öffnet, neue Welten entdeckt, wie die der Kinder mit Behinderung. Viele Jahre lang hat er nach anfänglichem Zögern in Schulen für Menschen mit Handicap Kunstunterricht gegeben: in Altomünster, Dachau, Augsburg, Rosenheim, München. Er hat den Kindern Wege gezeigt, sich zu öffnen, ihre Kreativität zu entdecken, hat mit ihnen gemalt, geformt, getanzt und Theater gespielt. Er hat aus dem oft öden Kunstunterricht "Orte der Stärkung" gemacht, wie es das Lehrerteam der Dachauer Greta-Fischer-Schule einmal gesagt hat. Und er selbst? "Die Kinder haben mir die Farbe geschenkt", sagte er. Weshalb nun nicht nur ein bunter Hahn auf einem Bäckereidach steht, sondern Fassaden im fröhlichen Eder-Stil bemalt sind. Heinz Eder hat mit den Schülern des Ignaz-Taschner-Gymnasiums lebensgroße Masken aus Polyurethan-Schaum für deren Musical "Africa" geschaffen und für seinen Freund Klaus Münzenmaier das Kinderbuch "Beißinsbein und Taschenklau" illustriert.

Er hat aber auch die Medaille für den Dachau-Preis für Zivilcourage entworfen und die erste Alternativwährung der Großen Kreisstadt gestaltet, den Ampertaler. Er hat tatkräftig beim Umbau der alten Schule in Lauterbach mitgearbeitet - und ihr ein einladendes Farbkonzept gegeben. Für dieses vieldimensionale künstlerische und gesellschaftliche Engagement ist Heinz Eder mit Preisen überhäuft worden. Grund genug also, es etwas langsamer angehen zu lassen? "Nein", sagt Eder. "Ich gehe jeden Tag ins Atelier und arbeite. Da bin ich konsequent."

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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