Heimkehr:Heiterer Gottesdienst

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Roman Breitwieser hat seine ernsten Seiten. Als Seelsorger erzählt er aber auch gerne mal Witze. (Foto: Toni Heigl)

Roman Breitwieser ist nach 37 Jahren als Pfarrer in seinen Heimatort Karlsfeld zurück gekehrt. In Brasilien hat er gelernt, dass Lachen in die Kirche gehört. Fröhlichkeit will er auch den 3000 evangelischen Gläubigen der Korneliusgemeinde vermitteln

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Roman Breitwieser ist heimgekehrt. Vor 37 Jahren ist der Karlsfelder hinausgezogen, um die weite Welt kennen zu lernen, andere Länder und Lebensverhältnisse. Jetzt ist er als Pfarrer in seine Heimatgemeinde zurückgekommen. "Alles ist ganz anders als früher", sagt er und man hört ein Staunen in seiner Stimme. "Alles ist enger geworden, das Leben schneller, der Verkehr viel dichter, die Leute wohlhabender." Von denen die Breitwieser früher gut kannte, sind viele inzwischen weggezogen oder verstorben.

"Ich muss Karlsfeld wieder neu kennen lernen", sagt der 57-Jährige. Momentan hetzt er von Antrittsbesuch zu Kennenlerntreffen, begrüßt Senioren, spricht mit Eltern und freut sich an den Kindern. Zwischendurch stehen Beerdigungen und Taufen auf dem Programm, Finanzsitzungen und Konfirmandenunterricht. Das Telefon klingelt unentwegt. Auf Breitwieser wartet viel Arbeit. "Eigentlich mehr als einer allein schaffen kann", sagt er. 3000 Gläubige gehören der Korneliuskirche an. Seine vorherige Gemeinde in Hirschau im Landkreis Sulzbach-Rosenberg war mit gerade mal 800 Protestanten sehr viel kleiner, deshalb musste Breitwieser zusätzlich noch als Krankenhausseelsorger an der Klinik in Amberg arbeiten. 15 Jahre lang. Den Zeitungen dort zufolge war er sehr beliebt.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages wieder hierher komme", sagt der Geistliche. Zwar habe er schon länger damit geliebäugelt nach München wechseln zu können, doch das erwies sich als schwierig. Als die Pfarrstelle in Karlsfeld frei wurde, kamen einige Gemeindemitglieder, die Breitwieser von früher her kannte, auf ihn zu, in der Hoffnung, ihn für Karlsfeld zu gewinnen. Er überlegte nicht lange und sagte zu. So schnell, dass er seine Frau vorerst nur an den Wochenenden sehen kann. Denn sie ist Psychoonkologin und arbeitet noch in der Amberger Klinik.

Seine Aufgabe sieht Breitwieser vor allem darin, Heiterkeit, vielleicht auch etwas Leichtigkeit ins Leben der Karlsfelder zu bringen. Viele seien gestresst: Arbeit, Familie, Kinder. Ein Termin jagt den anderen. Da bleibe wenig Zeit für Muße. Schließlich muss jeden Monat die teure Miete bezahlt werden. Daran könne er nichts ändern, sagt der Pfarrer, der sich selbst erst einmal an die Betriebsamkeit gewöhnen muss. Denn in Hirschau war alles viel ruhiger, "entschleunigter". "Ich will aber, dass es fröhlich zugeht, auch im Gottesdienst", sagt er. Als junger Mann war er längere Zeit in Brasilien. Dort hat ihn am meisten beeindruckt, dass in der Kirche gelacht wird. "Das gehört dort dazu", sagt Breitwieser. Als er Südamerika verließ, hat der Geistliche mitsamt seiner Frau auch die fröhliche Stimmung mit nach Deutschland genommen. Und so gestaltet er noch heute seine Gottesdienste stets heiter mit Witzen und lustigen Anekdoten. "Ich will aber nicht nur der Spaßmacher sein", betont der Geistliche und wird sehr ernst.

Für ihn ist Heiterkeit Ausdruck des Glaubens. "Es heißt: frohe Botschaft. Und Advent ist die Zeit der Vorfreude. Im Mittelpunkt des Glaubens steht also die Freude", erklärt Breitwieser. Ihm ist schon klar, dass nicht jeder Grund hat zu lachen, dass es Trauer, Unglück und Krankheit gibt. "Aber Hoffnung heißt eben nicht unbedingt, dass etwas ein gutes Ende nimmt, sondern dass man in schwerer Zeit an der Freude festhält, um das Leben zu bewältigen, es gestalten zu können", sagt der Geistliche. Ein Jahr hat er in Brasilien auf einer Kinderkrebsstation gearbeitet. Dort hat er seine Frau kennen gelernt, aber auch jeden Tag das Elend gesehen. "Ich bin mit den kranken Kindern ans Meer gefahren, damit sie noch einmal den Wind spüren und das Meer rauschen hören können und nicht nur im Zimmer sitzen, wo es nach Medikamenten riecht. Ich habe mit ihnen Eis gegessen und ihnen Märchen erzählt", erinnert er sich. "Selbst wenn das Leben vom Tod überschattet ist, ist es wichtig ihm so viel Freude abzugewinnen wie möglich." Genau das will er auch den Leuten hier beibringen, mit ihnen erleben. Also erzählt Breitwieser den Senioren bei seinen Besuchen Geschichten und Witze, bringt sie zum Lachen und gibt ihnen die Zuwendung, die sie brauchen. "Ich zeige ihnen, dass sie wertvoll sind", sagt der Pfarrer. Das Problem in Deutschland sei nämlich, dass derjenige, der nicht mehr arbeiten kann, nichts mehr zählt und das empfinden viele als schmerzhaft.

Breitwieser ist begeistert, dass die Korneliusgemeinde "sehr lebendig" ist. Vier Chöre, mehrere Seniorenkreise, fünf Mutter-Kind-Gruppen, Jugendgruppen und eine Nachbarschaftshilfe. So viel ehrenamtliches Engagement ist außergewöhnlich, sagt er. Aber der Seelsorger weiß auch, dass vor allem die alte Generation in der Nachbarschaftshilfe tätig ist und dass es "wenig Nachwuchs" gibt. "Die Jüngeren sind so sehr zur Flexibilität gezwungen, dass sie nur wenig Zeit haben." Dennoch will er sich darum kümmern, Nachwuchs zu akquirieren. Breitwieser hat selbst drei Kinder. Sie studieren in Amsterdam, Rom und Bologna. Besonders stolz macht ihn, dass seine Tochter in seine Fußstapfen treten will. Sie hat sich der evangelischen Theologie verschrieben. "Das hat mich sehr überrascht", sagt er.

Wenn man sie auf ihr religiöses Elternhaus angesprochen habe, habe die Tochter gesagt: "Mein Vater hat uns nie in die Kirche gezwungen, aber wenn wir da waren, hat er sich immer gefreut." Vielleicht sei das Grund, weshalb der Glaube so übergesprungen ist, mutmaßt Breitwieser und betont sofort: "Das gilt übrigens auch für die Gemeinde."

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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