Hebertshausen:Wenn perfekte Integration chancenlos bleibt

Lesezeit: 2 min

Ein Senegalese lernt Deutsch, geht in die Schule und bekommt einen Ausbildungsplatz. Jetzt soll er zurück in seine Heimat

Von Anna-Sophia Lang, Hebertshausen

Es ist genau drei Jahre her, da begann Maku S. (Name geändert), sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Damals war er 19, ein junger Senegalese auf der Flucht vor Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit. Er stellte einen Asylantrag. 34 Monate später, im Februar 2016, kam der Bescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf): abgelehnt. Maku S., inzwischen 22 Jahre alt, sollte Deutschland verlassen. Innerhalb einer Woche.

Die Europäische Union stuft den Senegal als sicheres Herkunftsland ein. Senegalesen haben deshalb praktisch keine Chance auf Asyl in Europa. Aber Maku S. will nicht zurück. In der Koranschule, die er als Kind besuchte, wurde er von seinen Lehrern misshandelt. Er lief weg, bestritt seinen Lebensunterhalt fortan mit Betteln. Zeitweise lebte er auf der Straße. Auf der verzweifelten Suche nach Arbeit ging er nach Marokko. Über Italien gelangte er nach Deutschland. Die Vorzeichen hätten kaum schlechter sein können. Maku S. war praktisch noch ein Kind, er konnte kaum lesen und schreiben, seine Schulbildung war gering. Doch er war entschlossen, alles zu tun, um in Deutschland Anschluss zu finden. In der Hebertshausener Flüchtlingsunterkunft lernte er mit Unterstützung des Helferkreises Deutsch. Er wurde so gut, dass er bald einen Platz in einer der Integrationsklassen bekam, die von der Berufsschule in Dachau eingerichtet wurden. Nebenbei machte er Praktika. Eines gefiel ihm so gut, dass er sich für eine Ausbildung bewarb. Maku S. wollte Elektroinstallateur werden. Beim Test der Elektroinnung in München schnitt er hervorragend ab. "Sehr gute Mathekenntnisse", schrieb der Prüfer an den Rand des Testbogens. Als die Zusage für die Ausbildungsstelle kam, rückte Maku S.' Traum von einem Leben in Deutschland in greifbare Nähe. Dann verhängte das bayerische Innenministerium ein Beschäftigungsverbot für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten. Der Traum zerplatzte. Jetzt soll Maku S. Deutschland verlassen.

Was er drei Jahre lang geleistet hat, um sich zu integrieren, ist den Behörden egal. Deutsch zu lernen, in die Schule zu gehen und einen Ausbildungsplatz zu finden, reicht nicht. Auch, dass Maku S. unter Hepatitis B leidet und eine Augenerkrankung hat, spielt keine Rolle. Sein Gesundheitszustand ist zu gut, als dass er eine Abschiebung verhindern könnte. Was zählt, ist nur sein Herkunftsland. Maku S. ist daher kein Einzelfall. 206 Senegalesen leben zur Zeit im Landkreis Dachau, in Bayern wurden seit 2013 etwa 2500 Asylanträge von Senegalesen gestellt. Die Schutzquote lag im vergangenen Jahr bei null Prozent. "Aller Wahrscheinlichkeit nach werden alle im Landkreis einen negativen Bescheid bekommen", sagt Landratsamtssprecher Wolfgang Reichelt. Zuständig für die Asylverfahren ist zwar nicht das Landratsamt, sondern das Bamf. Umsetzen muss die Bescheide allerdings die Landkreisbehörde.

In Hebertshausen leben acht Senegalesen, die meisten haben bereits einen negativen Bescheid bekommen. Peter Barth vom Helferkreis betreut nicht nur sie, sondern auch Landsleute in Markt Indersdorf, Erdweg und anderen Gemeinden. Abschiebungsbescheide haben schon viele bekommen. Tatsächlich unter Zwang abgeschoben worden sei aber noch niemand, sagt Barth. Auch Maku S. ist noch da. Obwohl er nicht zurück will, muss er das Landratsamt bei der Beschaffung von Reisedokumenten unterstützen. Das Verfahren sieht vor, dass die Asylsuchenden ein Formular unterschreiben, das sie zur Mitwirkung verpflichtet. Tun sie das nicht, sind Sanktionen von Leistungskürzungen bis zu temporärer Haft vorgesehen. Ob ihr Heimatland sie allerdings überhaupt wieder aufnimmt, ist nicht einmal sicher. Zwischen Deutschland und dem Senegal gibt es kein Rückführungsabkommen.

Freiwillig, das glaubt Peter Barth fest, wird keiner zurückgehen. Daheim, sagt er, würde auf sie eine Mischung aus gesellschaftlicher Ächtung, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und politischer Repression warten. Deshalb hat Maku S. vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen seine Abschiebung eingereicht. Jeden Monat bezahlt er 50 Euro für einen Rechtsanwalt. Viel Geld für jemanden, der im Monat nur etwa 330 Euro bekommt. Die Hoffnung, dass er Erfolg haben wird, ist gering. Aber sie ist da. "Die Asylsuchenden klammern sich an jeden Grashalm", sagt Peter Barth.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: