Handwerker in Dachau:Die Wirtschaftskraft von nebenan

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Beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft betonen die Redner die Bedeutung des Mittelstands und warnen vor Fachkräftemangel und Bürokratie. Das Handwerk brauche wieder mehr Anerkennung

Von Petra Schafflik, Dachau

Das Handwerk mit seinen zahlreichen mittelständischen Betrieben prägt den Landkreis. Das zeigt sich jedes Jahr auch beim Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft, bei dem Vertreter von Politik, Wirtschaft und Schulen schon traditionell gemeinsam ins neue Jahr starten. Auch zur diesjährigen Veranstaltung, die nun zum Auftakt des Jahres 2020 bereits zum 20. Mal stattfand, begrüßte Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs im Sparkassensaal wieder 140 Gäste, ein starkes Zeichen, "dass das Handwerk in der Mitte der Gesellschaft steht", wie Gastredner Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), betonte. Auch Landrat Stefan Löwl (CSU) lobte das Handwerk, das große gesellschaftliche Verantwortung übernehme als "Basis für unser Leben hier." Und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) betonte, "das Handwerk ist wirklich die Wirtschaftskraft von nebenan, ist omnipräsent in unserem täglichen Leben".

Dabei präsentieren sich die Handwerksbetriebe wirtschaftlich aktuell "fit und in guter Verfassung", sagte Wollseifer, der aber mit Blick auf weltweite Krisenherde, Vorboten einer konjunkturellen Abschwächung, belastende Bürokratie und Fachkräftemangel auch deutlich Herausforderungen benannte. Um auch künftig junge Leute für das Handwerk zu begeistern, will Kreishandwerksmeister Dachs "nicht auf andere setzen, sondern selbst aktiv werden". Von den Handwerksunternehmen forderte er mehr Engagement. "Einen Praktikumsplatz oder eine Ausbildungsstelle anzubieten, damit ist es nicht getan."

Etwa 140 Gäste nahmen am Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft im Sparkassensaal teil. Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs rief die Betriebe dazu auf, dem Mangel an Fachkräften aktiv entgegenzuwirken. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Kreishandwerksmeister plädierte dafür, "den Blickwinkel zu ändern". Die Betriebe sollten den Mangel an Fachkräften aktiv angehen, "die Situation für uns gestalten". Künftige Fachkräfte sieht Dachs in den Kindern, gerade die Grundschulen legten deshalb eine wichtige Basis. Auch in den Mint-Campus, ein Schülerforschungszentrum in Dachau, in dem Mädchen und Buben ihre naturwissenschaftlichen Interessen und Talente entdecken können, sollten sich die Betriebe stärker einbringen. Grundsätzlich müsste in der Gesellschaft die handwerkliche, betriebliche Ausbildung wieder mehr anerkannt werden, so Dachs. Auch die Kreishandwerkerschaft leistet dafür einen Beitrag, an drei Jungmeister, die kürzlich erst ihren Meisterbrief erhalten haben, wurde ein von der Sparkasse finanziertes Bildungsstipendium überreicht.

Mehr Wertschätzung fürs Handwerk, das war auch ein zentrales Anliegen von ZDH-Präsident Wollseifer. Aktuell fehlten 250 000 Fachkräfte, jährlich könnten bis zu 20 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. An guten Angeboten vom Dualen Studium bis zu Programmen für schwächere Schulabsolventen mangle es nicht. In der Gesellschaft würden nicht nur Akademiker gebraucht. "Wir brauchen eine Bildungsumkehr, nicht nur Master, sondern auch Meister", fordert Wollseifer. Zumal im Mittelstand ein Generationswechsel anstehe, in den kommenden Jahren bundesweit 150 000 Betriebe an Nachfolger übergeben werden sollen. Deshalb gelte es in der Öffentlichkeit viel stärker zu vermitteln, "dass das Handwerk Perspektive bietet". Mit einem Meisterbrief könnten sich junge Leute früh selbständig machen und gutes Geld verdienen. Vor diesem Hintergrund lobte er die jüngst beschlossene Wiedereinführung der Meisterpflicht für zwölf Gewerke als "Anerkennung der Politik, was im Handwerk geleistet wird". Denn der Meisterbrief stehe für Qualität, Ausbildung und Verbraucherschutz.

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, fordert eine Bildungsumkehr. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Aber nicht nur der Mangel an Nachwuchs beschäftigt das Handwerk. Auch bei der Zukunftsherausforderung Klimaschutz sieht Wollseifer die ZDH-Mitgliedsunternehmen gefragt. Denn egal ob Fassadendämmung oder Smarthome - "das Handwerk ist der Umsetzer der Energiewende". Kritisch merkte der Gastredner aber an, in der aktuellen Debatte nicht jung gegen alt auszuspielen, "Klimaschutz ist kein Kampf der Generationen, das ist nur gemeinsam zu schaffen".

Wirtschaftlich blickt das Handwerk mit einem Wachstum von vier Prozent auf ein erfolgreiches Jahr 2019 zurück, die mittelständischen Betriebe hätten sich "als Motor und Stabilisator der Binnenkonjunktur" erwiesen. Damit das so bleibt, fordert der ZDH-Präsident dringend eine Entlastung des Handwerks. Nicht nur finanziell durch eine Abschaffung des Soli und eine Deckelung der Sozialabgaben. Sondern vor allem durch den Abbau der überbordenden Bürokratie, die auch Landrat Stefan Löwl (CSU) in seinem Grußwort kritisch beleuchtete. Löwl kritisierte die Wankelmütigkeit der öffentlichen Meinung, die sich nach Medienberichten zu überzogenem Dokumentationsaufwand rasch auf die Seite der kleinen Betriebe stelle, um dann im Sinne des Verbraucherschutzes gleich wieder mehr Kontrollen zu fordern. Tatsächlich fließe 40 Prozent der Arbeitszeit eines Unternehmers inzwischen in bürokratische Aufgaben, erklärte Wollseifer. Die Dokumentationspflichten seien "zum Verzweifeln". Bevor ein Bäcker auch nur ein Brot backe, gelte es 30 Vorschriften zu beachten. "Motivierend ist das nicht". In diesem Zusammenhang nannte der ZDH-Präsident die zu Jahresbeginn eingeführte Bonpflicht "einen Blödsinn". Denn manipulationssichere Registrierkassen seien bereits Vorschrift. Den Zwang zum Kassenbeleg nannte Wollseifer "eine Gängelei und ein Misstrauen gegenüber denjenigen, die das Land am Laufen halten."

© SZ vom 10.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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