Handwerk im Wandel:Der Druckprofessor

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Zehn historische Druckmaschinen stehen in der Werkstatt der Künstlervereinigung. Dieter Faustmann ist der einzige, der alle bedienen kann. (Foto: Toni Heigl)

Dieter Faustmann ist der Meister der alten Druckmaschinen in der KVD-Werkstatt. Sein Beruf gehört zu einer aussterbenden Zunft

Von Andreas Förster, Dachau

"Willkommen in unserem lebenden Museum", sagt Dieter Faustmann zur Begrüßung. Im Untergeschoss der Brunngartenstraße 5 riecht es nach Druckerschwärze, Farbe und Papier. Wer einmal in einer klassischen Druckerei war, kennt diesen Geruch. Faustmann hat sein halbes Leben mit dem Druck von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Plakaten verbracht. Als Meister der Buchdrucker-Kunst gehört er allerdings einer aussterbenden Zunft an. Die Digitalisierung hat das Handwerk längst getilgt. Wer den ehemals so typischen Geruch einer Druckerei in Dachau noch erleben will, der kommt an der KVD-Druckwerkstatt nicht vorbei. Zehn historische Druckmaschinen stehen hier und werden auch noch regelmäßig benutzt. Der 80-jährige Faustmann ist der einzige, der alle bedienen und notfalls auch reparieren kann.

Viele der Hoch-, Flach, Tief- und Siebdruckmaschinen sind älter als der Meister, aber alle funktionieren. Die vermutlich älteste, eine Tiegeldruckmaschine aus dem Jahr 1840, genannt "Tellertiegel", hat Faustmann eigenhändig hergerichtet. Aber sein Wissen stirbt aus. Mit ihm sind noch Fachleute anderer historischer Drucktechniken aktiv: Alfred Ullrich im Tiefdruck (Radierung), Martin Blütgen im Flachdruck (Lithografie) und Michael Braun im Siebdruck. Die Schriftsetzer und Typografen Richard Wallner und Bruno Schachtner haben es noch gelernt, wie zu Zeiten Gutenbergs den Satz mit Blei- und Holzbuchstaben zu gestalten. Gemeinsam seien sie dabei, sich nach Nachfolgern umzusehen, versichert Faustmann. Um auf sich aufmerksam zu machen, dienen unter anderem die Schnuppertage, an denen interessierte Schülern und Studenten teilnehmen. Für das Engagement hat man im Januar den Dachauer Jugendpreis erhalten. "Bei den Führungen und Schnuppertagen sind immer Jugendliche dabei, die von den Maschinen nicht mehr wegzubringen sind", sagt Faustmann, den viele den "Druckprofessor" nennen. Den Spitznamen bekam er einst beim Münchener Zeitungsverlag, weil er als Buchdruckermeister im Umgang mit der Vierfarb- rotation der filigranste Techniker war.

Faustmann hofft, dass eines Tages der Funke bei einem Jugendlichen so nachhaltig überspringt, dass er richtig Feuer fängt. Auch damit der historischen Bleisatz weiterhin Verwendung findet, der in antiken Setzkästen und Schubläden an einer Seite der Werkstatt verstaut und mit seltenen Blei- und Holzschriften, den beweglichen Lettern für die Schriftsatztechnik, bestückt ist. Die gibt es in dieser Form kaum mehr, für den Plakatdruck werden sie aber noch gerne verwendet.

Mittlerweile ist die Werkstatt in der Brunngartenstraße zu klein für weitere Geräte geworden. Man hofft auf einen Platz im geplanten Papiermuseum auf dem ehemaligen MD-Gelände. Den Grundstock der Sammlung hat Bruno Schachtner gelegt, zunächst in seiner Werkstatt in Oberbachern. 2006 half ihm der Bauhof der Stadt, die historischen Druckmaschinen in die KVD-Werkstatt im Keller des Gebäudes gegenüber von den Stadtwerken Dachau zu transportieren. Kurz danach kam auch Faustmann dazu. Ein Glücksgriff zu rechten Zeit, wie sich schnell herausstellen sollte.

Faustmann ist im Ruhrpott aufgewachsen. Durch seinen Beruf des Buchdruckers kam er 1960 nach München und schulte im Pressehaus des Münchner Merkur zunächst auf Zeitungs-Rotationsdruck und später auf Offsetdruck um. Nach der nächtlichen Arbeit an der Zeitungsrotation fuhr er zwei Jahre am Samstagmorgen mit seinem VW Käfer nach Augsburg, um sich am Polytechnikum auf die Meisterprüfung vorzubereiten, manchmal nach nur zwei Stunden Schlaf zwischen den Papierrollen im Keller des Pressehauses. Der Lohn war der Meisterbrief. Später wechselte Faustmann, der Nachtschichten überdrüssig, in eine Buch- und Kunstdruckerei nach Hadern. Für deren Erfolg setzte er sich bis zur Rente ein, die letzten Jahre als geschäftsführender Gesellschafter.

Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben schrieb er ein Buch über die Entwicklung des jahrhundertealten Buchdruckerhandwerks bis zu dessen Ende als Folge der Digitalisierung. Der Titel: "Ein Buchdrucker - 1953 bis 2003: Vom Gally-Tiegel mit Handanlage bis zur Vierfarben-MAN-Roland." Ein Vorzeichen auf das, was ihn erwarten würde. Nach seinem Umzug von München nach Dachau wurde er 2006 auf die damals noch im Aufbau befindliche Druckwerkstatt aufmerksam. Als Experte mit 50 Jahren Berufserfahrung nahm ihn die Druckwerkstatt der KDV Dachau gerne auf. Für Faustmann war es eine willkommenes Rückkehr zu seinen beruflichen Wurzeln. Zusammen mit Richard Wallner, der einige Jahre später hinzukam und seine Erfahrung als Schriftsetzer und Typograf mit einbrachte, ist er zu einer festen Größe in der Druckwerkstatt geworden.

Die nächste Offene Druckwerkstatt der KVD ist am Dienstag, 13. November 2018 ab 17 Uhr.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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