Haimhausen:Fiebrige Verhaltenheit

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Trompeter Peter Luscher beim Konzert in der Haimhausener Kulturkreiskneipe mit Matyas Gayer am Klavier, Matyas Hofecker am Bass und Xaver Hellmeier am Schlagzeug. (Foto: Toni Heigl)

Das Wiener Trio des Haimhausener Jazz-Schlagzeugers Xaver Hellmeier und ein faszinierender Rückgriff auf den Hard Bop

Von Wolfgang Eitler, Haimhausen

Ein Besucher in der Kulturkreiskneipe von Haimhausen hat am vergangenen Samstagabend ein T-Shirt mit der Aufschrift "Free the Jazz" getragen. Die drei jungen Musiker Matyas Gayer (Klavier), Matyas Hofecker (Bass) und Xaver Hellmeier (Schlagzeug) haben ihm musikalisch wunderbar Kontra gegeben. "Wir gehen straight ahead, altmodisch im Mainstream zurück zum Klang der fünfziger und sechziger Jahre", sagten die drei vor dem Konzert. Also kein Free Jazz.

Die Hard-Bop-Ballade "Peace" von Horace Silver legten sie wie einen Spaziergang nach einem Regen in einer Großstadt an, wenn sich in der Feuchtigkeit der Straßen und Wege die Silhouetten spiegeln. In ähnlicher Eleganz ließen sie Wayne Shorters "Black Night" oder Freddie Hubbards "Spring" aufscheinen. Ab und an hörte sich der Rhythmus nach einem verschleppten langsamen Walzer an, so dass sich die Stadt Wien als Szenerie aufdrängt. Allerdings war das europäische Zentrum von Hard Bop und Bebop die Stadt Paris, wie der wunderbare Film über das Leben des Saxofonisten Lester Young "Round Midnight" erzählt. Tatsächlich lebt das Trio um den Pianisten Matyas Gayer in Wien, weshalb die Frage zu klären ist, warum diese jungen Musiker im Alter von 23 und 24 Jahren überhaupt in der ländlichen Kulturkreiskneipe auftreten. Dazu noch an einem extrem schwülen Samstagabend.

Das junge Trio will zurück zur Musik der fünfziger Jahre, der "besten Periode des Jazz"

Die Antwort: Xaver Hellmeier stammt aus Haimhausen. Seine Familie lebt an dem Ort. Sein Vater ist Tierarzt und singt gemeinsam mit seiner Mutter im Chor der Kulturkreisvorsitzenden Marja-Leena Varpio. Bruder Felix ist ein sehr guter Trompeter, der sich der Pharmazie zugewandt hat. Schwester Nina spielt Querflöte und studiert Sozialarbeit. Alle drei gehörten früher zum Orchester, das zu den großen Aufführungen des Haimhausener Kulturkreises, beispielsweise bei der wunderbaren "Bairischen Rocky-Horror-Schau, beeindruckend aufspielte. Und alle drei sind mit der Haimhausener Dorfmusik musikalisch aufgewachsen. Dadurch ist der Altersdurchschnitt auf dem ausverkauften Konzert erheblich gedrückt worden.

Das Trio sucht gezielt die "Tradition", die "Roots", wie sie sagen, halt die für sie "beste Periode des Jazz". Musikgeschichtlich wäre jetzt eine Abhandlung über den Wandel hin zu Variationen des Jazz möglich, die allesamt aus dem Hard Bop resultieren, und zu Persönlichkeiten wie dem Pianisten Horace Silver, dem Schlagzeuger Art Blakey oder dem Trompeter Miles Davis. Schon bei den ersten Tönen wird klar, was die drei an der Musik der fünfziger Jahre so fasziniert: deren Intensität, die sich in einem formal klaren Gerüst entfaltet. Diese Gefühlswelt treiben sie im Laufe des Abends hinein in eine fiebrige Verhaltenheit, welche die Emotionen noch im Bann zu halten versteht. Für diesen Zustand ist vor allem Schlagzeuger Xaver Hellmeier zuständig, der diese "Coolness" rhythmisch verdichtet. Dazu braucht es die Fähigkeit zur Reduktion und den Mut zum Minimalismus. Das Trio beeindruckt durch eine Virtuosität, die darin liegt, dass es auf sie verzichtet.

Für diesen Abend in Haimhausen haben die drei jungen Musiker den Trompeter Peter Tuscher eingeladen. Die Biografie des 62-Jährigen ließe sich in Form einer Liste all der Namen erzählen, die zu den Großen des Jazz weltweit gehören. Tuscher hätte sich einen netten Abend mit drei jungen Leuten machen können. Er hätte sein Können und seine Erfahrungen in musikalischen Zitaten und Anekdoten als Star präsentieren können. Stattdessen tauchte er ein in die junge alte Gefühlswelt seiner Mitspieler und präsentierte sie als "wunderbare Könner". Die drei haben schon ziemlich viele Preise bei europäischen Solisten-Wettbewerben gewonnen. Am Sonntag nach fünf Konzerten in einer Woche in Augsburg, München und Haimhausen sind sie ins Studio zu ersten Plattenaufnahmen gegangen.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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