Unter Karlsfelder Hausbesitzern geht die Angst um. 2010 und 2015 waren viele Keller voll Wasser gelaufen. Für die Betroffenen war das eine Katastrophe. "Künftig könnte das jedes Jahr drohen", fürchtet nun Jakob Stärk. Er wohnt im Kerngebiet der Gemeinde in einem Haus aus den 1950er-Jahren. Durch Zufall habe er erfahren, dass die MAN Truck & Bus AG künftig doppelt so viel Grundwasser aus dem Boden entnehmen will, um ihre Gebäude und das Rechenzentrum kühlen zu können. Das Unternehmen hatte bereits 2016 einen entsprechenden Antrag bei der Stadt München gestellt, das geht aus einem Bescheid hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Darin erlaubt die Stadt dem Unternehmen knapp zehn Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr zu entnehmen und dies später wieder über Schluckbrunnen in das Grundwasser einzuleiten. Dabei darf das zurückfließende Wasser zwar wärmer sein, aber nie mehr als 20 Grad haben.
Stärk und einige andere Karlsfelder sind alarmiert. MAN hat zwar schon immer Grundwasser entnommen und wieder eingespeist, aber eben nicht in diesen Mengen. Durch die Rückführung von bis zu 78 900 Kubikmeter Wasser pro Tag fürchten gerade diejenigen, die ältere Häuser haben, eine weitere Erhöhung des Grundwasserspiegels. Da Karlsfeld Moorgebiet ist und deshalb der Grundwasserspiegel ohnehin sehr hoch ist, auch wenn er natürlichen Schwankungen unterliegt, haben die Leute nun Angst, dass durch die Erlaubnis der Stadt München "bei jedem Starkregen, der länger anhält, wie zum Beispiel der vor 14 Tagen", die Keller überflutet werden, so Stärk. In dem 25-seitigen Bescheid der Stadt heißt es: "Das Vorhaben wirkt sich durch Anhebung des Grundwasserspiegels im Worst-Case-Szenario (Modellmonat Juni) im Bereich Karlsfeld in der Größenordnung von 0,5 bis 0,1 Meter aus, im Bereich der Zehnzentimetererhöhung befinden sich der Eichinger Weiher und der Beginn des Krebsbaches." "Das ist eine Katastrophe", betont Stärk. Die meisten in der Gemeinde wüssten gar nichts davon, denn die Stadt habe offenbar nur elf Hauseigentümer aus Karlsfeld und vier Betriebe von der Genehmigung des MAN-Antrags in Kenntnis gesetzt, empört sich Stärk. Nur diejenigen, die eine Wärmepumpe beziehungsweise eine Kälteanlage haben, gelten als Betroffene.
Am meisten empört er sich darüber, dass die Gemeinde Karlsfeld und das Landratsamt Dachau die Sache genehmigt hätten, obwohl die Behörden doch die Grundwasserprobleme kennen. Das habe ihm die Stadt München versichert. Bürgermeister Stefan Kolbe sagte am Dienstag auf Nachfrage der SZ, er werde die Sache prüfen. "Wenn eine Beeinträchtigung für die Gemeinde besteht, werden wir uns Gedanken machen", sagte er.
Rechtliche Schritte gegen die Genehmigung einzuleiten, betrachtet Stärk als aussichtslos: "Da kann ich meine Immobilie auch gleich verkaufen", sagt er. Ein Anwalt habe ihm bereits erklärt, dass er ein Gegengutachten in Auftrag geben müsse. Doch das ist sehr teuer. "Gegen MAN kann man nicht anstinken." Doch Stärk und einige andere haben sich bereits gerüstet: Sie wollen demnächst Unterschriften gegen die Genehmigung sammeln. Damit hoffen sie, die Gemeinde dazu zu bringen, dass sie ihr Placet wieder zurückzieht. Im Bescheid gibt es nämlich einen Passus, dass die Erlaubnis für die Grundwasserentnahme bis zum 31. Dezember 2031 erteilt ist, "ein vorzeitiger Widerruf" ist "jederzeit möglich".
Für die MAN Truck & Bus AG ist die Entnahme des Grundwassers indes ein Meilenstein zum umweltfreundlichen Unternehmen: "Sie ist Teil unseres Klimaprogramms Green Production", erklärt Firmensprecher Manuel Hiermeyer. Das Wasser werde zur Kühlung von Produktionsanlagen und Gebäuden verwendet. In den vergangenen Jahren habe man überall Kühldecken eingezogen und so die stromfressenden Klimaanlagen unnötig gemacht. So spare man viel Kohlendioxid ein. MAN habe dafür sogar einen Preis bekommen. Es ist ein "Vorzeigeprodukt", sagt Hiermeyer. Die erlaubten knapp zehn Millionen Kubikmeter Grundwasser brauche man nicht. Dass der Grundwasserspiegel womöglich ansteigen könnte, ist ihm unbekannt.