Grundsätze der Dachauer Baulandentwicklung:Wer abschöpft, soll auch abgeben

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Großinvestoren, die mit neuen Wohngebieten viel Geld verdienen, müssen sich an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen. Von der Regelung sollen alle Dachauer Bürger profitieren

Von Thomas Hürner, Dachau

Nein, diese Idee gehe sicher nicht auf das kommunistische Manifest zurück, sagt Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), auch mit Sozialismus oder Planwirtschaft habe das nichts zu tun. Es gehe vielmehr um das Recht der Menschen auf bezahlbaren Wohnraum und um einen Punkt, der in der bayerischen Verfassung sinngemäß so niedergeschrieben wurde: Von Kapitalmehrungen ohne eigenes Zutun muss auch die Allgemeinheit profitieren.

Für dieses lautere Ziel wurden die Dachauer Grundsätze der Baulandentwicklung geschaffen. Die Stadt erhofft sich von diesen mehr Gerechtigkeit auf einem Markt, der den Lebensrealitäten der Menschen längst entglitten ist. Es geht aber auch darum, zumindest mit einem Teil der Herausforderungen fertig zu werden, die der Bevölkerungszuwachs im Großraum München noch mit sich bringen wird - und dieser ist im Landkreis Dachau besonders massiv: Das Bayerische Landesamt für Statistik prognostiziert bis ins Jahr 2036 eine Einwohnerzahl von rund 174 000 Menschen - das entspricht einem Zuwachs von 15,5 Prozent im Vergleich zu 2016. Der Landkreis Dachau liegt bayern- und damit vermutlich auch bundesweit auf dem ersten Platz.

Doch wo Menschen zuziehen, wird nicht nur mehr Wohnraum benötigt, sondern auch technische und soziale Infrastruktur - also beispielsweise zusätzliche Straßen, Buslinien, Einrichtungen für Kinderbetreuung und Schulen. Hier setzt die sogenannte sozialgerechte Bodennutzung an, ein Bestandteil der Dachauer Grundsätze: Grundstückseigentümer und Investoren, deren Grundstücke durch die Baulandentwicklung eine Wertsteigerung erhalten, müssen sich am Allgemeinwohl beteiligen. Zur Anwendung kommt die Regelung aber erst ab 500 Quadratmetern neu geschaffener Geschossfläche für Wohnnutzung, etwa beim Großbauprojekt auf dem Gelände der ehemaligen MD-Papierfabrik. Nicht der "normale Häuslebauer" ist also betroffen, erklärt Oberbürgermeister Hartmann: "Diese Regelung betrifft ausschließlich Großinvestoren." Diese müssen sich dann mit einem pauschal festgelegten Betrag an sogenannten Folgelasten beteiligen, also der notwendigen Errichtung neuer Infrastruktur. Der Pauschalbetrag wird an Kostenveränderungen angepasst und liegt derzeit bei 78,73 Euro pro Quadratmeter. "Der Pauschalbetrag war mir ein Anliegen", sagt Bauamtsleiter Michael Simon, der die Dachauer Grundsätze mitentwickelt hat. "So gilt für alle das gleiche, und man muss nicht in jedem Einzelfall streiten." Diese neue, seit diesem Jahr gültige Regelung werde bislang auch "ohne Probleme" von den Investoren akzeptiert. Und: "Natürlich wird das auch bei kommunalen Bauprojekten angewendet. Gleichbehandlung ist eine absolute Notwendigkeit bei solchen Regelungen."

Die Entwicklung der Dachauer Grundsätze war ein langwieriges juristisches Prozedere. Es musste sowohl deutsches als auch europäisches Recht beachtet werden. Mathias Reitberger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus München, stand der Kommune beratend zur Seite und erkennt in dem Modell zwar "ein gerechtes Instrument zur Verteilung des steigenden Bodenwerts". Es erfasse aber "eigentlich nur die halbe Wahrheit". Reitberger meint damit: Investoren müssen sich zwar an der Errichtung von Infrastruktur beteiligen, allerdings nicht an deren laufenden Kosten. Für den Unterhalt eines Kindergartens oder einer Straßenkreuzung muss also auch weiterhin komplett die Kommune aufkommen. "Es wäre zwar fair, die Investoren auch dort in die Pflicht zu nehmen", sagt Reitberger, "das ist rechtlich aber nicht möglich." Immerhin sei aber nicht zu befürchten, dass durch die Regelung die anziehende Baukonjunktur erlahmt. "Die Steigerung des Bodenwerts wird weiter massiv voranschreiten", sagt Reiter, "da bleibt also genug Geld übrig."

Dass die höheren Kosten für Investoren trotzdem auf die Bürger umgewälzt werden, könne man "zwar nie komplett ausschließen", sagt Oberbürgermeister Hartmann. Dennoch ist er optimistisch, dass die Allgemeinheit von der neuen Regelung profitieren wird. Der Preis für Wohnraum entstehe in der Praxis nämlich "nicht durch Kosten", sagt Hartmann, sondern vielmehr über die Frage: "Was gibt der Markt eigentlich her?" Dieser sei im Großraum München zwar ausgeufert, "weil es immer noch Leute gibt, die diese Preise bezahlen." Als Kommune könne man aber nicht mehr machen, als dieser Entwicklung entgegenzusteuern, etwa mit dem sogenannten Dachauer Modell zur Wohnraumförderung, einem weiteren Bestandteil der städtischen Wohninitiative. Es soll für zehn Prozent der neu geschaffenen Wohnbauflächen zur Anwendung kommen und all jene unterstützen, die vom Eigenheim träumen. Anhand eines Punktesystems wird festgelegt, wer dafür bevorzugt in Frage kommt. Relevant sind unter anderem Kriterien wie die Anzahl der Kinder im Haushalt, die Einkommensklasse oder die bestehende Dauer des Hauptwohnsitzes in Dachau. Um Spekulantentum mit dem Wohnraum zu verhindern, müssen sich die Begünstigten verpflichten, für mindestens 15 Jahre in der geförderten Wohnung zu leben. Zahlen müssen sie nur 80 Prozent des durchschnittlichen Verkaufspreises für neu geschaffene Eigentumswohnungen in Dachau. "Unsere Möglichkeiten sind beschränkt, wir wollen aber Abhilfe schaffen, wo es geht", sagt Hartmann, der mehr Unterstützung von Bundes- und Landesregierung fordert: "Alleine werden wir Kommunen dieses Problem nämlich nicht in den Griff bekommen."

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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