Greta-Fischer-Schule :Abschied mit einem guten Gefühl

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Gabriele Oswald-Kammerer (li.) und Konrektorin Irmgard Wilfurth verabschieden sich in Etappen von der Greta-Fischer-Schule. (Foto: Toni Heigl)

Die Greta-Fischer Schule entlässt Gabriele Oswald-Kammerer und Irmgard Wilfurth feierlich in den Ruhestand. 28 Jahre lang engagieren sich die zwei leitenden Sonderpädagoginnen mit viel Herzblut und Empathie für ein Klima der Wertschätzung und des Miteinanders

Von Petra Schafflik, Dachau

Ehrlichkeit, Geduld, Hilfsbereitschaft, Humor, Mut, Toleranz - in knallbunten Farben prangen diese Worte an der Schulhauswand der Dachauer Greta-Fischer-Schule. Dieses Graffiti ist das Ergebnis eines Kunst-Projekts, das sich aus einer ganz normalen Schulstunde entwickelt hat und bei dem am Ende alle 300 Schüler demokratisch die wichtigsten Schlüsselbegriffe ihrer Werte-Gemeinschaft ausgewählt haben, bevor sie an die Hausmauer gesprüht wurden. Nur ein Projekt von vielen, die das besondere Selbstverständnis dieser Schule deutlich machen, die Schulleiterin Gabriele Oswald-Kammerer und Konrektorin Irmgard Wilfurth jetzt in den Ruhestand verlassen. Mit viel Engagement und Herzblut haben beide Sonderpädagoginnen in den vergangenen 28 Jahren daran gearbeitet, ein Klima der Wertschätzung und des Miteinanders zu schaffen und zu stärken, das Schülern Raum gibt für Mitverantwortung und Mitgestaltung. Beide gehen jetzt "mit einem guten Gefühl" wie Oswald-Kammerer betont. "Wir haben vieles anstoßen und begleiten können, was wir nun gut übergeben, damit es auch weitergegeben werden kann." Eine Bilanz, die Wilfurth nur unterstreichen kann. "Jetzt fahren wir die Ernte ein, das ist ein schönes Glücksgefühl." Oswald-Kammerers Nachfolgerin wird Viktoria Spitzauer.

Vieles hat sich verändert seit 1991, als beide Sonderpädagoginnen ihren Dienst im Landkreis angetreten haben. Wo heute im Gebäude an der Dr.-Engert-Straße 300 Schüler unter einem Dach lernen, gab es damals eine kleine Sprachheilschule in Niederroth und eine Schule für Lernbehinderte mit Standorten in Mitterndorf und Karlsfeld. Von Lernbehinderung spricht längst niemand mehr, allein der Wandel der Begrifflichkeiten zeige, "dass die Gesellschaft sensibler geworden ist", betont Wilfurth. Auch nach dem Umzug ins gemeinsame Schulgebäude am Rand der Thoma-Wiese arbeiteten zunächst beide Schulen autark nebeneinander, bevor sie auch organisatorisch zusammengefasst wurden im sonderpädagogischen Förderzentrum. Der offizielle Schulname ein sperriger, bürokratischer Begriff, die Abkürzung SFZ machte es nicht besser, "die Schule brauchte einen Namen", sagt Wilfurth, die dann zufällig aufmerksam wurde auf Leben und Werk von Gerta Fischer. In der Pädagogin jüdischer Herkunft, die ab 1949 in Markt Indersdorf Waisenkindern den Weg in ein selbstbestimmtes Leben ebnete, war die Namensgeberin gefunden. Mit ihrer Pädagogik auf der Basis der Traumatherapie von Anna Freud "war Greta Fischer ihrer Zeit weit voraus und uns damit immer ein Vorbild.", betont Oswald-Kammerer.

Leben und Wirken von Greta Fischer erzeugten an der Schule eine starke Identifikation und lösten eine Wertedebatte aus. Wollen wir die Kinder vorbereiten auf eine Ellbogengesellschaft? Oder zählen nicht viel mehr Empathie, soziales Miteinander? Ein Wir-Gefühl sei entstanden, das alle Schüler zum Mitreden und zu Mitverantwortung motivierte. Sukzessive sei offenbar geworden, wie wichtig auch für die Schüler die Namensgeberin ist. "Die Kinder sehen Greta Fischer als Vorbild, etwa im Umgang mit den Kleinen."

Als Sonderpädagogisches Förderzentrum hat die Schule in den vergangenen Jahren den Prozess der Inklusion im Landkreis und den damit einhergehenden Wandel in der Schullandschaft maßgeblich begleitet. Anfangs habe es die Leitidee gegeben, alle Kinder mit durchschnittlicher Intelligenz unabhängig von etwa Verhaltensstörungen regulär einzuschulen. "Der Schuss ging nach hinten los", die Regelschulen waren auf diese Aufgabe nicht vorbereitet. Dennoch besuchen inzwischen weniger Kinder bereits in der ersten Klasse die Greta-Fischer-Schule, allerdings kämen ab der zweiten Jahrgangsstufe "viele Quereinsteiger dann frustriert zurück."

Kritik an den Grundschulen sei definitiv nicht angebracht, betonen die Sonderpädagoginnen. Wenn Lehrkräfte 28 Mädchen und Buben unterrichten, darunter hochbegabte Kinder neben Mitschülern mit Lernbehinderung und deren Schulbegleiter, dabei ehrgeizige Eltern mit Blick aufs Übertrittszeugnis im Nacken, dann könne das nicht reibungslos funktionieren. Umso glücklicher sind Kammerer und Wilfurth, dass es nun kurz vor ihrem Abschied gelungen ist, ein innovatives Konzept der Weiterbildung hier im Landkreis auf die Beine zu stellen. Spezialisierte Sonderpädagogen der Greta-Fischer-Schule haben ein Kurskonzept erarbeitet, als erste absolvierten diese Fortbildung bereits Lehrer der Grundschule-Ost, die das Schulprofil Inklusion anbietet. Die Resonanz sei positiv, die Pädagogen berichteten "von einem ganz anderen Schulklima." Nun sollen sukzessive alle Lehrkräfte, die an Grund- und Mittelschulen Kinder mit Förderbedarf betreuen, diesen Kurs durchlaufen. Das Schulamt mit Leiter Albert Sikora und Schulrätin Claudia Bauer unterstütze aktiv, die Pädagogen der Regelschulen werden für die Schulung freigestellt, die Kosten übernommen. Der gesamte Landkreis soll profitieren. "Glückhaft", nennt Wilfurth das enge Zusammenwirken von Behörde, Sonderpädagogen und Regelschullehrern, zum Wohl der Kinder. Auch dieses frisch auf den Weg gebrachte Projekt ist nun für Oswald-Kammerer und Wilfurth ein Grund, sich mit einem guten Gefühl von "ihrer Schule" zu verabschieden.

Der offiziellen Verabschiedung am vergangenen Montag, folgen noch viele persönliche Abschiede von Mädchen und Buben, die kleine Bastelarbeiten vorbeibringen oder vor Aufregung halb zerdrückte Blumen überreichen. Groß ist auch die Vorfreude auf die "School-is-out-Party" des Lehrerkollegiums am Donnerstag. "Da werden wir bestimmt noch einmal richtig durch den Kakao gezogen", lachen beide.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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