Glücksspiel in Dachau:Wie gewonnen - so zerronnen

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Glücksspiele werden bei Jugendlichen immer beliebter. Die Gefahr dahinter ist den meisten unbekannt - ein ehemaliger Spielsüchtiger warnt nun in Dachau davor.

Petra Schafflik

"Mein Auto, mein Bungalow, meine Yacht." Wie im bekannten TV-Werbespot präsentiert Klaus Schmidt den Luxus, den er sich als frischgebackener Millionär geleistet hat. "Wow, eine Viper" raunt es im jungen Publikum beim Anblick des roten Sportflitzers. Zwei Jahre später war Schmidt pleite, "fünf Millionen Mark verzockt". Die Aufklärung über die Gefahren des Glücksspiels hat sich der 61-Jährige jetzt zur Aufgabe gemacht.

Gerade bei Jugendlichen wird Pokern immer beliebter. (Foto: AP)

Am Mittwoch traf er im Jugendzentrum Ost (JUZ) auf ein interessiertes und erstaunlich informiertes Publikum. Dass bereits Jugendliche um Geld spielen, wissen die Sozialarbeiter im JUZ nur zu genau. "Ein massives Problem", sagt Katharina Seybold vom JUZ-Team, das den Themenabend Spielsucht organisiert hat. In der Schule sei er ein schlechter Schüler gewesen, erzählt Schmidt den gut 20 Jugendlichen, die am Mittwoch ins JUZ gekommen sind. "Kein Bock, das kennt ihr ja vielleicht." Trotzdem bringt er es über eine Geschäftsidee zu Reichtum, fünf Millionen erlöst er Ende der 1990er Jahre mit dem Verkauf seiner Firmenanteile.

Dann der Absturz: Mit Roulette, aus Langeweile begonnen, "kann ich nicht mehr aufhören". Nach zwei Jahren ist er pleite, seine Familie hat ihn da schon längst verlassen. Mit dieser Lebensgeschichte, die er auch in einer Autobiografie erzählt hat, ist Schmidt schon in vielen TV-Talk-Sendungen zu Gast gewesen. Mit jungen Leuten, wie sie jetzt im Jugendzentrum vor ihm sitzen, hat er aber wenig Erfahrung. Sein ehrlicher, hanseatisch trockener Ton lässt die Jugendlichen in Dachau staunen, weckt ihr Interesse.

"Frauen sind klüger, Spielen ist ein Problem von Männern", sagt Schmidt. Doch Mädchen holen auf, weiß Daniel Ensslen, der als Spielsuchtexperte der Münchner Aktion Jugendschutz mit dabei ist beim Themenabend. Das bestätigt eine junge Frau unter den Zuhörern. Sie spielt an Automaten. "Ich verliere, was ich gewinne und meinen Einsatz dazu", erzählt sie freimütig. "Das geht übel aus - bei fast allen", warnt Schmidt. Der Weg in die Spielsucht könne schon mit einer geselligen Pokerrunde im Freundeskreis beginnen, sobald um Geld gespielt wird. Denn einige könnten nicht mehr aufhören mit dem Spiel, sagt Schmidt, der Spielsucht als Krankheit definiert. Ob man zur Risikogruppe gehöre, "weiß man erst, wenn es zu spät ist".

Fast alle jungen Zuhörer haben Erfahrung mit Glücksspielen. Schmidt atmet auf, wenn in Familien "einmal im Jahr Lotto gespielt wird, einfach aus Spaß, denn man gewinnt ja doch nichts", wie ein Junge erzählt. Aber alle pokern. Die einen zum Spaß mit Freunden, die anderen auch um Geld oder im Internet. "Gruppenzwang", sagt ein Jugendlicher. Und viele der Jungs, die alle längst nicht volljährig sind, haben Spielautomaten ausprobiert. Gemeinsam mit Älteren, aber Glücksspiel ist für unter 18-Jährige verboten. Das wissen sie. Sie wissen aber auch, wie sich der eine oder andere mit einem falschen Ausweis Zutritt zu Spielhallen verschafft. Schmidt rät allen, die um Geld spielen, sich den Pädagogen im JUZ anzuvertrauen. Denn allzu schnell sei man abgestürzt, sei es zu spät. Und ohne Unterstützung, das weiß der ehemals Spielsüchtige nur zu genau, "schafft man den Weg heraus nicht".

© SZ vom 08.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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