"Girls Day":Technikbegeisterung wecken

"Girls Day": Die neunjährige Viktoria bearbeitet an der Drechselmaschine in der Holzwerkstatt ein Stück Lindenholz, sie möchte eine Figur herstellen für ihre Oma. Handwerken sei ihr Lieblingsfach, sagt sie.

Die neunjährige Viktoria bearbeitet an der Drechselmaschine in der Holzwerkstatt ein Stück Lindenholz, sie möchte eine Figur herstellen für ihre Oma. Handwerken sei ihr Lieblingsfach, sagt sie.

(Foto: Toni Heigl)

Am Mint-Campus Dachau können Kinder und Jugendliche Handwerken und Programmieren lernen. Bisher nehmen allerdings nur 33 Prozent Mädchen teil. Der Berufsorientierungstag "Girls Day" soll das ändern. Die Schülerinnen sind begeistert von dem Angebot

Von Jana Rick, Dachau

"Die Playmobilbox mit den Rittern bleibt heute zu", sagt Eva Rehm. "Da sind ja nur männliche Figuren drin!", sagt die Projektleiterin am Mint-Campus in Dachau und lacht. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Zum bundesweiten Berufsorientierungstag "Girls Day" öffnete das Schülerforschungslabor am Donnerstag nur für Mädchen - die waren begeistert.

Die elfjährige Amelie sitzt mit ihren drei Freundinnen aus Altomünster an einem Laptop und versucht, einen Calliope-Mini zu programmieren, das ist ein kleiner Einplantinen-Computer. "Wir haben's geschafft!", ruft Amelie plötzlich, als ein grelles Licht an der Plantine zu leuchten beginnt. Die Mädchen strahlen und zücken ihre Handys, um ihr Ergebnis zu dokumentieren. "Das sind Erfolgserlebnisse", sagt Joachim Kesting, stellvertretender Projektleiter am Mint. Er trägt wie alle ehrenamtlichen Helfer ein selbst programmierbares Namensschild. Der 69-Jährige freut sich über die begeisterten Mädchen, die Idee hinter dem Aktionstag scheint aufzugehen. Bei Mädchen Interesse für Handwerk, Informatik, Wissenschaft und Technik wecken, das will das Mint-Team erreichen. Deswegen nehmen erstmals am Girls Day teil. Die Idee kam Rehm, als sie die Anmeldungen für das Jahr 2018 zusammenstellte. Bis 2017 waren nur 18 Prozent der angemeldeten Kinder und Jugendlichen Mädchen, vergangenes Jahr stieg die Mädchenquote auf 33 Prozent. "Das freut uns sehr, und wir wollen die Zahl noch übertreffen", sagt Rehm.

Ein Blick auf die etwa 20 Mädchen in den Kursräumen zeigt, dass dieses Ziel nicht unrealistisch ist. Mit leuchtenden Augen helfen zwei jüngere Mädchen einem ehrenamtlichen Mitarbeiter am 3D-Drucker, der ohne Pause in Betrieb ist. Die Mädchen bestimmen die Motive selbst und so entstehen mehr als 20 rote Herzohrringe aus Plastik.

In der Holzwerkstatt sitzt die neunjährige Viktoria an einer kindersicheren Drechselmaschine und bearbeitet ein rundes Stück Lindenholz. Konzentriert fräst sie runde Kerben, Marita Albrecht gibt Tipps. Die 70-Jährige hilft seit zwei Jahren in der Holzwerkstatt aus und bringt Schulklassen das Drechseln bei. "Mädchen sind hier meistens etwas ängstlicher, weil die Maschine ja auch recht laut ist. Dafür sind sie oft konzentrierter als Jungs", hat Albrecht beobachtet. Die Konzentration sieht man auch Viktoria an. Stolz erzählt sie, dass sie eine Figur für ihre Oma anfertige und dass ihr Lieblingsfach in der Schule "Handwerken" sei. "Da bin ich auch richtig gut." Mit ihrer Freundin Antonia kommt sie jeden zweiten Montag zum "Calliope-Club" in den Campus, öfter auch am Wochenende. "Weil es hier einfach toll ist", sagt Antonia. Ihr Blick richtet sich auf ein Lego-Rennauto, das gerade von einem anderen Mädchen auf der Teststrecke Probe gefahren wird. Das Auto wird dabei von einem Tablet gesteuert. "Das Teil ist nicht richtig verbunden!", ruft Antonia warnend und deutet auf ein graues Legoteil. Die 15-jährige Julia kommt den beiden zur Hilfe, sie ist Juniortrainerin am Campus und erklärt den Mädchen langsam und verständlich, wie eine Zahnradübersetzung funktioniert. Oder was der Unterschied zwischen dem Schwerpunkt und dem Drehpunkt eines Kreisels ist. "Es ist schön, sein Wissen weiterzugeben", sagt Julia. Sie habe schon einige Male erlebt, dass Mütter ihre Söhne im Mint Campus abgeben und zu ihren Töchtern sagen, das sei nichts für sie. "Das finde ich immer sehr schade", sagt Julia. Die Mädchen sollten wenigstens die Chance bekommen auszuprobieren, ob Technik ihnen wirklich keinen Spaß macht. Antonia sagt: "Heute können wir Mädchen mal alles ausprobieren, ohne dass die Jungs was sagen."

Juniortrainerin Julia gibt zu, dass auch sie Unterschiede zwischen den Arbeitsweisen von Mädchen und Jungen erkenne. Jungs würden beispielsweise beim Bauen sagen: "Boah das sind coole große Reifen", Mädchen würden dann einwerfen: "Aber bringen die uns was?" Julia muss selbst über das Beispiel lachen. Sie freut sich über jedes technikbegeisterte Kind. Und wer kann jetzt besser mit Technik umgehen? Mädchen oder Jungs? Antonia setzt den Kreisel noch einmal in die programmierte Maschine, dreht ihn an und sagt mit ernster Stimme: "Das liegt ganz daran, ob man es kann. Und was einem Spaß macht, das macht man gut."

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