Kultur:Das Gesicht der Stadt

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Nach drei Jahren hat Dachau wieder den Gestaltungspreis verliehen: Ausgerechnet für das Mietshaus auf dem Grund der ehemaligen Flaschenabfüllerei. Eines der am heftigsten umstrittenen Bauvorhaben in Dachaus jüngster Geschichte findet damit ein versöhnliches Ende

Von Thomas Altvater, Dachau

Der Giebel steigt an der einen Seite stark an, fällt dann ein wenig ab und steigt erneut. Darunter sind mehrere Balkone und unterschiedlich große Fenster in die Hausfassade eingelassen. Die bunt und kleinteilig gestaltete Fassade des Gebäudes auf dem Gelände der ehemaligen Flaschenabfüllerei am Dachauer Schlossberg erzählen eine eigene Version der bewegten Geschichte des Neubaus. Es war ein jahrelanges Auf und Ab, ein sehr kleinteiliger Bauprozess: Lange stritten sich Bürger und Stadt um das, was auf dem historischen Gelände gebaut werden sollte. Nun will die Stadt das Kapitel mit einem schönen Ende abschließen und zeichnete den Neubau mit dem Gestaltungspreis aus. Insgesamt drei Gebäude, darunter zwei Einfamilienhäuser, erhielten den mit jeweils 1000 Euro dotierten Preis, der nun im Alten Sitzungssaal des Rathauses verliehen wurde.

Unter den Gewinnern: Der Archichtekt des Mehrfamilienhauses auf dem Gelände der ehemaligen Flaschenabfüllerei. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Knapp 20 Jahre dauerten die Planungen an. Nach Rechtsstreitigkeiten, Diskussionen um den Denkmalschutz, einer Bürgerinitiative und einem Bürgerentscheid konnte das Gebäude mit den 28 Geschosswohnungen auf dem früheren Brauereigelände im Jahr 2016 fertiggestellt werden. Von der langwierigen Bauphase ist am Abend der Preisverleihung nur mehr wenig zu hören, dass die historischen Brauereikeller nicht erhalten werden konnten, erwähnte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) nur in einem Nebensatz. Stattdessen steht das Spiel mit den Formen und Farben im Vordergrund. Gemeinsam mit der Größe des Baus sowie der Anordnung der Fenster und Balkone entsteht so ein markantes, aber zugleich ruhiges Bild, das durch den verwinkelten Innenhof zusätzlich verstärkt wird. Der Neubau der Geschosswohnungen, geplant von den Dachauer Architekten Konrad Deffner und Dorothea Voitländer, hat eine besondere Ausstrahlung.

Einen Preis gibt es für das Einfamilienhaus in der Leobadstraße. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Genau das ist es, was die vierköpfige Jury des Gestaltungspreises, darunter die beiden Professoren Thomas Hammer und Uta Stock-Gruber, Stadtrat Franz-Xaver Vieregg (ÜB) und Stadtbaurat Michael Simon, überzeugt hat und was auch Hartmann immer wieder hervorhebt. "Die Art und Weise, wie wir bauen, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität einer Stadt", sagt Hartmann. Und das werde mit dem Gestaltungspreis gewürdigt. Seit 1978 wird der Preis in unregelmäßigen Abständen nunmehr vergeben, zum letzten Mal im Jahr 2015. Damals erhielten die neue Realschule in der Nikolaus-Deichl-Straße sowie die Sanierung des Amtsgerichts Sonderpreise. Entscheidend sind für die Jury, neben der städtebaulichen Einbindung, der Gestaltung und Wirkung, auch die Auswahl des Materials.

Ausgezeichnet wurde das Einfamilienhaus in der Feldiglstraße. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Denn die Atmosphäre, die ein Bauwerk entstehen lässt, hängt nicht nur von der Form des Gebäudes ab, auch die verwendeten Baumaterialien erzeugen eine eigene Ausstrahlung. Das zeigen die beiden Einfamilienhäuser, die ebenfalls mit dem Gestaltungspreis prämiert wurden. Die Architekten der zwei Neubauten setzten jeweils auf eine Holzfassade, die den Gebäuden eine einheitliche Außenwirkung verleiht. Auffällig, oder "eigenwillig", wie die Jury feststellte, ist die Anordnung der Formen des Hauses in der Feldiglstraße. Es scheint so, als habe der Architekt Bernhard Hartmann aus dem großen Gebäudequader einen kleinen Block, dort wo Eingangsbereich und Garagenzufahrt sind, einfach herausgeschnitten. Auch haben Erd- und Obergeschoss eine jeweils unterschiedliche Ausrichtung und sind zueinander verdreht.

Vor dem Alten Sitzungssaal im Dachauer Rathaus werden die Gestaltungspreise an Bauherren und Architekten übergeben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Klarere Strukturen findet hingegen der Architekt Alfred Kinskofer mit dem Einfamilienhaus in der Leobadstraße, dem dritten Preisträger. Das Bild des Hauses wird durch die Symmetrie der großen Fenster im Erdgeschoss bestimmt, lediglich der rot bemalte Eingangsbereich weicht optisch und auch haptisch ein wenig vom Gesamtkonzept des Hauses ab. Durch die im rechten Winkel anschließende Garage bilden die beiden Gebäude eine geschützte Gartenfläche. Das Haus passe sich gut in die ländliche Umgebung ein, schreibt die Jury. Grund dafür sind die Anordnung und auch die Wahl der Proportionen von Wohnhaus und Garage.

Neben den drei Preisträgern zeichnete die Jury zwei weitere Gebäude sowie eine Fassade mit Anerkennungen und Sachpreisen aus. So ging die Volksbank bei der Gestaltung ihrer Fassade in Dachau einen ungewöhnlichen Weg, der von der Jury honoriert wurde. Fünf Graffitisprayer des Kollektivs Outer Circle bemalten die Wände des Innenhofs. Die Farbgestaltung ist angelehnt an das Logo der Bank, orange und blau, doch immer wieder verwenden die Sprayer auch braune Farbtöne. In einem ungefähr eineinhalb Meter breiten Band ziehen sich unterschiedliche Formen und Muster entlang der Fassade von der Augsburger Straße in Richtung des Innenhofs.

Ausgezeichnet wurde zudem die Außenraumgestaltung eines Einfamilienhauses. Zentrales Element des Vorgartens, der von Architekt Walter Baedeker sowie dem Dachauer Künstler Paul Havermann gestaltet wurde, ist ein in die Pflastersteine eingelassenes Blumenbeet, aus dem bunte Stangen ragen. Die Jury lobt gerade das Zusammenspiel des grauen Putzes, des Holzes und des verzinkten Stahls. Die Wirkung unterschiedlicher, fast konträrer Farben war auch bei einem Anbau einer Doppelhaushälfte in der Friedensstraße ein wichtiges Kriterium der Jury. Mit dem schwarzen, quadratischen Neubau hat der Architekt German Deller eine farbliche, aber auch geometrische Abgrenzung zu dem rötlichen Wohnhaus geschaffen. Auch den Aspekt der Nachverdichtung, der sparsamen Nutzung von Flächen, hob die Jury hervor.

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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