Gertrude Oehm-Rudert wird 80:Die Stadtbildhauerin

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Die Trauernden, das Trachtenpaar oder der Wassernöck: Gertrude Oehm-Rudert hat zahlreiche Skulpturen geschaffen, die an Dachaus Straßen und Plätzen stehen. An diesem Dienstag feiert die immer noch aktive Künstlerin ihren 80. Geburtstag

Von Julia Putzger, Dachau

Die Wohnstube und das benachbarte Atelier von Gertrude Oehm-Rudert sind Orte, an denen vieles seinen Platz gefunden hat, einiges noch danach sucht und so manches noch auf seine Fertigstellung wartet. Trotz der scheinbar unüberschaubaren Menge an Skulpturen, Büsten, Bleistiftzeichnungen und Entwurfsskizzen, die an jeder Ecke auf Anrichten, Kommoden und Schreibtischen stehen, hat die Dachauer Künstlerin den Überblick nicht verloren. Sie weiß genau, was sie sich bei der Arbeit daran dachte oder was sie damit noch vorhat. Gertrude Oehm-Rudert feiert an diesem Dienstag ihren 80. Geburtstag; das Alter konnte ihrem Schaffensdrang und ihren Fähigkeiten nichts anhaben.

Seit 1960 lebt Oehm-Rudert in Dachau. Geboren wurde sie 1939 im tschechischen Luditz, wo ihr Vater als Schneidermeister arbeitete. Später verschlug es die Familie nach Bamberg, der Heirat wegen kam Oehm-Rudert dann nach Dachau.

Bereits als Kind bemerkte sie ihre künstlerische Leidenschaft. Eines Tages entdeckte sie die trocknenden Werke eines Malers im Hof: "Zum ersten Mal sah ich, dass man diese Welt in Bildern wiedergeben kann, und ich hatte das erste Glückserlebnis in meiner Brust." Trotzdem begann sie zunächst eine kaufmännische Ausbildung, doch auch die Lehrer erkannten ihr Talent und rieten ihr, etwas Künstlerisches zu machen.

Gertrude Oehm-Ruderts Lehrmeister Otto Fuchs schaut ihr nach wie vor über die Schulter - sein Abbild schuf sieallerdings erst fünf Jahre nach seinem Tod. (Foto: Niels P. Joergensen)

Es folgte ein dreijähriges Studium für Gebrauchsgrafik und Illustration, sie schrieb Plakate und fertigte Modezeichnungen für die Werbung an. Bald zeigte sich ihr ausgeprägter Sinn für das Dreidimensionale. Doch Bildhauern und Modellieren wollte Oehm-Rudert damals eigentlich nicht: "Zunächst habe ich solche Ratschläge überhört. Denn ich wollte immer noch die Farbe unterbringen."

Mit der Faszination für den weiblichen Akt und die für ihre Werke so typische Fülle der Frauen wurde Oehm-Ruderts Interesse an der Bildhauerei aber schnell größer. Eines ihrer ersten Werke war die Dachauer Tracht, die Vorlage für das später von ihr in Lebensgröße modellierte Trachtenpaar in der Dachauer Hermann-Stockmann-Straße war. "Ich war ganz schön mutig damals", sagt die Künstlerin rückblickend auf dieses große Projekt.

Beinahe zeitgleich lernte Oehm-Rudert den Maler Otto Fuchs - in Dachau besser bekannt als "Akt-Fuchs" - kennen, der zu ihrem Lehrmeister wurde. Endlich habe sie "eine brauchbare Kritik" bekommen, wie sie sagt, und sei "so richtig in die Mangel" genommen worden. "Ich habe mich oft gefragt, ob das für den Otto Fuchs nicht anstrengend war - er war ja doch um einiges älter als ich, und ich fragte ständig nach Kritik - aber er meinte stets, dass das sehr erfrischend sei", erzählt Oehm-Rudert beim Gespräch in ihrem Atelier.

Selbstporträt mit Migräne. (Foto: Niels P. Joergensen)

Neben dem Trachtenpaar gibt es weitere Werke der Künstlerin in Dachau zu entdecken. Von ihren zahlreichen Brunnenentwürfen wurden der Taubenbrunnen und der Gänsebrunnen verwirklicht, außerdem die Skulptur des Kletterbaumes und des Wassernöcks, den man in der Martin-Huber-Straße findet. Ebenso stammen die Trauernden auf dem Waldfriedhof aus ihrer Werkstatt. Als Mitglied der Künstlervereinigung Dachau war sie außerdem an mehreren lokalen Ausstellungen beteiligt.

Selbst heute noch kann Oehm-Rudert das Zeichnen und Modellieren nicht lassen, auch wenn sie es nur noch im Privaten tut. Dort dafür umso intensiver: "Ich bin so sehr mit dem Zeichnen beschäftigt, dass es für die Familie schon anstrengend ist, weil ich immer weg bin", erzählt sie. Weg ist die Künstlerin zwar nicht wirklich, denn ihr Atelier grenzt direkt an das Wohnhaus in der Hochstraße an. Doch damit ihr Mann sie wenigstens abends sehe, setze sie sich an den großen Holztisch in der Wohnstube. Dieser ist über und über bedeckt mit Bleistiftzeichnungen, Fotografien und Entwürfen. Während sie die einzelnen Blätter auf der Suche nach einer speziellen Skizze zur Seite schiebt, kann sie ununterbrochen erklären, was darauf zu sehen ist, etwa warum die kleine Katze zu Füßen der fülligen Dame sitzt und der Schwan seinen Hals verführerisch in eine Richtung dreht. "Ich muss mir nur etwas einfallen lassen - und das fällt mir leicht", stellt Oehm-Rudert fest. Zu den vielen Werken, die jetzt schon ihr Heim dominieren, könnten also auch in nächster Zeit noch einige hinzukommen.

Ihren 80. Geburtstag feiert Gertrude Oehm-Rudert im Kreise der Familie - mit insgesamt fünf Kindern und elf Enkelkindern. Bei solchen Treffen ist immer was los.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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