Gemeinsamer Abend endet vor Gericht:Sexueller Übergriff im Schlaf

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Ein 20-Jähriger übernachtet bei einer Freundin im Bett - und missbraucht die Frau, als sie eingeschlummert ist. Nun hat ihn ein Richter zu einer Geldstrafe verurteilt

Von Thomas Hürner, Dachau

Er hatte die Hoffnung, dass mehr zwischen ihnen sein könnte, dass aus ihrer Freundschaft eine echte Liebesbeziehung wird. Schon einmal ist es intim zwischen ihnen geworden, an ihrem Geburtstag, es war ein ganz besonderer Moment für den Angeklagten.

Zwei Monate sind seither vergangen, im Februar 2017 ist er wieder in ihrer Wohnung. Sie trinken ein bisschen Alkohol, reden über die Probleme in ihrer beider Leben und sehen sich später sogar noch Pornos an. "Ich habe in dieser Situation nicht eindeutig abgelehnt, das war ein Fehler", wird die junge Frau am Mittwochvormittag vor Gericht sagen. Doch da hatte er die vermeintlichen Signale schon falsch interpretiert und sich zu einer Handlung hinreißen lassen, die von Richter Daniel Dorner schließlich als sexueller Übergriff gewertet wurde. Der damals 20-Jährige kam aber glimpflich davon, mit einer Geldauflage von 600 Euro und einem Schuldspruch nach Jugendstrafrecht. Ausschlaggebend dafür waren die für ihn durchaus verwirrende Situation in jener Nacht, seine ehrlich vorgetragene Reue und seine charakterliche Unreife zum Zeitpunkt der Tat.

Die Handlung selbst konnte dem Angeklagten aber in nicht als schuldmindernd ausgelegt werden: Nach dem für beide Seiten angenehmen Abend fragt er, ob er vielleicht bei ihr übernachten könne, es sei schon spät und morgen müsse er früh raus. Sie legen sich schlafen, teilen sogar das Bett. Irgendwann schlummert sie tief und fest und er fängt an sie zu entkleiden und zu missbrauchen. Fünf bis sechs Minuten habe das gedauert, erzählte der Angeklagte, dann sei sie langsam aufgewacht und er schnell ins Bad geflüchtet. Zum Geschlechtsverkehr sei es aber nicht gekommen, sagte der Angeklagte, und die junge Frau glaubte, dies bestätigen zu können: "Sonst wäre ich sicherlich früher wach geworden." Sie habe dann aber erst einmal weiter geschlafen und erst am nächsten Morgen wirklich realisiert, was geschehen ist.

Kontakt haben sie jetzt erst einmal keinen mehr, erst zwei Wochen später schreibt sie ihm eine Nachricht und bittet um ein persönliches Gespräch. "Was ist konkret passiert?", fragt sie ihn, "ich habe versucht es zu vergessen, kann es aber nicht ignorieren". Der Angeklagte versucht nicht, sich rauszureden, sondern gibt ihr gegenüber alles sofort und ohne Umschweife zu. Er schreibt: "Ich habe mich bei dir verstanden gefühlt, mein Kopf wollte mehr als nur reden." Die junge Frau antwortet, dass sie sich auch selbst Vorwürfe mache, möglicherweise habe sie das Ganze auch selbst provoziert. Trotzdem fühle sie sich "ausgenutzt und körperlich missbraucht". Zunächst habe sie an der Freundschaft festhalten wollen, sagte die junge Frau, die den Angeklagten auch nach dem Vorfall ein weiteres Mal bei sich nächtigen ließ. Warum sie irgendwann trotzdem zur Polizei gegangen ist? "Ich konnte keinen persönlichen Abschluss finden", erklärte sie, "seitdem geht es mir aber wieder gut".

Nach ihrer Aussage vor Gericht bittet der junge Mann darum, sich auch persönlich bei der Klägerin für den Vorfall entschuldigen zu dürfen. Er steht auf, spricht über die Bedeutung ihrer Freundschaft und den "größten Fehler meines Lebens". Die junge Frau geht auf den Angeklagten zu und umarmt ihn für einige Sekunden. Sie wollen Freunde bleiben. Zuvor hatten sie sich bereits auf einen Täter-Opfer-Ausgleich verständigt. Für Richter Dorner handelte es sich bei dem sexuellen Übergriff zwar um ein "alles andere als unerhebliches Delikt". Eine besondere Schwere der Schuld wollten aber weder er noch der Staatsanwalt ausmachen. Die Geldstrafe geht an einen Verein, der sich präventiv gegen sexuellen Missbrauch einsetzt.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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