Gemälde und Installationen von Anna-Maria Kursawe:Form und Bewegung

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Die Künstlerin Anna-Maria Kursawe ist viel unterwegs auf Reisen. Die Gemälde und Installationen, die sie in der KVD-Galerie zeigt, beschäftigen sich mit Transiträumen und dem Wandel der Perspektive durch Positionswechsel

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

"Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das ist, immer am gleichen Ort zu leben", sagt Anna-Maria Kursawe und lacht. Aufgewachsen in Berlin, zwischendrin in München gelebt, nach dem Studium in Nürnberg, wieder München, nun Leipzig. Immer wieder aufbrechen, immer wieder neu ankommen und einleben. "Ich glaube, das spiegelt sich auch in meinen Werken wider."

Die Künstlerin steht im hellen Raum der KVD-Galerie, in der Mitte ist ein Tisch mit Arbeitsmaterialien aufgebaut: Lineale, Stifte, Kleberollen. Hinter der Künstlerin ist bereits das Werk zu erkennen, das sie eigens für die KVD-Galerie entworfen hat, eine geklebte Installation aus Tape in Schwarz, Rot, Grün. Sie trägt den Titel "Odyssee". Mit dunklem Tape hat die Künstlerin die Umrisse an die Wand geklebt, entstanden ist ein verwobenes Ensemble von Räumen in 3D-Optik, die Zwischenräume bleiben meist leer. In anderen Installationen führt Anna-Maria Kursawe die Linien oftmals von der Wand über den Boden. Diesmal ist es nicht so, diesmal spannt sie eine Verbindung zu ihrer eigenen Biografie: Das Moment des Schwebens, das Ungebundenseins bestimmt die Installation. "Wolkenähnlich", nennt sie es selbst.

Das Gefühl der Odyssee nimmt auch der malerische Teil der Ausstellung auf: Drei große Gemälde hängen der Installation gegenüber. Kursawes Werke tragen generell den Titel "Transiträume", sie nummeriert diese schlichtweg durch. Die Künstlerin widmet sich damit jenen Durchgangsräumen, die sonst selten Beachtung finden. "Dabei sagen diese oftmals so viel mehr über die Gesellschaft aus als ein volles Stadtzentrum", sagt Anna-Maria Kursawe.

Während ihres Architekturstudiums in Berlin beschäftigte sie sich viel mit Industriebauten - "wichtigen Zentren der Gesellschaft", so die Künstlerin. Dabei entstanden ihre ersten Werke, die sich mit leeren Flächen auseinandersetzen und der Wirkung von Bauten abseits des Gewimmels der Innenstädte. Eines der Bilder zeigt den Blick aus einem Zugfenster, die Landschaft in verwaschenem Moosgrün, Braun und Grau. Viel Himmel, öde Landschaft, im Hintergrund scheint ein Fabrikgebäude zu stehen - normalerweise kein Anblick, an dem das Auge des Reisenden gerne verweilt. Schatten und Pinselführung verstärken genau diese Wirkung der Bewegung, den Blick des Reisenden durch das Zugfenster. Erneut: das Schwebende, Ungebundene.

Eines der Bilder zeigt den Blick aus einem Zugfenster, die Landschaft in verwaschenem Moosgrün, Braun und Grau. (Foto: OH)

Einige kleinere Acrylbilder möchte Anna-Maria Kursawe noch aufhängen. Normalerweise arbeitet die Künstlerin mit stark deckendem Eitempera, Acrylfarbe sei der einfacher zu handhabende Ersatz für die Zeiten "während des Umzugs". Doch in allen führt sie das Spiel mit geometrischen Formen, mit Spitzen und Quadern, konsequent fort.

Der künstlerische Kampf zwischen Unbeständigkeit und Struktur prägt nicht nur die Werke von Anna-Maria Kursawe, sondern auch den Entstehungsprozess. Die Künstlerin sah sich den Raum der Galerie an, baute, ganz nach Art der Architekten, ein entsprechendes Modell und arbeitete damit an der Komposition der Ausstellung. Im Miniaturformat hängen hier die Malereien an den Wänden. Für die Installation zeichnete sie mehrere Entwürfe, experimentierte mit unterschiedlichen Farben und der Stärke des Tapes. Alles ist akkurat geplant und ausgearbeitet, millimetergenau aufgezeichnet und mit kleinen, handschriftlichen Nummern versehen.

Nach der Planung beginnt der Aufbau, eine Woche lang dauern ihre Vorbereitungen bis zur Ausstellungseröffnung in der KVD-Galerie. Kursawe lässt sich von der Intuition leiten: Passt die Formation in den Raum? Harmonisieren die Farben von Malerei und Installation? So verwarf sie auch für die Ausstellung in Dachau ihren ursprünglichen Entwurf einige Male, wechselte von blauem Klebeband zu Grün und Rot. Das funktioniert gut, wenn Kunst aufgeklebt wird und anschließend wieder abgebaut wird. "Eigentlich ist es ein legales Graffiti", sagt die Künstlerin grinsend: Kunst an Wänden, die sich wieder ablösen lässt. Aber auch ein Werk tagelanger Arbeit, das nach der Ausstellung einfach wieder verschwindet. Der Besucher durchschreitet und erlebt den Raum aus verschiedenen Blickwinkeln. Durch minimale künstlerische Strukturierung setzen sich Räume und Verhältnisse neu zusammen, Raumgrenzen werden aufgesprengt. Kursawes Werk berührt, wo sich der Wunsch nach Ungebundenheit und die Sehnsucht nach dem Planbaren begegnen, wo Räume sich öffnen zu Freiräumen.

Anna-Maria Kursaweserke zeigen Aufbruch undBewegung, sowohl in Bildern wie in Installationen. (Foto: Toni Heigl)

"Grenzenlose Räume II" - Malerei, Siebdruck, Installation von Anna-Maria Kursawe in der KVD-Galerie. Vernissage Donnerstag, 18. Oktober, 19.30 Uhr. Die Ausstellung ist noch bis 11. November zu sehen.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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