Gefährliche Körperverletzung:Gefährliche Schubserei am Bahngleis

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Eine 21-jährige und eine 18-jährige Dachauerin griffen zwei Studentinnen an. Jetzt müssen sie eine Woche in den Dauerarrest

Von Anika Blatz, Dachau

Als "brandgefährlich" hat der Dachauer Richter Christian Calame die Situation an den S-Bahn-Gleisen am Ostbahnhof im vergangenen Dezember bezeichnet. Damals stießen zwei junge Frauen aus Dachau in volltrunkenem Zustand zwei Studentinnen mehrfach Richtung Gleis. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht Dachau wurden nun beide der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Woche Dauerarrest verurteilt.

Schon zu Hause hätten sie mit Wodka "vorgeglüht", erzählten die Angeklagten. Anschließend habe man erst in einer Bar, später in einem Club weiter Wodka und Cocktails konsumiert. Nach der durchfeierten Nacht, wollten sie gemeinsam mit drei Freunden gegen sieben Uhr morgens mit der S-Bahn nach Hause fahren. Eine damals 18-jährige Studentin, die ebenfalls am Bahnsteig wartete, wurde auf die lautstarke Gruppe aufmerksam und schaute in deren Richtung. Die sich von den Blicken offenbar provoziert gefühlte erste Angeklagte, ging daraufhin zu der jungen Frau und begann diese zu schubsen - das zeigen Aufnahmen einer Überwachungskamera.

"Ich kann mich nicht mehr erinnern, was vorgefallen ist. Ich weiß nur noch, dass es eine Auseinandersetzung am Bahnsteig gab", erklärte die 21-Jährige Dachauerin. Normalerweise trinke sie nicht so viel, dass sie sich danach an nichts mehr erinnern könne. Als sich die Angegriffene mit einem unflätigen Schimpfwort zu wehren versuchte, eskalierte die Situation. Aus dem Schubsen entwickelte sich ein Handgemenge, in dessen Verlauf der Geschädigten von der Angeklagten ein Haarbüschel ausgerissen wurde und sie von ihr mehrmals gefährlich nahe an das Gleisbett gestoßen wurde. "Wir waren schon hinter der weißen Sicherheitslinie und ich habe gemerkt, dass ich kippe. Zum Glück konnte ich mich wieder fangen", sagte die Geschädigte vor Gericht aus. Als der Angegriffenen eine Freundin zu Hilfe eilte, wurde auch sie von einer zur Tatzeit 18-Jährigen Dachauerin, die ebenfalls zur Gruppe gehörte, attackiert.

"Ich stand mit dem Rücken zur S-Bahn und durch den festen Tritt an meinen rechten Oberschenkel bin ich rückwärts in die schon eingefahrene S-Bahn hineingestolpert", erinnerte sich die 24-jährige Studentin, die bei dem Angriff nüchtern war. Auch die zweite Angeklagte, die als Einzelhandelskauffrau arbeitet, erklärte ihr Verhalten damit, dass sie "ziemlich gut dabei" war an diesem Tag. Wie ihrer Freundin fehle auch ihr die Erinnerung.

Beide Frauen beteuerten vor Gericht mehrmals, dass es normalerweise nicht ihre Art sei auf jemanden loszugehen und dass ihnen das Geschehene sehr leid täte. Sie seien geschockt gewesen, als sie die Kameraaufnahmen gesehen hätten. Die Aufnahmen der Überwachungskamera am Bahnsteig hatten letztlich die Ergreifung der Täterinnen möglich gemacht. Mit Fahndungsplakaten suchte man nach dem Vorfall nach den beiden Frauen, die sich der Polizei daraufhin freiwillig stellten.

"Haben Sie so einen Filmriss schon häufiger gehabt?", fragte Richter Calame die beiden. Sie verneinten. "Ich gehe auf jeden Fall schneller hoch, wenn ich etwas getrunken habe", räumte die 21-jährige Angeklagte ein, als die Staatsanwältin sie fragte, ob sie zu Aggressionen neige, wenn sie trinke. Beide konnten aber auch nachweisen, dass sie seit dem Vorfall regelmäßig zu freiwilligen Suchtberatungsgesprächen der Caritas gingen, um ihren Alkoholkonsum und ihr Verhalten kritisch zu überdenken. Diesen Umstand wie auch, dass sich die Angeklagten bei den Opfern entschuldigten, werteten sowohl der Richter als auch die Staatsanwältin positiv. Am Ende folgten sie der Einschätzung der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, dass das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen könne. Anders als die Staatsanwaltschaft, die zwei Wochen Freiheitsentzug forderte, befand Richter Calame eine Woche Dauerarrest für ausreichend. Dieser Arrest wird in Anstalten speziell für Jugendliche verbüßt, wo versucht wird, erzieherisch auf die Jugendlichen einzuwirken.

Den jungen Frauen redete Calame bei seiner Urteilsbegründung ins Gewissen. Die Gefahr, dass die Opfer stolpern und auf die Gleise stürzen, sei zu jedem Zeitpunkt gegeben gewesen. "Man muss wissen, wo beim Alkohol die Grenze liegt", sagte Calame - insbesondere wenn man wisse, dass die eigene Frustrationsschwelle nach dem Konsum von Alkohol sinke. Dass der glimpfliche Ausgang reines Glück gewesen ist, machte auch die Staatsanwältin klar. Es hätte nur eine S-Bahn einfahren müssen und man sei ganz schnell bei einer Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags gewesen, führte sie aus.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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