Gastronomie:Paella und Tapas bei den Kleingärtnern

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Als dem spanischen Feinkosthändler der Laden in der Dachauer Altstadt überraschend gekündigt wird, fürchtet er um seine berufliche Existenz. Mit Hilfe seiner Kunden hat Miguel Alcantára ein neues Domizil gefunden: Das "El Camino" zieht nach Karlsfeld

Von Benjamin Emonts, Dachau/Karlsfeld

Der Weg führt vorbei an kleinen Häusern und akkurat geschnittenen Hecken, hinter denen sich Kleingärten verbergen. Am Ende der schmalen Straße, links, steht schließlich das künftige Zuhause von Miguel Alcantáras Feinkostladen "El Camino". Nach fast zehn Jahren in der Dachauer Mittermayerstraße zieht der 66-Jährige zum 1. Juli in ein großes Holzhaus auf einer Kleingartenanlage in Karlsfeld um. Auf der großen Terrasse des Vereinsheims will er seine Gäste im Sommer mit spanischen Weinen und den landestypischen Tapas verköstigen.

Noch vor Kurzem hatten sich Gedanken an laue Sommernächte mit spanischem Flair verboten. Alcantára hatte Anfang Januar ohne jede Vorwarnung die Kündigung für seinen florierenden Feinkostladen unweit der Dachauer Altstadt erhalten. Sein Geschäft hatte sich nach jahrelangen Schwierigkeiten gerade erst etabliert. Nun aber sollte er es mit seiner Lebensgefährtin bis zum 30. April räumen.

Das Paar machte sich große Sorgen um seine Zukunft. Die Art und Weise, wie die Kündigung abgelaufen war, machte Alcántara wütend. Die beiden Vermieter, die anonym bleiben wollen, hatten ihm mitgeteilt, dass sie mehr Platz für den Kreisjugendring Dachau benötigten. Diese Organisation ist im selben Gebäude in der Mittermayerstraße untergebracht. Die Eigentümer befürchteten nach eigenen Angaben, dass sie den KJR, für den das Landratsamt die Miete bezahlt, sonst als beständigen und zuverlässigen Mieter verlieren könnten. Für ihre Sicherheit waren sie bereit, Alcantáras Feinkostgeschäft zu opfern. Und sie gingen nicht gerade zimperlich vor.

Die große Terrasse des Vereinsheims hat es dem Spanier angetan. Im Sommer sollen seine Gäste dort sitzen und spanische Weine genießen können. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nachdem die Sache öffentlich geworden war, wurden im Internet Proteste der Dachauer gegen die Kündigung laut. Dass wieder einmal eines der wenigen Einzelhandelsgeschäfte aus dem Altstadtbereich verdrängt werden sollte, wollten viele einfach nicht hinnehmen. Von der brüsken Vorgehensweise der Vermieter ganz zu schweigen.

An der Kündigung änderten die Proteste jedoch nichts. Alcantára ist gerade dabei, die letzten Umzugskartons zu packen und von Dachau Richtung Karlsfeld zu befördern. Die Suche nach einer neuen Location gestaltete sich erwartungsgemäß schwierig. Wochenlang fand das Paar trotz zahlreicher Tipps keine adäquate Lösung. Die Verzweiflung wuchs. Doch letztlich stellte es sich als großes Glück heraus, dass Alcantára von allen Seiten Hinweise bekam. Der Tipp eines Stammkunden führte ihn schließlich in die ruhige, idyllisch gelegene Kleingartenanlage zwischen Dachau und Karlsfeld.

Den neuen Vertrag hat der 66-Jährige, der schon fast 40 Jahre in Deutschland lebt, bereits unterzeichnet. Bis Anfang Juli wird das Vereinsheim noch von einem Griechen betrieben, der die Gastronomie aber aufgibt. Im Vergleich zum vorigen Geschäft in der Dachauer Innenstadt liegt der neue Laden sehr abgelegen. Von Dachau kommend geht von der Bajuwarenstraße rechts eine schmale, geteerte Straße ab, die direkt zum Lokal führt. Von der anderen Seite erreicht man die Kleingartenanlage von der Schleißheimer Straße aus.

Trotz der dezentralen Lage wirkt Alcantára glücklich über sein neues Domizil. Anders als in Dachau hat er jetzt deutlich mehr Platz für seinen Feinkosthandel und die abendlichen Feierlichkeiten und Verköstigungen. Direkt vor dem Vereinsheim befindet sich ein Parkplatz mit 35 Stellplätzen. Das Vereinsheim hat eine großzügige Terrasse, die mit Glas überdacht ist. Unter freiem Himmel, gerade im Sommer, könne sich das spanische Lebensgefühl viel besser ausbreiten, ist Alcantára überzeugt. An seinem bisherigen Konzept, tagsüber die Feinkostwaren zu vertreiben und abends Paella und Tapas zu servieren, will der Spanier nichts ändern. Seine Kunden, die zuletzt bis aus München und Altomünster kamen, sollen auf Altbewährtes zurückgreifen können. "Viele haben mir zugesichert, dass sie auch weiterhin kommen."

Seine Wut über die Kündigung ist zwar noch nicht verflogen. Alcantára hält es nach wie vor für unmoralisch, dass er nach zehn Jahren einfach so vor die Türe gesetzt wurde, ohne ein einziges Gespräch davor. Die Unterstützung seiner Kunden und die große Solidarität vieler Bürger haben ihm aber geholfen, die Geschichte leichter runter zu schlucken. Die berufliche Existenz des Spaniers und seiner Lebensgefährtin ist nun wieder gesichert. Und schon bald kommen die lauen Sommernächte.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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