Gastronomie in Indersdorf:Sperrstunde

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Immer mehr Wirtshäuser auf dem Land müssen aus verschiedenen Gründen schließen. Trauriges Beispiel: die Marktgemeinde Indersdorf. Sie war einst eine Bastion bayerischer Gaststättenkultur. Nun hat mit dem Gasthof Funk auch die letzte Wirtschaft im Ortszentrum zugemacht

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Markt Indersdorf hat das letzte bayerische Wirtshaus im Ortskern verloren: Der Gasthof Funk hat seine Schotten dicht gemacht. Für viele Indersdorfer ist die Schließung ein großer Verlust. "Der Funk" war in der Marktgemeinde eine Institution, die letzte Bastion bayerischer Wirtshauskultur. Stammgäste spielten in der Gaststätte Karten oder diskutierten über die Gemeindepolitik. Auch der neueste Tratsch machte hier die Runde. Damit ist es jetzt aus und vorbei. Der Gasthof Funk ist Vergangenheit.

Sechs Wirtshäuser gab es einmal im Zentrum von Indersdorf. Vor zehn Jahren existierten noch drei: die Klostergaststätte, das Gasthaus Steidle und der Gasthof Funk. Die Klostergaststätte schloss nach einem Besitzerwechsel. Sie wurde aufwendig renoviert, doch die Bauarbeiten im Biergarten ziehen sich hin. Der Gasthof Steidle machte vor Jahren dicht, weil Wirt Hubert Steidle in Rente ging und das Haus verkaufte. Die Gastronomie im Ortskern ist inzwischen international. Acht Restaurants konkurrieren um Kunden: zwei Italiener, ein Grieche, ein Mexikaner mit italienischem Einschlag, ein Inder, ein Thailänder, ein Bistro mit internationaler Küche und ein Steak- und Burgerlokal.

Mit dem Gasthof Funk ist das letzte bayerische Wirtshaus im Hauptort verschwunden. Die Wirtsleute Marlene und Heini Funk haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. 32 Jahre lang haben sie den Gasthof mit Herzblut geführt, arbeiteten an Wochenenden und Feiertagen. Das Anwesen ist seit mehr als hundert Jahren im Familienbesitz. Zum Betrieb gehören auch 17 Fremdenzimmer und eine hauseigene Metzgerei. In der Wirtschaft halfen Heini Funks Mutter Rosa und Schwiegertochter Angelika mit. Gasthof, Metzgerei und Fremdenzimmer - "alle drei Sachen sind zu viel", sagt Heini Funk. Mit 67 Jahren habe er auch das Alter für die Rente erreicht.

Der Gasthof Funk in Markt Indersdorf hat seinen Betrieb eingestellt. Fremdenzimmer und Metzgerei bleiben aber bestehen. (Foto: Toni Heigl)

Sohn Michael, von Beruf Metzger und Koch, wird die Metzgerei weiterführen. Der andere Sohn, Benjamin, arbeitet nicht in der Gastronomie. Sonntags half er oft in der Küche mit. Auch die Fremdenzimmer bleiben bestehen. Doch das Gasthaus werden die Söhne nicht weiterbetreiben. Benjamin ist nicht vom Fach, Michael ist mit der Metzgerei schon ausgelastet. "Die Vorschriften werden immer mehr", klagt Heini Funk. Für ein Wirtshaus bleibe da kaum noch Zeit.

Viele Indersdorfer trauern dem beliebten Gasthof nach. Zu ihnen gehört auch Anton Wagatha, Vorsitzender des Indersdorfer Heimatvereins. Das Augustiner Chorherren Museum des Vereins liegt in direkter Nachbarschaft. "Wir bedauern die Schließung sehr", sagt Wagatha. "Wo sollen denn unsere Besucher hin, wenn sie nach dem Museumsbesuch einkehren wollen?" Er hofft, dass die Klostergaststätte bald wieder eröffnet, zumal sie einen herrlichen Biergarten hat. Denn im Ortskern gebe es jetzt kein einziges Gasthaus mehr.

Das Wirtshaussterben auf dem Land schreitet weiter voran. In Westerholzhausen drehte Wirt Korbinian Dafelmaier vor zwei Jahren den Zapfhahn zu. Der 87-Jährige hatte keinen Nachfolger. Das Wirtshaus in Eichhofen gibt es seit Anfang des Jahres nicht mehr. Der 80-jährige Wirt Sepp Dandl war krank und starb. Das Gasthaus Prummer in Niederroth ist seit Jahren dicht. Die Institution Dorfwirtschaft begleitet seit langem ein Abgesang. Lebendige Gasthäuser auf dem Land sind selten geworden. Laut Statistiken hat Bayern seit 2005 gut ein Viertel seiner Schankwirtschaften verloren. Lokalzeitungen sind voll mit Berichten über Wirtshausschließungen. Meist sind die Fälle auf einen Nenner zu bringen: Wirte geben auf, weil sie zu alt sind, weil die Arbeit zu beschwerlich ist, weil sie keinen Nachfolger finden. Oder weil sich der Betrieb nicht mehr rentiert. In mehr als 500 Gemeinden gebe es kein Wirtshaus mehr, beklagt Angelika Inselkammer, Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Bei Veranstaltungen der Branche gibt es immer wieder Kritik: Der Staat gängele Wirte, Betriebsprüfungen grenzten an Schikane, unterschiedliche Mehrwertsteuersätze seien ungerecht. Wirte müssen für ein Gericht, das im Haus gegessen wird, 19 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Für einen Leberkäs im Stehen müssen Metzger nur sieben Prozent abgeben.

Korbinian Dafelmaier schloss sein Wirtshaus in Westerholzhausen aus Altersgründen. (Foto: Toni Heigl)

Die Staatsregierung will dem Wirtshaussterben mit einem Modernisierungsprogramm Einhalt gebieten. Dafür stellt sie Millionen von Euro bereit. "Für mehr Gastlichkeit, Qualität und Barrierefreiheit in unseren Dorf- und Gastwirtschaften", wie es der Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern verheißt. Für Werner Braun ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Der stellvertretende Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes führt das Gasthaus Huberwirt in Wiedenzhausen. Braun will das Förderprogramm in Anspruch nehmen. Viele Kollegen hätten 30 Jahre lang nichts investiert. "Man muss sich mit dem Markt mitentwickeln", fordert Braun. Er hat das Konzept für sein Gasthaus verändert. Er bietet einen Lieferservice für Essen an. "Wir machen weniger Gerichte, aber liefern schnell aus." Zudem gibt es im Huberwirt auch eine junge Küche mit Burgern. Das Konzept wurde von einem Branchenblatt ausgezeichnet.

Gefeiert wurde auch im Gasthof Funk - mit den Stammgästen, von denen sich der Wirt verabschiedet hat. Der Stammtisch um den ehemaligen Bürgermeister Josef Kreitmeir kam hier jeden Freitag zusammen. "Voriges Jahr haben wir 40-jähriges Jubiläum gefeiert", sagt Kreitmeir. Der Runde gehörten bis zu 30 Mitglieder an. Im Stammtischbuch schrieben sie Urlaubsziele oder Begebenheiten aus ihrem Leben auf. Das Kapitel Funk ist nun abgeschlossen. Die Frage ist, wo sich der Stammtisch künftig trifft. "Auf jeden Fall in einem bayerischen Wirtshaus", so Kreitmeir. "Entweder beim Hohenester in Glonn oder beim Doll in Ried."

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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