Gartenfest:Leser feiern mit der SZ

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Hunderte Besucher strömen in die Dachauer Redaktion. Bis nach Mitternacht dauert das 40-Jahre-Fest ihrer Zeitung

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Carlotta Bergmann und Philina Scheurer haben gerade keine Zeit, um irgendwelche Fragen zu beantworten. Sie sitzen in einer Redaktionsstube und schreiben ihren ersten Artikel. Die Elfjährigen gehören zu den vielen Besuchern, die am Freitagabend mit der SZ Dachau deren 40. Geburtstag feiern.

Während sich in der Altstadt die Bands für "Jazz in allen Gassen" warmspielen, ist der lauschige Garten in der Färbergasse 4 schon überfüllt. In den Redaktionsräumen drängeln sich die Besucher, lassen sich erklären, wie man eine Zeitung macht, nutzen die Gelegenheit, um mit "ihren" Redakteuren, mit Ressortleiter Christian Krügel und mit SZ-Chefredakteur Kurt Kister zu plaudern, Lob und Kritik anzubringen. "Eine Zeitung ohne Leser ist nichts", hatte Teamleiter Helmut Zeller zur Begrüßung gesagt.

Sascha Seelemann und seine Band begeistern die Festgäste

Zu denen zählt von Anfang an Altlandrat Hansjörg Christmann (CSU), der 1977 kurz nach Erscheinen der ersten Dachauer Lokalausgabe der Süddeutschen Zeitung sein Amt angetreten hatte. Seine launige Ansprache entpuppt sich als eine Art Chronik von 40 Jahren Berichterstattung aus Politik, Kultur und Zeitgeschehen im Landkreis. Sein Nachfolger, Landrat Stefan Löwl (CSU), hat eine kurze Rede und ein mögliches Mittel "zur Förderung der Kreativität" im Gepäck: eine "Europareise in Weinform", hübsch verpackt in die allererste neue Landratsamtstasche mit dem Motto "Eine Tasche statt tausend Tüten".

Sascha Seelemann und "Friends" spielen im Garten der Dachauer SZ-Redaktion. (Foto: Niels P. Joergensen)

Gefühlte tausend Begegnungen gibt es bei diesem beschwingten Fest. Der Erdweger Altbürgermeister Michael Reindl (Freie Wähler) erinnert sich an die Anfangsjahre der Dachauer Neueste Nachrichten, wie die SZ-Lokalausgabe damals noch hieß. Die "SZ-Mitarbeiter vor Ort" hätten "immer das politische Geschehen verfolgt. Für uns war es positiv, dass wir kurze Wege hatten", sagt er. SPD-Stadtrat Volker C. Koch erzählt, dass ihn Kurt Kister vor Jahren einmal "auf die Seite Drei gebracht hat - eher erwähnt", fügt er hinzu. Der SZ-Chefredakteur ist übrigens an diesem besonderen Abend ein begehrter Mann: Etliche ehemalige Klassenfreunde machen sich im Gartengewühl auf die Suche nach dem gebürtigen Dachauer.

Unter die Gäste mischen sich auch Chefredakteur Kurt Kister (2. v.l.) und OB Florian Hartmann (r.). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die potenziellen Nachwuchsjournalistinnen Carlotta und Philina sind dagegen noch in ihren Artikel vertieft. Sie schreiben über die Stars des Festes, Sascha Seelemann und seine Band: "Sie unterhalten alle Leute mit ihrer coolen Musik. Die Scheinwerfer werfen bunte Lichter auf die Bühne. Das Publikum singt fröhlich mit und klatscht begeistert." FW-Kreisrat Edgar Forster singt allerdings nicht mit: "I geh jetzt wegen der Musik" sagt er. Was verständlich ist, denn schließlich ist "Jazz in allen Gassen" mit vielen Bands angesagt. Musiker Seelemann ist und bleibt jedoch ein Objekt der (musikalischen) Begierde. Junge weibliche Fans wollen den BR-3-Frühaufdreher einmal live sehen. Sie besetzen die Fensterplätze im Gebäude und stellen ihren Smartphone-Recorder auf Dauerbetrieb.

Auch Schwestern vom Kloster Karmel sind zur 40-Jahr-Feier der Dachauer Redaktion gekommen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Vor dem Eingang zur Redaktion bilden sich lange Schlangen. Security-Mitarbeiter Sandro Perez-Martin lässt die Menschen immer nur grüppchenweise ins Haus. "Mehr als 200 sind zu viele für den kleinen Garten", meint er. Unter den Gästen ist auch Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU). Was er an der SZ Dachau schätzt? "Kultur ist eine bedeutende Säule", sagt er. Sie bestimme "den Grad der Identifikation mit einer Zeitung". Ähnlich äußert sich auch Sopranistin Marja-Leena Varpio, die Vorsitzende des Kulturkreises Haimhausen. Sie sei mit der SZ aufgewachsen, sagt sie. "Kultur ist wichtig. Vor allem der Lokalteil interessiert mich, weil man einen persönlichen Bezug hat."

Helmut Zeller (r.), Redaktionsleiter in Dachau, begrüßt. (Foto: Niels P. Joergensen)

Andere Kulturschaffende wie die bildenden Künstler Heiko Klohn und Monika Siebmanns oder der Vorsitzende der Ludwig-Thoma-Gemeinde, Edi Hörl, nutzen die Gunst der Stunde für ein Gespräch unter "Kollegen" oder um über ihre jüngsten Projekte zu sprechen. Kulturamtsleiter Tobias Schneider erhält die SZ "jeden Morgen als PDF" auf seinen Dienst-PC. Er lese selektiv, sagt er, "das, von dem ich erwarte, dass ich mich selbst wiederfinde, und das, was das eigene Denken entwickelt und überprüft". Leser Ulrich Ihring gehört dagegen "zu den Menschen, die noch Papier in der Hand haben müssen". Das sagt auch Leserin Susan Schöller. Ihr bevorzugter Lesestoff sind "Politik und der Lokalteil". Letzterer ist auch für den CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath "ein Grund, die SZ zu lesen". CSU-Stadträtin Christine Unzeitig will wissen, "was der Betrachter, also der Reporter, sieht oder hört, auch wenn mir das nicht immer gefällt. Pressefreiheit ist das Wichtigste."

Gäste sogar aus dem Karmel: Priorin Irmengard Schuster und Schwester Johanna sind dabei

Auch im Karmel-Kloster Heilig Blut gehört die SZ zur täglichen Lektüre, wie Priorin Schwester Irmengard und ihre Mitschwester Johanna erzählen: "Jeder Mensch ist ein politischer Mensch. Deshalb ist es für uns wichtig, uns zu informieren, Kontinuität zu wahren", sagt die Priorin. Schwester Johanna ergänzt: "Wir behalten auch in der gewählten bewussten Zurückgezogenheit den Anschluss. Wir sind zugleich aus der Welt und in der Welt."

Ganz in der Welt sind die jungen Autorinnen. Während im Garten bunte Scheinwerfer die Sommernacht in ein stimmungsvolles Bühnenbild verzaubern - mit einem sich sanft in der Luft wiegenden Luftballon als Hingucker -, begeben sie sich auf musikalische Recherche: "Von Jazz bis Blues waren alle Lieder irgendwie besonders. Am besten gefiel uns aber Soul. Es ist irgendwie anders als die anderen Styles und sticht heraus. Der Abend ist sehr schön."

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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