Ganztagsklasse:Das wirkliche Bayern

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Eltern, Lehrer und Kommunalpolitiker sind entsetzt - die CSU-Mehrheit im Bildungsausschuss lehnt wegen ein paar Kindern zu wenig eine Ganztagsklasse ab und gefährdet damit fünf Jahre Aufbauarbeit

Von Petra Schafflik und Helmut Zeller, Schwabhausen

Gerade mal 20 Minuten war dem Bildungsausschuss im bayerischen Landtag am Donnerstag die Notlage von Eltern, Kindern und Lehrern in Schwabhausen wert. Dann schmetterte die Mehrheit der CSU-Abgeordneten die Forderung nach einer Ganztagsklasse ab. "Die Delegation aus Schwabhausen, angeführt von Bürgermeister Josef Baumgartner (Freie Wähler) und der Elternbeiratsvorsitzenden Nicole Sachon ist wahnsinnig enttäuscht", erklärte der Landtagsabgeordnete Martin Güll (SPD) danach. Baumgartner sagte der SZ: "Man hätte sicherlich einen Kompromiss finden können." Aber die CSU habe "ohne Argumentation und kalt" den Punkt abgehakt.

"So ist die politische Realität in Bayern. Was die CSU nicht will, passiert auch nicht, allen guten Argumenten zum Trotz", schimpfte der SPD-Bildungspolitiker Güll, der neben Freien Wählern und Grünen die Petition des Elternbeirats unterstützt hatte. Die Realität in Schwabhausen beschreibt Nicola Lachner, Rektorin der Grundschule so: "Das ist schon eine ernüchternde, bittere Erfahrung." Trotz eines geburtenschwachen Jahrgangs wollte die Schulleiterin entsprechend dem Wunsch vieler Eltern erneut eine Ganztagsklasse im ersten Jahrgang einrichten. Der seit fünf Jahren erfolgreich laufende Ganztagszweig muss jetzt für ein Jahr ausgesetzt werden.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll ist frustriert: Alle Mühe war umsonst. (Foto: Toni Heigl)

Bildungsausschussvorsitzender Martin Güll hatte noch beantragt, die Petition bis 9. Juli zu vertagen, weil bis dahin konkrete Zahlen über die Lehrerversorgung im Landkreis vorliegen würden. "Doch die CSU hat alles abgeschmettert", erklärt Lachner. Ganz dezidiert habe die CSU keine Ausnahme zulassen wollen, "weil dies bayernweit Auswirkungen hätte". Dabei wäre eine Ausnahmeregelung für Schwabhausen durchaus möglich gewesen. Die Eltern wollen nun weitere Familien von den Vorzügen der Ganztagsklasse überzeugen. Derzeit sind 21 von insgesamt 52 Erstklässlern für den Ganztag angemeldet. Nur wenn sich noch drei Kinder umorientieren und von der Regelklasse in den Ganztag wechseln, könnte es in letzter Minute klappen mit der Ganztagsklasse im ersten Jahrgang. Dann gäbe es zwei Klassen, eine Ganztag mit 24, eine Regelklasse mit 28 Schülern. "Dabei bleibt die Unwägbarkeit, dass weitere Kinder zuziehen." Denn mehr als 28 Schüler dürfen in der nach diesem Modell einzig verbliebenen Regelklasse auch nicht sitzen.

Jetzt herrscht erst einmal Verunsicherung in der Gemeinde. Aber Schulleiterin Lachner hat schon einen Alternativplan entwickelt. Wie Bürgermeister Baumgartner sagte, hatte man dieses Ergebnis im Landtag schon befürchtet. Sollte die Ganztagsklasse nicht kommen, wird für die angemeldeten Kinder ein offenes Betreuungsangebot organisiert. Denn der Hort in Schwabhausen ist bereits voll belegt, die Mädchen und Buben stünden am Nachmittag auf der Straße. Die Schule wird daher gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt, die bereits Angebote in der Ganztagsschule organisiert, kurzfristig eine Betreuung bis 15.30 Uhr organisieren. Eine Entscheidung wird Anfang August fallen, "dann stehen die Zahlen für die Klassenbildung in der Regel fest", sagt Lachner.

Das könnte funktionieren. Aber Kommunalpolitiker, Lehrer und Eltern sind wütend über die Art und Weise, wie die CSU im Landtag über ihre Forderung hinweg gegangen ist. "Das ist ganz bitter und einfach nicht nachvollziehbar", kommentiert der Landtagsabgeordnete Güll, früher einmal Schulleiter in Markt Indersdorf und einer der Initiatoren und Befürworter des Ganztags-Projekts an Schulen im Landkreis. Man hätte, sagt Güll, für die künftige erste Klasse an der Grundschule Schwabhausen eine gebundene Ganztagsklasse zulassen können, auch wenn deswegen eine zusätzliche Halbtagsklasse gebildet werden muss. "Die Verordnung lässt natürlich Ausnahmen zu. Die CSU-Abgeordneten zeigen sich von allen Argumenten unbeeindruckt und verwiesen auf mögliche Betreuungsangebote wie Mittagsbetreuung oder Hort", erklärt Güll. Gemeinsam mit den Kollegen der anderen Oppositionsfraktionen habe man gekämpft und Argumente vorgebracht. "Allein, es hat nichts genützt. Die absolute Mehrheit der CSU hat eine Lösung verhindert."

Da halfen auch die Argumente der Schulleiterin Nicola Lachner nichts, die noch einmal auf die Schwabhausener Pionierarbeit in Sachen Ganztag hingewiesen hat. Bürgermeister Baumgartner ergänzt: "Wir hatten jetzt in einem Jahr einen Einbruch bei den Schülerzahlen. Aber für das Schuljahr 2015/16 werden wieder wie bisher 65 bis 70 Kinder eingeschult." Aber so weit wollte die CSU-Fraktion im Bildungsausschuss gar nicht ins Detail diskutieren, wie der Bürgermeister sagte. Baumgartner ist auch enttäuscht von der Kreis-CSU: Der Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath wollte sich doch für die Schwabhausener Petition einsetzen. Das, sagte Baumgartner, habe er auf jeden Fall gehört.

Die CSU wollte aber keinen Präzedenzfall für andere Schulen schaffen und lehnte deshalb eine Ausnahmegenehmigung ab. Der Abgeordnete Benno Zierer, der den Landkreis Dachau für die Freien Wähler betreut, räumte ein, dass die verbleibenden 31 Kinder auf zwei Klassen aufgeteilt hätten werden müssen - eine Klassenmehrung, die das Kultusministerium verboten hat. Aber die CSU, die von allen Oppositionsparteien geradezu beschworen wurde, habe die mögliche Ausnahmeregelung abgelehnt. Zierer zeigte sich tief enttäuscht. "Mit ihrer Sturheit hat die CSU-Fraktion den Weg für die Kinder verbaut." Der Mann einer Mutter, die die Diskussion im Bildungsausschuss verfolgte, ist CSU-Mitglied. Sie erklärte danach: Der müsse jetzt aus dieser Partei austreten. Das verlange sie von ihm.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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