Französische Musik:Kühles Glitzern hinter Glas

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Toon Fret (Flöte), Amy Norrington (Cello) und Annie Lavoisier (Harfe) spielen ausgezeichnet. Die Musik reißt trotzdem nicht jeden mit. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Schlosskonzert von "Oxalys" ist elegant, aber wenig emotional

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

"Syrinx pour flûte solo": Das Stück hält, was der Titel verspricht, "Syrinx" von Claude Debussy wurde zum beliebtesten, meistgespielten Zugabestück aller Flötisten. Dabei heißt das griechische Wort "Syrinx" zu deutsch nur "Röhre" - gemeint ist hier die Panflöte. Im ersten Dachauer Schlosskonzert nach langer Sommerpause erklang diese "Syrinx" aber nicht als Zugabestück, sondern als Einleitung zu einer "Hommage à Debussy" des 1993 am Brüsseler Konservatorium gegründeten musikalischen Ensembles Oxalys. Das Dachauer Publikum bekam mit dieser Hommage eine musikgeschichtliche Lehrstunde über einen sehr schmalen, aber bedeutenden Ausschnitt der Musikgeschichte, nämlich der von Claude Debussy geprägten französischen Musik der Zeit von 1913 bis 1925. Diese Musik wird gern mit Impressionismus in Verbindung gebracht, doch Claude Debussy selbst hat Rezensenten, die seine Musik in Bausch und Bogen "impressionistisch" nannten, als Dummköpfe bezeichnet.

In dieser Musik geht es vor allem um Stimmungsmalerei, sie bevorzugt das Atmosphärisch-Dunstige, die Klangfarbe und die wenig fassbare Bewegung gegenüber einer klaren melodischen Führung. In der Kammermusik ist die 1915 geschriebene Sonate für Flöte, Viola und Harfe von Debussy das zentrale Schlüsselwerk. Diese berühmte Sonate war auch das Hauptwerk der "Hommage" im Dachauer Schloss und zugleich der musikalische Höhepunkt.

Claude Debussys Sonate von 1915 hat in Besetzung und Stil viel Nachahmung gefunden, was man nun in diesem Dachauer Schlosskonzert in konzentrierter Form kennen-, aber auch schätzen lernen konnte. Also hörte man die beiden 1925 geschriebenen Stücke in der Triobesetzung Flöte, Violoncello und Harfe des belgischen Komponisten Joseph Jongen, dann als späten Nachläufer ein 1944 geschriebenes Trio für Violine, Cello und Harfe von Jacques Ibert, sowie das unmittelbar auf Debussys Sonate von 1915 bezogene, für die gleiche Besetzung geschriebene "Elegiac trio" (1916) von Sir Arnold Bax, einem 1883 in London geborenen englischen Komponisten mit besonderer Beziehung zu Irland, und schließlich eine Serenade in der größeren Besetzung Flöte, Violine, Viola, Violoncello und Harfe von Albert Roussel aus dem Jahre 1925.

Das waren alles schöne, angenehme Stücke. Gespielt wurden alle Stücke ausgezeichnet. Es war unüberhörbar, dass hier ein Ensemble am Werk war, das sich für diese Art von Musik in besonderer Weise spezialisiert hat. Freilich hatte man dabei einen eher stillen Genuss als ein begeisterndes oder gar berauschendes Musikerlebnis. Diese betont französische Musik ist überaus elegant - so wurde sie auch präsentiert - aber letztlich kühl.

Der noch in jüngster Zeit als Münchner Original bekannte Ernst Hanfstaengl hat Musik von Debussy und dessen Nachfolger mit Zierfischen im Aquarium verglichen. Es sind von der Natur faszinierend gezeichnete und geformte Fischlein, die in bewundernswerter Bewegung hin- und her schwimmen, oft gemächlich, dann wieder ein blitzartiger Vorstoß, ein Glitzern und plötzliches Aufleuchten - eine Zeit lang faszinierend, aber wenig fassbar und letztlich emotional nicht bewegend. Manche Menschen können dem bewegten Treiben im Aquarium stundenlang zuschauen, andere wenden sich nach einiger Zeit wieder ab. Ähnlich ergeht es den Zuhörern bei einem Konzert mit Musik der Art der Goldfische im Aquarium.

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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