Folkmusik :Café International

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Mick Thomas und Squeezebox Wally im beinahe schon familiären Ambiente des Café Gramsci. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mick Thomas, einer der erfolgreichsten Folkrock-Sänger und Komponisten Australiens, begeistert das Publikum im kleinen "Gramsci", darunter viele Australier, Amerikaner und eine polnische Delegation

Von Petra Neumaier, Dachau

Kai Kühnel staunt nicht schlecht, als er ins Publikum schaut: Hier singen Frauen mit geschlossenen Augen inbrünstig jedes gesungene Wort des Sängers mit. Dort klatschen Männer begeistert den Rhythmus auf die Schenkel oder hüpfen lachend zur Musik. Ausgelassen ist die Stimmung, und das Bier fließt in Strömen wie das Wasser an den beschlagenen Fensterscheiben. "Keine Ahnung, wo die vielen Australier und Amerikaner herkommen", versucht jetzt der zweite Bürgermeister und Mitorganisator des Konzerts gegen den tosenden Applaus anzukommen. "Typisch Café Gramsci" sei das Publikum jedenfalls nicht, sagt er noch und meint vermutlich die Dachauer, die nur vereinzelt und wohl unter denjenigen zu finden sind, die anfangs noch reglos auf ihren Stühlen saßen. Mick Thomas, einer der erfolgreichsten Folkrock-Sänger und Komponisten Australiens, riss aber auch sie schnell mit. Genauso wie die später eintreffende Besucherdelegation aus Oświęcim mit Bürgermeister Janusz Chwierut und Oberbürgermeister Florian Hartmann.

Ein bisschen verstimmt ist die alte "Mathilda" - aber wer nimmt es ihr schon übel an diesem fröhlichen Abend im übervollen Café Gramsci. Tapfer greift schließlich auch ihr Spieler "Squeezebox Wally" Wallace in ihre Tasten, der Mick Thomas an dem Klavier und auch am Akkordeon begleitet. Dominant ist sowieso die kräftige wie gefühlvolle Stimme des Sängers, der sich selbst mit Gitarre und Mandoline unterstützt. Mal mit ruhigen Melodien, dann wieder mit schmissigen Rhythmen, die stark an irischem Folk erinnern. Einkuscheln möchte man sich in die Musik und die Stimme, mittanzen mit den fröhlichen Australiern, die sich hier - mit Bierglas in der Hand springend - wie zu Hause fühlen. Was macht da schon für die nicht den australischen Slang gewohnten Ohren, dass sie nur hier und da Fragmente der Texte verstehen. Geschweige denn das, was der Sänger zwischen den Songs erzählt. "My accent is wild" gibt Mick Thomas ja sogar in einem seiner Lieder zu.

Seine Melodien sprechen ohnehin eine Sprache, die man auch ohne Worte versteht. Das Auf und Ab, das Schwingen und Stampfen, die das Leid und die unbändige Freude des Lebens beschreiben. Mick Thomas, der 57-jährige Vollblutmusiker und Liedermacher, der auch produziert, Theaterstücke schreibt und Film-Soundtracks komponiert, kennt sich aus. Seit seinem 15. Lebensjahr steht er auf der Bühne. Erst solo, dann mit seiner Folkband "Wedding Parties Anything", die bis 1998 auf Tour ging. Seit dem ist er wieder solo mit einem weiteren Musiker unterwegs.

Große Säle könnte er leicht füllen. Das tut er in der Regel auch: in England, Irland, Kanada und selbstverständlich in Australien. Außerhalb dieser Länder und seiner Heimat fühlt er sich aber in der Intimität kleiner Clubs wohler. 2009 kam Mick Thomas bereits in Dachau vorbei und anscheinend hatte es ihm im Café Gramsci so gut gefallen, dass er der erneuten Einladung des Vereins Tollhaus Dachau gerne folgte. Enger und intimer kann es auf der winzigen Bühne und in dem Mini-Gastraum ja kaum sein. Und aufmerksamer auch nicht - reg- und atemlos hört das Publikum den ruhigen Balladen zu, in denen Mick Thomas sogar in den Krieg zieht.

Doch nicht nur schwere Kost singt Mick Thomas in diesem Abend, auch von der Liebe, seiner Sturm- und Drangzeit, dem Vatersein und Alleinsein. Drei Zugaben muss er geben und dann noch eine obendrauf. So lohnte sich der Abend auch die erst spät hinzugekommenen Ehrengäste aus Oświęcim. Und für die übrigen Besucher hat sich der Abend sowieso gelohnt. Denn Mick Thomas findet nur allzu selten den Weg nach Deutschland - seine CDs sind hierzulande kaum zu haben und eigentlich fast ausschließlich nur bei seinen Konzerten zu erstehen. Wie ärgerlich, dass man den Sänger unterschätzt und nicht genug Geld eingesteckt hat. Und so singt man dann zum Schluss selbst den letzten Vers laut mit: "I learned my lesson well".

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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