Flüchtlingsunterkünfte:Tendenz steigend

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Gerade erst ist in Gröbenried ein Haus für Asylbewerber bezugsfertig geworden. Bis zum Jahresende sollen im Landkreis Dachau neue Containeranlagen für weitere 100 Flüchtlinge errichtet werden

Von Benjamin Emonts, Dachau

375 Asylbewerber leben aktuell in elf Unterkünften im Landkreis Dachau - und sofern die Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stimmt, wird sich diese Zahl bereits bis zum Jahresende auf 536 erhöhen. Wolfgang Reichelt allerdings zweifelt an dieser Zahl. Schließlich weiß der Pressesprecher des Dachauer Landratsamts um die aktuellen Entwicklungen in der Landeshauptstadt München, wo die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge und Asylbewerber in der Bayernkaserne regelrecht überquillt. Pressesprecher Reichelt rechnet deshalb mit mindestens 550 Asylbewerbern, die der Landkreis bis Jahresende aufnehmen muss. Und die Tendenz ist steigend.

Denn gemäß dem Königsteiner Schlüssel ist der Landkreis Dachau dazu verpflichtet, 3,1 Prozent aller in Bayern ankommenden Asylbewerber bei sich aufzunehmen. Reichelt sagt: "Das ist keine unlösbare Aufgabe. Die Frage ist nur: Kann man sie lösen und allen Vorschriften gleichzeitig entsprechen?" Bestes Beispiel für die heikle Lage ist die provisorische Asylbewerberunterkunft in der Tennishalle in Markt Indersdorf. Denn in der Unterkunft, so lautet die offene Kritik, leben die Flüchtlinge in unmenschlichen Verhältnissen. Folglich hat der Landkreis, der per Gesetz für Verpflegung, Grundversorgung und medizinische Notfallversorgung der Asylbewerber verantwortlich ist, die Halle Mitte September mit Eröffnung der Containeranlage in Schwabhausen (50 Plätze) außer Betrieb genommen und wollte sie nur mehr für absolute Notfälle als Flüchtlingsunterkunft nutzen. Vor zwei Wochen jedoch erreichte den Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) nachts ein Anruf des oberbayerischen Regierungspräsidenten Christoph Hillenbrand. Die Lage in München sei so prekär, der Landkreis Dachau möge bereits am darauf folgenden Vormittag 20 weitere Asylbewerber aufnehmen. Da zu diesem Zeitpunkt der Umbau der Asylbewerberunterkunft in Gröbenried, in der jetzt mehr als 50 Plätze zur Verfügung stehen, noch nicht abgeschlossen war, musste der Landkreis die Turnhalle in Indersdorf schneller reaktivieren als ihm lieb war. Nun sind dort wieder neun Flüchtlinge untergebracht.

Rihanna, 4, die mit ihrer Familie aus Somalia geflohen ist, hat am Mittwoch die Asylbewerberunterkunft in Gröbenried bezogen. (Foto: Toni Heigl)

Wolfgang Reichelt sagt: "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, weitere geeignete Immobilien und Grundstücke zu finden." Und mancherorts verlief die Suche bereits erfolgreich. In Erdweg, stellt Reichelt in Aussicht, wird bereits Mitte November eine Containeranlage mit 50 Plätzen bezugsfertig, ebenso in Markt Indersdorf bis spätestens Jahresende. Weiterhin in Planung befinde sich eine "große Flüchtlingsunterkunft in Massivbauweise" neben dem Heizkraftwerk in Karlsfeld. Dort soll laut Reichelt eine Sammelunterkunft wie in Dachau entstehen. Wobei die Unterkunft in der Kufsteiner Straße, in der aktuell 139 Asylbewerber leben, längst sanierungsbedürftig sei. "In Dachau hätten wir gerne einen Ersatzbau", sagt Reichelt.

Die dramatischen Entwicklungen in der Landeshauptstadt erfordern vom Landkreis, Notfallpläne zu konstruieren. Schließlich richtete die Regierung von Oberbayern kürzlich einen dringenden Appell an die Landkreise, nach Möglichkeiten zur temporären Entlastung der aus allen Nähten platzenden Bayernkaserne zu suchen. Konkret ging es um Unterbringungsmöglichkeiten für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten sowie um Notkapazitäten für Wochenenden. Die Idee von Landrat Löwl, dazu leer stehende Klassenräume der ehemaligen Realschule in der Dachauer Steinstraße zu nutzen, löste bei Schülereltern jedoch große Bedenken aus. In einem offenen Brief an den Elternbeirat stellte Löwl nun klar, dass diese Option, wenn überhaupt, nur an Wochenenden gezogen würde. Zumal sich die Lage durch "neu geschaffene Kapazitäten im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck und in Garmisch Patenkirchen" aktuell etwas entspannt habe.

SZ Grafik (Foto: N/A)

Pressesprecher Wolfgang Reichelt hebt indes das Engagement der ungefähr 250 Landkreisbürger hervor, welche sich an den Orten der Asylbewerberunterkünfte zu Helferkreisen zusammengeschlossen haben. "Sie kümmern sich um all die Dinge, die wir als Behörde nicht leisten können."

© SZ vom 16.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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