Fluchterfahrungen:Die Kunst der Empathie

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Die Kleine Altstadtgalerie zeigt eine interaktive Ausstellung, entwickelt von Flüchtlingen. Besucher erleben alltägliche Herausforderungen in der Fremde nach

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Die Kleine Altstadtgalerie ist ein beliebter Schauplatz für Kunst - doch an diesem Tag eröffnet Oberbürgermeister Florian Hartmann eine Ausstellung, die vielmehr eine Kunst fördern soll: "die Kunst, sich in andere Menschen hineinzuversetzen". Besucher erfahren hier einen Perspektivwechsel: Sie können versuchen, mit einem Fahrplan auf Arabisch den Weg durch den Münchner Nahverkehr zu finden. Oder ein Formular für ein Fitnessstudio in Syrien auszufüllen. Es sind scheinbar einfache Alltagssituationen, die durchfremde Schriftzeichen und Laute eine ganz andere Schwierigkeit erhalten. Wer sich selbst an den Spielen versucht, merkt schnell, dass selbst für Ortskundige der Odeonsplatz auf der Karte schwer zu finden ist - und der sportliche Vorsatz beim Anblick des fremdsprachigen Bürokratiedschungels schnell schwindet.

Louay Sakr, Wasim Summakeih, Abdul Baset Achkafi und Amal Zankalo haben mit Nadja Maki die Ausstellung "Land der Kulturen" entworfen. Sie wollen die alltäglichen Schwierigkeiten in einem fremden Land für Besucher erlebbar machen. (Foto: Toni Heigl)

Diese fiktiven Aufgaben sind von Menschen mit Fluchterfahrungen entwickelt worden, für sie gehören Situationen wie diese zur Realität. Rassismus und Unverständnis im Alltag erschweren diese zusätzlich. "Integration ist ein langer Weg, den niemand alleine und ohne Unterstützung gehen kann", sagt Hartmann - spätestens der Besuch dieser Ausstellung sollte dieses Verständnis wecken.

Louay Sakr hat die Ausstellung mitentworfen. Er kam als syrischer Flüchtling nach Deutschland und sagt: "Es ist ein Problem, dass Ausländer hier fast nur andere Ausländer kennenlernen können." Grund dafür sei im Alltag vor allem die Sprachbarriere. Das betont auch Nadja Maki, Verantwortliche des Projekts "Land der Kulturen": "Wenn Menschen die Sprache nicht sprechen, werden sie nicht für voll genommen, andere Kompetenzen werden übersehen."

Der Künstler Omar Jalo aus dem Senegal vor seinem Werk "Mama Afrika". (Foto: Toni Heigl)

Anlass zum Entwurf dieser Ausstellung war die in der Öffentlichkeit weitläufig deklarierte "Angst vor Überfremdung", erklärt Nadja Maki. Wasim Summakeih, ein Teammitglied mit Fluchterfahrung, sagt: "Mit dieser Ausstellung wollen wir zeigen, dass man keine Angst vor uns und unserer Kultur haben sollte."

Seit März präsentiert das Team um Nadja Maki die Ausstellung im Raum München - in Bibliotheken, Theatern und auf Festivals. Die Reaktionen sind positiv. Als besonders wertvoll bewertet Nadja Maki die Gespräche, die in der Ausstellung mit den Geflüchteten entstehen. Diesen interaktiven Austausch fördert eine Aktion, die auch Teil der Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie ist. Unter dem Titel #connect können Besucher Fragen auf eine Karte schreiben, andere sind später dazu eingeladen, diese zu beantworten. "Magst du unser Essen?", fragt jemand aus Deutschland. "Was hältst du von Rassismus?", beschäftigt eine Person aus Kosovo. So entsteht zwar kein direkter Dialog, dafür erhalten selbst Mitlesende einen Anstoß zu kulturellem Austausch - auch durch banale Fragen.

Parallel zeigt Omar Jalo, ein Flüchtling aus dem Senegal, seine Kunst. In der Malerei verarbeitet er eigene Fluchterfahrungen, auf manchen Bildern stehen einzelne Sätze auf Englisch. Der Künstler bittet um Veränderung: "please make change." Die Ausstellung zeigt: Dafür braucht es Empathie.

Die Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie ist bis zum 12. Oktober täglich von 16 bis 20 Uhr geöffnet, Anmeldungen für geführte Rundgänge bei Johanna Koch, unter integration@dachau.de oder 08131/754899.

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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