Faustschläge mit Folgen:Kontrollverlust

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Betrunkener Fahrgast schlägt auf Busfahrer ein. Im Verlauf der Prügelei verliert der Angreifer einen Zahn. Das Amtsgericht verurteilt beide zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Ein herausgeschlagener Eckzahn und ein gebrochener Finger sind das Resultat einer Auseinandersetzung zwischen einem Busfahrer und seinem Fahrgast. Anlass für den handfesten Streit Mitte Juni in Karlsfeld war der Ärger eines 35-jährigen Münchners darüber, dass er in den falschen Bus gestiegen war. Als der Busfahrer, ein 45-jähriger Unterschleißheimer, den Mann aufforderte, an der Endhaltestelle auszusteigen, ging es mit dem Münchner durch. Er stürmte auf den Fahrer zu und schlug mit beiden Händen und seinem Rucksack auf ihn ein. Das Amtsgericht Dachau verurteilte am Mittwoch beide zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen.

"Leider kann ich mich an vieles nicht mehr erinnern", gestand der Münchner auf der Anklagebank. "Ich stand unter starkem Alkoholeinfluss." 1,94 Promille Alkohol hatte er an jenem Abend im Juni intus. Nach einem Streit mit seiner Frau war er mit seinen Kollegen zum Feiern gegangen. Nach etlichen Bier und Whiskey-Mischgetränken wollte er sich gegen 21 Uhr auf den Heimweg machen. Doch die Linie 710 fuhr nur bis zur St. Anna-Kirche in Karlsfeld, nicht nach Moosach. "Ich hatte die Ansage des Busfahrers so verstanden, dass er mich ohne Grund rauswerfen will", sagte der 35-Jährige. Ihm sei nicht klar gewesen, dass dies die Endhaltestelle war. "Ich weiß, dass ich aggressiv wurde und alles provoziert habe", sagte er reumütig.

Der Busfahrer sagte vor Gericht: "Es war wie ein Trommelwirbel." Der 45-Jährige beschrieb, wie er in die Ecke gedrängt, die "brutalen" Schläge über sich ergehen lassen musste, wie er schützend die Hände hoch hob und dabei am Finger verletzt wurde. "Alle Finger waren anschließend geschwollen, der linke Ringfinger gebrochen", klagte der Unterschleißheimer. Zehn Tage war er krank geschrieben, Schmerzen habe er jetzt noch und die Finger könne er nun auch nicht mehr so gut bewegen. "Es tut mir leid. Ich wusste nicht was ich tat", entschuldigte sich der Angeklagte. In seinem Mund klafft noch immer eine Zahnlücke. Sie rührt von der weiteren Prügelei her. Ein Kollege des Busfahrers, der an diesem Abend im Juni die Gegenlinie Richtung Dachau fuhr, bemerkte die Rangelei im Bus und kam zu Hilfe. Er steuerte seinen Bus direkt zu dem seines Kollegen, sprang hinaus, packte den alkoholisierten Angreifer, zog ihn aus dem anderen Bus und hielt ihn fest. Gleichzeitig versuchten er und einige Fahrgäste, die sich inzwischen dazu gesellt hatten, nach dem Rucksack zu greifen, um zu sehen, ob gefährliche Gegenstände darin sind. Auch der zuerst angegriffene Busfahrer stieg aus und ging auf den Angeklagten zu. Sein Kollege warnte ihn: "Schlag ihn nicht". Doch der Busfahrer ballte seine Faust und schlug dem Betrunkenen zweimal hart ins Gesicht. Der Mann ging zu Boden, ein großes Stück eines Zahnes brach ab. Irreparabel, wie sein Zahnarzt später diagnostizierte. Der Zahn musste gezogen werden.

Nachbarn waren auch auf die laute Auseinandersetzung aufmerksam geworden und filmten mit dem Handy einen Teil der Schlägerei. Das half dem Gericht bei der Urteilsfindung. Dem Richter fiel sofort die zeitliche Zäsur auf: "Für die beiden Schläge gab es keinen rechtfertigenden Grund", sagte er. Der Nachbar im Zeugenstand bestätigte dies: Der Münchner "war eher tollpatschig als gemeingefährlich, eben stark alkoholisiert". Der Busfahrer hatte ihm gegenüber zugegeben: "Ich konnte mich nicht halten." Das brachte dem 45-Jährigen nun ebenfalls eine Verurteilung wegen Körperverletzung ein.

"Das kann ich nicht billigen", sagte der Richter bestimmt. Auch wenn der Unterschleißheimer nun fürchte, seinen Job zu verlieren, "die Schläge waren fünf Nummern zu viel". Der Münchner wäre in seinem Zustand sicher nicht weit gekommen, die Faustschläge, zu denen sich der Busfahrer hatte hinreißen lassen, "waren nicht nötig" und noch dazu so heftig, dass sie "erhebliche Folgen" hatten. Auch dem Busfahrer tat seine Brutalität im Nachhinein "leid". "Das wollte ich nicht", sagte er kleinlaut am Ende der Verhandlung.

Der Kollege des Unterschleißheimers musste ebenfalls auf der Anklagebank Platz nehmen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm gefährliche Körperverletzung vor, stufte ihn als Mittäter ein, der mit dem Busfahrer gemeinsame Sache gemacht habe. Doch das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. "Er wollte nur Hilfe leisten", befand der Richter.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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